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Kapitel 2

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Die Fahrt nach Lorient am nächsten Morgen verlief problemlos. Sie mussten schon sehr früh losfahren, die Fähre verließ wenige Minuten nach acht Uhr den Hafen von Lorient. Ihrer Buchung hatten sie entnommen, dass sie 40 Minuten vor der Abfahrt vor Ort sein sollten. Von Quimper bis nach Lorient benötigten sie etwa eine dreiviertel Stunde, so dass Ewen entschieden hatte, viertel nach sechs loszufahren.

Sie stellten ihren Wagen in eine Parklücke auf dem öffentlichen Parkplatz, in der Rue Gilles Gahinet. Damit ersparten sie sich die Kosten für den bewachten Parkplatz am oberen Ende der Straße. Die Gebühren waren dort hoch, zwanzig Euro für die ersten zwei Tage. Wie hoch die Kosten für eine Woche waren, wusste Ewen nicht. Aber durch ihre frühe Ankunft fanden sie einen Platz auf dem öffentlichen Parkplatz und konnten sich diese Kosten also sparen. In der Nebensaison war auch der andere Parkplatz kostenlos, aber ihre Fahrt fiel gerade noch in die Hauptreisezeit.

Das Schiff, Le Saint Tudy, lag bereits am Pier, und die Vorbereitungen für die Überfahrt waren in vollem Gange. Zwei LKW standen auf der Wartespur für die Fahrzeugverladung, und sieben PKW parkten daneben. Ewen und Carla betraten die Vorhalle des Gare Maritim und gingen an einen freien Schalter. Carla, die die Buchung Online getätigt hatte, reichte der Dame hinter dem Schalter ihre Reservierung und erhielt von ihr die Fahrkarten und einige Broschüren über die Insel. Ewen sah auf die Uhr und fragte sich, warum sie so früh hier sein mussten. Sie hatten jetzt noch beinahe eine halbe Stunde Zeit, bis sie an Bord gehen konnten.

Der Wartesaal war noch nicht sehr belebt, als Ewen mit Carla durch die automatische Glastür in den Raum trat. Sie suchten sich einen Platz am Fenster, und Ewen betrachtete das Schiff. Er schätzte die Länge des Schiffes auf mehr als 40 Meter. Die Breite konnte er nicht gut einschätzen. Aber 10 bis 11 Meter konnten es schon sein. Dann fiel ihm der Prospektständer auf. Er erhob sich und ging auf den Ständer zu. Ein Prospekt der Compagnie Océane steckte darin. Ewen zog ein Exemplar heraus und öffnete es. Da standen alle Daten zu den beiden Schiffen der Gesellschaft. Die Länge betrug 44,5 Meter und die Breite 11 Meter. Das zweite Schiff, die Ile de Groix, war etwas größer, 46 Meter lang und 12 Meter breit. Die Kapazität, den Transport von Fahrzeugen betreffend, war bei dem größeren Schiff deutlich höher. Anstelle von 20 PKW konnten 32 geladen werden. Die Geschwindigkeit von 12 Knoten war für beide gleich.

Ewen setzte sich wieder zu Carla, die den Eindruck hatte, dass Ewen seine notorische Angst vor Seereisen durch die Lektüre dieser Prospekte überspielen wollte.

„Ist das sehr interessant?“, fragte sie ihn.

„Ich interessiere mich eben für unser Schiff. Ich möchte informiert sein über seine Größe, Geschwindigkeit und Zuladung. Es kann doch nicht schaden, wenn ich mich damit beschäftige?“

„Nein, Ewen, schaden kann es nicht, aber du könntest dich vielleicht auch für mich interessieren. Auch das könnte nicht schaden, was meinst du?“

Ewen fühlte sich ertappt und legte den Prospekt sofort zur Seite.

„Aber natürlich interessiere ich mich für dich, mein Schatz“, sagte er, nahm seine Frau zärtlich in den Arm und drückte ihr einen liebevollen Kuss auf den Mund.“

Als der Ausgang geöffnet wurde, strömten die Passagiere in Richtung des Schiffes. Bestimmt waren es an die 200 bis 300 Menschen, die inzwischen im Warte-saal ausgeharrt hatten.

Ewen nahm ihren Koffer und marschierte mit Carla in Richtung der wartenden Fähre. Die Fußgänger betraten den großen Laderaum des Schiffes und stiegen sofort die Treppe nach oben, während die Fahrzeuge langsam an ihnen vorbei auf das Parkdeck fuhren. Noch lag das Schiff ruhig am Pier, und Ewen registrierte keinerlei Schwankungen. Wenn es dabei bleibt, würde die Überfahrt bestimmt unproblematisch werden. Die Fahrt nach Ouessant, vor der er enormen Respekt gehabt hatte, wegen der überall beschriebenen gefährlichen Fromveur-Strömung, war damals sehr gut verlaufen. Außerdem dauerte die heutige Fahrt lediglich fünfzig Minuten.

Carla suchte für sie beide einen Platz auf dem offenen Deck, um etwas mehr von der herrlichen Landschaft zu profitieren. Jetzt am frühen Morgen war die Luft noch recht frisch, und sicherlich würde der Wind deutlich zunehmen, wenn das Schiff erst auf dem offenen Meer fuhr. Sie waren beide warm bekleidet, so dass die Temperatur ihnen im Augenblick nichts anhaben konnte.

Pünktlich um acht Uhr wurden die mächtigen Taue, die das Schiff am Pier gehalten hatten, gelöst und eingezogen, und das Schiff nahm Fahrt auf. Der Hafen von Lorient ist der größte Fischereihafen der Bretagne, und so lagen jetzt zahlreiche Fischkutter, die die Nacht über auf dem Meer waren, an den Molen und löschten ihre Ladung.

Die Saint Tudy glitt sanft an ihnen vorbei. Ewen stellte sich an die Reling und betrachtete die Bugwelle, die das Schiff erzeugte. Eine Segelyacht, die vom Meer zurückkam und in Richtung des Hafens fuhr, wurde von den Wellen kräftig angehoben. Ewen war heilfroh, dass er nicht auf dem Segelboot sein musste. Diese Bewegungen wären bestimmt schon zu viel für seinen Magen gewesen. Jetzt kam der erste der drei mächtigen U-Boot-Bunker von Lorient ins Blickfeld. Die Nazis hatten sie errichtet, und sie dienten den deutschen U-Booten während des zweiten Weltkrieges als Schutz vor den alliierten Bombenangriffen. Der Bunker K3, so hatte Ewen in einer Fernsehsendung gehört, besaß eine sechs Meter dicke Betondecke, die anderen beiden hatten lediglich drei Meter Beton zu ihrem Schutz. Die Stadt Lorient war während des Krieges praktisch ausradiert worden, aber die Bomben hatten an den Bunkern so gut wie keinen Schaden angerichtet. Die französische Marine nutzte sie bis in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts noch für ihre U-Boote. Jetzt waren die Bunker zu einem Museum umfunktioniert worden. Teile wurden als überdachte Liegeplätze für diverse Yachten genutzt oder dienten zahlreichen Firmen als Lager, Werkstätten und Fabrikräume. Die enorme Größe dieser Anlagen erlaubte es, dass hier sogar Tri- und Katamarane für die Wettrennen über den Atlantik gebaut werden konnten.

Auf der anderen Schiffsseite kam Vaubans gewaltige Festung Port Louis näher. Ewen kannte die Festung von früheren Besuchen. Sie beherbergt das Museum der indischen Kompanie, das er mit Carla an einem Sonntag besucht hatte. Es war absolut sehenswert. Die hohen Mauern erschienen Ewen von See aus noch mächtiger. Langsam kamen sie aufs offene Meer hinaus. Der Wind frischte nur unwesentlich auf, und das Schiff glitt ruhig durchs Wasser. Nach einer knappen halben Stunde kam auch schon die Île de Groix in Sicht. Schon vom Weitem konnte Ewen die Hafeneinfahrt mit dem rotweißen Leuchtturm auf der linken Seite der Hafeneinfahrt erkennen. Als sich das Schiff der Einfahrt näherte, reduzierte es seine Geschwindigkeit und passierte die, aus Ewens Sicht, sehr enge Einfahrt. Vorsichtig wurde es an die Kai-Mauer bugsiert und vertäut.

„Na, war das jetzt so schlimm?“, fragte Carla ihren Mann, während sie die Treppe nach unten stiegen und das Schiff verließen.

„Die Herfahrt nicht, hoffen wir, dass die Rückfahrt auch so gut verläuft.“

„Ach Ewen, kannst du nicht einfach nur entspannen. Lass uns jetzt die Tage auf Groix genießen. Du wirst sehen, es wird dir gut gefallen.“

Sie gingen über die recht breite Kaimauer und folgten dann der Straße in südliche Richtung. Ihr Hotel lag genau vor ihnen. Nach nur wenigen Metern hatten sie es erreicht. Der Innenhof diente als Parkplatz für die Gäste, die mit eigenem Fahrzeug auf die Insel kamen, und dem Hotelbesitzer. Im hinteren Bereich, links neben dem Eingang, sah Ewen eine recht nett angelegte Terrasse mit Tischen und Stühlen für die Gäste. Bestimmt konnten sie hier ihren Aperitif einnehmen.

Die Anmeldung war schnell erledigt, die Zimmer leider noch nicht zu beziehen, was nicht weiter tragisch war. Sie stellten ihren Koffer ab und starteten sofort zu einem ersten Erkundungsgang.

Sie entschieden sich für den Weg nach Osten, der über dem Hafenbecken verlief und einen freien Blick auf die Küste und Lorient gestattete. Ewen war sogleich begeistert von den herrlichen Ausblicken auf den Hafen, das Festland, die sanft im Wind treibenden Segelboote und den wunderschönen Farben des Wassers, des Sandes und der südländischen Flora.

Das Meer, das am Horizont in dunklem Azurblau leuchtete, veränderte seine Farbe mit der Annäherung an den Strand von tiefdunklem Grün über Smaragdgrün, um dann in ein zartes Hellgrün zu münden. Die sich bildenden und schnell wieder vergehenden weißen Schaumkronen der Wellen verliehen dem Ganzen eine Leichte und Lebendigkeit. Die verschiedenen Strände schienen den Wettbewerb mit dem Farbenspiel des Wassers aufnehmen zu wollen. Anstatt die üblichen hellbraunen bis gelblichen Farbtöne, die Ewen kannte, schillerten diese hier rötlich bis weiß. Das satte Grün der Bäume, der Farne und der übrigen Pflanzen gab diesen hellen Stränden ein subtropisches Antlitz. Jetzt verstand Ewen die Erzählungen von Carlas Tochter Marie, die von den Stränden geschwärmt hatte, und deren Freunde sie in der Südsee vermuteten, als sie ihnen die Bilder gezeigt hatte. Der Strand, Les Grand Sables, einer der seltenen konvexen Strände Europas, faszinierte Ewen. Sie folgten dem Küstenweg weiter, vorbei an dem Plage, Les Sables Rouges, dem roten Strand, der seine Farbe vom granathaltigen Sand erhalten hatte, und folgten dem Weg weiter in südliche Richtung, bis zur Pointe des Chats. Nach zwei Stunden hatten Ewen und Carla das Ziel, das sie sich für den ersten Spaziergang vorgenommen hatten, erreicht. Sie folgten der Küste in westliche Richtung und kamen an den kleinen Strand der Ortschaft Locmaria. Von dort aus wollte Ewen den Rückweg quer über die Insel zum Hotel antreten. Der Weg hatte sie ermüdet und hungrig werden lassen. Sie entdeckten die Crêperie, L´Ocre Marine, setzten sich auf die schattige Terrasse mit Blick aufs Meer und bestellten Crêpes und Getränke.

Die schwarzen Männer

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