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Kapitel 4

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Ewen Kerber war jetzt bereits seit fünf Tagen auf der Insel Groix. Langsam bekam er den Eindruck, schon seit Monaten hier zu sein. Er hatte mit Carla die Insel in ihrer Gesamtheit umrundet, die meisten Weiler besucht, die herrlichen weißen Strände mit dem feinen Sand genossen und verschiedene Mineralien gefunden. Ewen war von diesem fantastischen weißen Sand am Plage Grands Sables besonders beeindruckt. Er war sicher, dass es in ganz Frankreich keinen helleren Sand als diesen hier gab. Aber langsam wurde ihm die Insel nun doch zu klein. Seit gestern hatte er den Eindruck, alles schon gesehen zu haben, wie zum Beispiel das kleine Granithaus mit der blauen Tür und dem roten Briefkasten. Ewen war sicher, diese Tür schon einmal gesehen zu haben, während Carla ihn zu überzeugen versuchte, noch nie an dem Ort gewesen zu sein. Schließlich hatten sie heute einen ganz anderen Weg als an den Vortagen genommen.

Ihre Abende spielten sich weitgehend rund um den Port Tudy und Le Bourg ab. Wenn sie ihren Aperitif einnehmen wollten, und Ewen bestand auf seinen gewohnten Appetitanreger, suchten sie meistens ein Lokal rund um den Hafen oder im Ortszentrum von Le Bourg auf. Den Thunfisch auf der Kirchturmspitze hatte er von allen Seiten betrachtet und fotografiert. Langsam wurde es Zeit, wieder aufs Festland zu fahren. Der Urlaub war morgen auch vorbei. Für die Rückfahrt hatte Carla die Fähre am Nachmittag gebucht, so dass sie spätestens gegen 17 Uhr 30 wieder in Quimper sein würden.

Vom Port Saint-Nicolas aus waren sie heute der Küstenlinie gefolgt und besuchten das Höllenloch, le Trou de l´Enfer. Von hier aus wollten sie in Richtung Le Bourg und Port Tudy weitergehen. Das Wetter hatte die ganze Woche über ein Einsehen mit ihnen gehabt. Weder beständiger Regen noch heftige Winde hatten ihren Urlaub getrübt. Zwei Mal hatte es morgens etwas geregnet, aber bereits nach einer Stunde schien die Sonne wieder.

Ewen fühlte sich sehr gut erholt, auch Carla schienen die Tage gut bekommen zu sein. Sie war ein wenig sonnengebräunt und strahlte Zufriedenheit aus.

„Was machen wir morgen, mein Schatz?“, fragte sie ihren Mann, als sie in Sichtweite des Kirchturms mit dem Thunfisch kamen.

„Mein Vorschlag ist, dass wir uns am letzten Tag nicht verausgaben. Lass uns eine kleine Tour aussuchen, die uns nicht zu weit vom Hafen entfernt. Ich habe vorgestern den kleinen Hafen Port Lay von der Höhe aus betrachtet, wir sind daran vorbeigekommen. Vielleicht können wir uns den etwas genauer ansehen?“

„Aber Ewen, der ist so klein, da haben wir in einer halben Stunde jedes Haus ausführlich betrachtet. Wir könnten schon etwas mehr einplanen.“

„Ich war ja auch nicht der Meinung, dass wir nur den kleinen Hafen besuchen sollten. Wir könnten auch noch den Menhir l’apéritif besuchen.“

„Ein Menhir der Aperitif heißt?“

„Ja, ich habe davon gelesen. Der Menhir ist umgefallen, aber er hat wohl eine Höhe von 5,7 Metern gehabt. Man sagt, dass er den Fischern als Navigationspunkt gedient hat, wenn sie den Port Tudy angesteuert haben. Dank des Menhirs konnten sie ihre Boote genauer und schneller in den Hafen manövrieren und waren so früher zu Hause.“

„…und konnten den Aperitif schneller einnehmen?“, meinte Carla ergänzend.

„Vielleicht hat er dadurch seinen Namen erhalten“, antwortete Ewen.

„Ewen, ich glaube, wir sollten in Quimper einen Menhir aufbauen, damit auch du den Weg schneller nach Hause findest.“ Carla lachte, während Ewen ein nachdenkliches Gesicht machte.

„Wir können den Menhir gerne besuchen, Ewen“, meinte Carla, als sie bereits die Straße hinunter zum Hafen gingen und an dem kleinen, alten Zollhaus, gegenüber von ihrem Hotel, vorbeikamen.

„Wir können unseren Aperitif heute im Hotelgarten einnehmen, was hältst du davon?“

„Eine sehr gute Idee, Carla, der Garten ist schön ruhig und sonnig.“

Sie betraten das Hotel und nahmen ihren Zimmerschlüssel vom Brett. Die Rezeption war unbesetzt, was Ewen irritierte. Jeder konnte sich einen Zimmerschlüssel schnappen und in aller Ruhe ein Zimmer durchstöbern? Die Vorstellung behagte ihm überhaupt nicht. Ansonsten war er mit dem Hotel ganz zufrieden. Das Essen entsprach seinen Vorstellungen, und die Bedienung arbeitete diskret und effektiv.

„Hoffentlich ist gleich jemand an der Rezeption, damit wir unseren Aperitif auch bestellen können“, meinte Ewen, als sie auf ihr Zimmer gingen, um die Wanderschuhe gegen bequemere auszutauschen. Nach wenigen Minuten verließen sie ihr Zimmer und gingen hinunter in den Garten. Zu ihrem Erstaunen war eine Bedienung im Garten und deckte einen Tisch ein.

„Bonjour Madame, dürfen wir bei Ihnen eine Bestellung für einen Aperitif aufgeben?“, fragte Ewen die Dame.

„Bien-sûr, Monsieur“, antwortete sie ihm.

Ewen und Carla wählten einen Tisch in der Mitte des Gartens. Carla entschied sich für den Platz in der Sonne, Ewen wählte ein etwas schattigeres Plätzchen aus.

„Was darf es denn sein?“

„Für mich ein Glas Champagner“, antwortete Carla.

„Mir dürfen Sie ein Rosé bringen“, sagte Ewen und lächelte die Frau an.

„Sagen Sie, kann man auch im Garten das Abendessen einnehmen? Ich sehe, dass Sie einen Tisch eindecken.“

„Die Herrschaften haben am Morgen gebeten, im Garten essen zu dürfen. Wir versuchen alle Wünsche unserer Gäste zu erfüllen.“

„Es wird mir bestimmt zu frisch im Garten“, meinte Carla, als Ewen sie fragte, ob auch sie den Garten dem Speisesaal vorziehen würde.

„Außerdem haben wir einen schönen Tisch am Fenster mit Blick auf den Hafen. Ich genieße den Blick sehr. Das ist für mich mehr Urlaub, als ein Essen im Garten. Zuhause essen wir so oft im Garten.“

„Da hast du Recht, mein Schatz“, meinte Ewen.

Ewen sah, wie an jedem Tag, auf sein Handy, ob er nicht doch einen Anruf von Paul überhört hatte. Aber kein Anruf war eingegangen. Paul schien tatsächlich ohne ihn klarzukommen. Einerseits freute er sich darüber, andererseits kam er sich dabei fast schon überflüssig vor. Aber falls er in den nächsten Jahren in Pension gehen sollte, musste Paul die Abteilung schließlich auch alleine führen können. Der Gedanke tröstete ihn, denn er hielt große Stücke auf seinen Freund. Bestimmt würde Paul ihn hin und wieder um Rat fragen, falls es einen besonders kniffligen Fall geben sollte.

Am nächsten Morgen machten sie sich auf den Weg zu dem kleinen Hafen Port Lay.

„Du hast gestern Recht gehabt“, meinte Ewen, nachdem sie knappe zehn Minuten durch den kleinen Hafen gegangen waren.

„Hier ist wirklich nicht viel zu sehen. Lass uns zum Menhir gehen.“

„Aber einen Aperitif gibt es so früh noch nicht“, lächelte Carla und sah ihren Mann verschmitzt an.

Ewen ging auf die Bemerkung gar nicht erst ein. Sie wanderten in Richtung Le Bourg, überquerten den Platz vor der Kirche und folgten der Straße, die zu dem kleinen Ort Locmaria führte. Der Menhir stand auf einer Wiese, an der Stelle, an der sich die Straßen Locmaria Port Tudy und Le Bourg Kerohet trafen. Ewen bestaunte den umgefallenen Menhir. Danach machten sie sich auf den Weg zurück, holten ihr Gepäck im Hotel ab und schlenderten langsam zum Hafen.

Ewen holte noch einmal sein Handy aus der Tasche und sah auf das Display, ob er auch heute keinen Anruf verpasst hatte. Aber nichts wurde angezeigt. Ewen wollte sein Handy gerade wieder in der Hosentasche verschwinden lassen, als es klingelte, und auf dem Display der Name Paul erschien.

Die schwarzen Männer

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