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Kapitel 7

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Denis Maubert war sich seiner Sache ziemlich sicher. Sie würden aus diesem Schlamassel herauskommen, danach würde er abrechnen, abrechnen mit dem Tippgeber für den Einbruch. Er fände ein Juweliergeschäft mit einem verängstigten Besitzer vor, hatte der Mann ihm gesagt. Der Besitzer habe erst vor einem dreiviertel Jahr einen Überfall überstanden und sei seither total verunsichert und ängstlich. Eine Alarmanlage gab es angeblich nicht. Das waren die Informationen, die er erhalten hatte. Die Bijouterie hätte edle Stücke in den Vitrinen, und ein Überfall brächte gute Beute.

Was war geblieben von den Aussagen? Der Mann hatte eine Alarmanlage und hatte sie benützt. Er war zwar ein ängstlicher Typ, aber doch so mutig, dass er den Alarmknopf betätigt hatte. Über die Schmuckstücke konnte Denis sich noch kein Bild machen. Die waren ihm aber jetzt erst einmal egal. Wenn die Bullen seine Forderungen erfüllen würden, dann bekämen sie einen Koffer voller Geld. 500.000 Euro und den Schmuck, das sollte fürs Erste reichen, um eine neue Existenz in Spanien aufzubauen. In den Knast wollte er auf keinen Fall zurück. Der letzte Aufenthalt sollte eindeutig sein letzter gewesen sein. Seit seinem 18. Geburtstag hatte er mehr Zeit in Gefängnissen verbracht als in Freiheit. Er war inzwischen 38 Jahre alt und wollte endlich eine Familie gründen. Eine Frau fürs Leben zu finden, erschien ihm mit Geld einfacher als ohne. Dieser Überfall sollte sein letzter sein, wenigstens sein letzter, solange das Geld reichte. Einen Beruf hatte er nie erlernt. In der Schule war er weniger durch seine Noten aufgefallen, vielmehr hatte er als Klassenclown Karriere gemacht.

Bei den Mädchen war er anfangs beliebt. Sie schätzten seinen Mut, sich mit den Lehrern anzulegen, und sein attraktives Aussehen ließ die schlechten Noten schnell in den Hintergrund treten. Aber mit der Zeit genügte das nicht mehr. Keine wollte sich später mit dem Dümmsten der Klasse abgeben, so dass er zusehends aggressiver wurde, je mehr die Mädchen ihn abwiesen. Er machte seine ersten Einbrüche, um sich etwas Geld zu beschaffen. Er erhoffte sich mit dem Geld, seine frühere Position zurückgewinnen zu können. Als einer der Ersten der Schule machte er den Führerschein, und durch seine kriminellen Aktivitäten besaß er schnell einen eigenen Wagen. Eine Zeitlang schienen seine Überlegungen aufzugehen. Die Mädchen fingen wieder an, Gefallen an ihm zu finden, fragten auch nicht woher er das Geld hatte, mit dem er beinahe schon herumwarf.

Nach einem erneuten Einbruch wurde er dann aber erwischt und zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Danach war es vorbei mit seinem Ansehen beim weiblichen Geschlecht. In Quimper machte sein Gefängnisaufenthalt schnell die Runde. Auch in der weiteren Umgebung blieb der Name, Denis Maubert, bei den Menschen haften. Nach jeder Entlassung kam es zu einem erneuten Einbruch und einer erneuten Verhaftung und Verurteilung.

Seine Gefängnisstrafen hatte er in Brest abgesessen. Dort hatte er nach der letzten Verurteilung Jules Fucauld kennengelernt, der ebenfalls wegen eines Einbruchs einsaß. Jules war ein schüchterner Mann, kam aus Pont Aven, wo er eine Arbeit als Lagerarbeiter, in der Biscuiterie Traou Mad, gefunden hatte. Die Bezahlung war okay gewesen, reichte ihm nach kurzer Zeit aber nicht mehr aus, um seinen überzogenen Lebensstil zu finanzieren. Er besserte sein Einkommen durch Einbrüche auf, stellte sich aber nicht gerade sehr geschickt an und wurde rasch gefasst.

Der Kontakt zu Denis Maubert war schnell hergestellt. Er sah in dem Mann einen Menschen, der ein ähnliches Schicksal hinter sich hatte, aber deutlich aggressiver auftreten konnte, und das beeindruckte Jules.

Auch Marc Gourand hatte in Brest im Gefängnis gesessen, er hatte bei einer Schlägerei so kräftig zugeschlagen, dass sein Gegenüber drei Monate im Koma lag. Marc, ein Fischer aus Guilvinec, war eine imposante Erscheinung. Mit seiner 1,90 Meter großen, kräftigen Gestalt, einem Dreitagebart, tätowierten Armen und kurzgeschnittenen Haaren, gehörte er zu dem Typ Mann, dem die meisten aus dem Weg gingen, um nicht in eine Streiterei mit ihm zu geraten. Er war sich seiner Kraft und seiner Wirkung bewusst, war jedoch ein schüchterner und zurückhaltender Mensch. Er ging einem Streit lieber aus dem Weg, was die meisten Menschen überraschte, denn es passte so gar nicht zu seiner Erscheinung.

Bei dieser Schlägerei war er provoziert worden. Der Mann hatte ihn solange gehänselt, bis Marc die Geduld verloren hatte. Nur dank der Zeugen, die vor Gericht die Hänseleien bestätigt und darauf hingewiesen hatten, dass er sich die Sticheleien lange angehört, bevor er zugeschlagen hatte, kam er mit einer Strafe von drei Monaten davon.

In der Strafanstalt von Brest nannte man ihn das Lämmchen. Aber es traute sich niemand, aufgrund seines Aussehens, ihn mit diesem Spitznamen anzusprechen. Als Denis zum ersten Mal von ihm hörte, und seinen Spitznamen erfuhr, musste er so lachen, dass er alle Insassen des Gefängnisses beim Hofgang auf sich aufmerksam machte. Es dauerte nicht lange, dann ging Denis auf Marc zu und sprach ihn mit seinem Spitznamen an. Marc drehte sich ruhig um, sah Denis lange an und suchte die Bestätigung, dass er ihn meinte. Denis nickte und erklärte ihm, dass das sein Name im Gefängnis sei. Marc schien diese Hänselei nicht zu stören, fand Denis sympathisch und hielt sich fortan häufig bei ihm auf. So waren sich die drei in Brest nähergekommen.

Nach der Entlassung aus der Haft trafen sie sich in Guilvinec. Marc hatte dort wieder eine Anstellung als Fischer gefunden. Denis erzählte den beiden von dem erhaltenen Tipp.

Jules Fucauld war sofort bereit mitzumachen, während Marc noch zögerte. Schließlich konnte Denis ihn aber überzeugen dabeizusein. Mitten in der Planung stellten sie fest, dass sie einen vierten Mann brauchten. Den Überfall wollten sie zu dritt erledigen, aber sie brauchten noch jemanden, der den Wagen fahren sollte. Jules erinnerte sich an einen etwas jüngeren Bekannten, der sich einen Namen als Rennfahrer gemacht hatte. Der Mann schien genau der Richtige zu sein, das Fluchtauto zu steuern. Maurice, so hieß der Bekannte von Jules, musste nicht lange überzeugt werden. In seinem Portemonnaie herrschte dauernd Ebbe, so dass er sofort bereit war der Fahrer zu sein.

Denis Maubert hatte sich bei jedem versichert, dass sie seine Entscheidungen mittragen würden. Einer muss bei einem solchen Unterfangen das Sagen haben, hatte er mehrfach betont. Jetzt saßen sie hier in der Bijouterie in der Falle, und er, Denis, musste dafür sorgen, dass sie heil herauskommen konnten. Zuerst erschien ihm eine Flucht mit dem Wagen und ohne Geiseln die beste Alternative, bis ihm klar wurde, dass eine Flucht ohne eine Geisel eine aussichtslose Angelegenheit war. Der nervige Mann am Telefon, der die Verhandlungen mit ihm zu führen hatte, erschien ihm einerseits ein Dummkopf zu sein, andererseits Recht zu haben. Mit einem größeren Wagen und den Geiseln war die Flucht viel riskanter. Da kam ihm die Idee, dass sie mit einem Boot fliehen könnten. Der Hafen von Douarnenez war nicht weit entfernt, und auf einem Boot konnten sie die Geiseln leichter mitnehmen. Der Nachteil war aber, dass sie eine leichte Beute für die police maritime sein würden. Schließlich kam ihm der Hubschrauber in den Sinn. Er hatte sich allerdings keinerlei Gedanken über einen Landeplatz gemacht. Ein Hubschrauber kann ja beinahe überall aufsetzen. Läge die Bijouterie in einem Hochhaus, hätte der Hubschrauber auf dem Dach landen können. In zahlreichen Krimis hatte er eine solche Flucht gesehen.

Fernsehen ist eben nicht die Wirklichkeit. Eine Landung auf dem Dach des Hauses war nicht möglich, vor dem Haus, in der schmalen Straße, konnte selbst der erfahrendste Pilot keine Maschine landen. Der nahe gelegene Parkplatz erschien ihm daher als die beste Lösung. Er musste nur sicherstellen, dass sie unverletzt bis zum Hubschrauber gelangen konnten. Die einzige Möglichkeit, das zu erreichen, war, mitten unter den Geiseln zu sein. So hätten die Scharfschützen keinerlei Möglichkeit auf sie zu schießen.

„Jules sieh nach, ob du eine Plane oder mehrere Decken finden kannst. Vielleicht findet sich ja so etwas in den hinteren Räumen.“

„Wozu brauchst du eine Decke? Frierst du?“

„Quatsch! Frag nicht lange rum, und mach was ich dir gesagt habe. Wir brauchen das für die Flucht.“

„Kannst du damit fliegen?“, wollte Marc wissen und grinste belustigt.

„Hört auf mit dem Blödsinn. Wir brauchen etwas, um uns darunter zu verstecken. Ich habe keine Lust, von den Scharfschützen abgeknallt zu werden. Wir mischen uns unter die Geiseln und decken uns zu, dann können die Bullen uns nicht von den Geiseln unterscheiden.“

„Du bist nicht dumm, Denis“, sagte Jules und machte sich auf die Suche.

„Marc, pass du auf die Geiseln auf, dass nur keiner auf eine dumme Idee kommt. Ich räume noch die Vitrinen aus, wir wollen den Ort doch nicht ohne Beute verlassen.“

Marc nickte und sah zu den Geiseln auf dem Boden. Bis jetzt hatte Jules die fünf in Schach gehalten. Nun hielt er die Pistole in der Hand, und das bereitete ihm sichtbares Unbehagen. Er war kein Verbrecher, und die ganze Sache schien aus dem Ruder zu laufen. Er ärgerte sich, dass er mitgemacht hatte. Viel lieber wäre er jetzt auf dem Boot beim Fischen. Aber nun war es zu spät. Jetzt kam Jules zurück, mit einer grünen Plane in der Hand.

„Hinten lag nur dieses Monstrum, ich glaube es ist eine Autoplane.“

„Genau das Richtige für uns. Da passen wir alle drunter“, antwortete Denis und leerte weiter die restlichen Vitrinen. Er hatte inzwischen bereits eine zweite Plastiktüte mit Schmuck gefüllt. Aus den zahlreichen Schubladen hatte er alle Goldkettchen und Ohrringe geholt. Bei den Uhren war er wählerisch gewesen. Nur die wirklich teuren Uhren hatte er in die Tüte gesteckt. Dann hatte er die vollen Tüten neben die Eingangstür gestellt und sich jetzt seinen Kollegen zugewandt.

„Jeder von euch schnappt sich nachher eine Tüte, ich achte darauf, dass keine Geisel auf die Idee kommt abzuhauen, wenn wir nachher zum Hubschrauber gehen.“

„Wohin wollen wir denn eigentlich?“, fragte Marc.

„Das sage ich euch, sobald wir unterwegs sind“, antwortete Denis und sah auf seine Uhr. Langsam wurde es Zeit, dass der Hubschrauber auftauchte. Er war angespannt. Geduld war noch nie seine Stärke gewesen, und das Warten in dem Laden hatte sie überstrapaziert. Er hasste es, wenn er nicht die Kontrolle über seine Zeit hatte. Selbst im Gefängnis war es einfach gewesen über seine Zeit zu bestimmen. Der Tagesablauf war zwar weitgehend verplant im Knast, aber trotzdem konnte er bestimmen, wie schnell er etwas erledigte, oder wie eilig er sich beim Hofgang bewegte. Hier in diesem Raum war er zum Warten verurteilt. Keine Minute länger würde er akzeptieren.

Die schwarzen Männer

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