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2.3 Die Lebensmittelwirtschaft als Teil des Agribusiness

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Das folgende Kapitel stellt den Begriff Agribusiness als vollständige Wertschöpfungskette insgesamt dar. In Kapitel 4 erfolgt eine ausführliche Betrachtung jenes Teils, der sich mit der Lebensmittelwirtschaft, d. h. mit den Sektoren vier bis sieben und ihren zugehörigen Märkten, beschäftigt. In allen ist eine Managementleistung gefordert. Zusätzlich werden die Hochschulen betrachtet, die die Sektoren mit gut ausgebildeten Fachleuten zu versorgen haben.

Die gesamte Wertschöpfungskette mit ihren vor- und nachgelagerten Aktivitäten vom Acker bis zum Verbraucher („from farm to fork“) wird in der Literatur als Agribusiness oder Food Value Chain bezeichnet. Agribusiness vereinigt den weiten Bereich der Landwirtschaft mit dem der gesamten Lebensmittelwirtschaft und lässt sich in die folgenden sieben Wirtschaftssektoren gliedern (Strecker et al. 1996, Gabler Wirtschaftslexikon 2012):

 I – Sektoren in dem der Landwirtschaft vorgelagerten Bereich: Saatzucht, Dünge- und Pflanzenschutzmittel, Landtechnik, Tierzucht, Futtermittel und Mischfutter, Tiergesundheit, Hofinnenwirtschaft und Stalltechnik

 II – Sektoren im landwirtschaftlichen Bereich selbst (Produktionsbereiche): Ackerbau, Garten- und Zierpflanzenbau, Weinbau, Viehhaltung, Fischerei und Aquakultur

 III – Sektoren in dem der Landwirtschaft nachgelagerten Bereich der Erfassungs- und Großhandelsstufe: Getreidehandel, Viehhandel, Obst- und Gemüsegroßhandel, Importeure, Exporteure sowie private und genossenschaftliche Landhandelsorganisationen, die sowohl den landwirtschaftlichen Bezug als auch Absatz betreiben

 IV – Sektoren der ersten Verarbeitungsstufe (Verarbeitung des landwirtschaftlichen Rohproduktes): Getreide- und Mahlmühlen, Schälmühlen, Ölmühlen, Schlachthöfe und Zerlegebetriebe, Molkereien, Betriebe der Stärkeverarbeitung, Kellereien, Unternehmen der Obst- und Gemüseverarbeitung sowie der Herstellung von Eiprodukten, Fischverarbeitungsbetriebe, Zuckerfabriken, Mälzereien, Gewürzwerke

 V – Sektoren der zweiten Verarbeitungsstufe (Veredelung von Rohprodukten): Brot und Backwaren, Nährmittel und Teigwaren, Fleischwaren, Süßwaren, Essigprodukte, alkoholfreie Getränke, alkoholische Getränke, sonstige Verarbeitungsprodukte und Fertiggerichte in unterschiedlichen Produktions- und Erscheinungsformen

 VI – Sektoren in der Stufe des Lebensmittelhandels: Lebensmitteleinzelhandel, stationärer Lebensmittelgroßhandel (Cash & Carry), Lebensmittel-Zustellgroßhandel, Exporteure, Importeure

 VII – Sektoren in der Stufe der Lebensmittelzubereitung als Großverbraucher: Gastronomie, Systemgastronomie und Hotellerie, Gemeinschaftsverpflegung (Betriebe, Krankenhäuser, Schulen etc.), Dienstleistungsunternehmen (Catering)

Zum Agribusiness gehört eine breite Palette an Dienstleistungen. Sie reicht von Beratungs-, Finanzierungs-, Transport- und Laborleistungen, Versicherungen, Gutachtertätigkeiten bis hin zu Verbandstätigkeiten und staatlichen Aktivitäten. Diese angebotenen Dienste ermöglichen es den Hauptakteuren innerhalb aller Sektoren, sich auf das Wesentliche ihres jeweiligen Arbeitsgebietes zu konzentrieren.

Die Lebensmittelproduktion weist im Vergleich mit den anderen Großindustrien Deutschlands einige Besonderheiten auf. Mit einer Vielzahl von selbstständigen Weinbauern, Metzger- und Bäckermeistern ist sie einerseits stark handwerklich geprägt und weist auf der anderen Seite hoch industrialisierte Betriebe der Getränke-, Fleisch- und Getreideverarbeitung auf. Abbildung 2.4 stellt die wesentlichen Charakteristika der beiden Pole gegenüber.


Abb. 2.4 Die beiden Pole der Lebensmittelherstellung

Die Großproduktion von Lebensmitteln ist im Wesentlichen durch economies of scale geprägt, im Zuge derer die Erhöhung der Produktionszahlen zu sinkenden Stückkosten führt und die Lebensmittel auf das in Deutschland bereitwillig in Kauf genommene niedrige Preisniveau sinken. Die Veredelung von Lebensmitteln und das „Design“ völlig neuer Produkte durch kreative Anwendung von Wissenschaft und Technik ist die Basis für die immense Zahl ständig neuer Lebensmittel. Trotz etwa 30 000 derartiger Innovationen jährlich bleibt die Gesamtzahl der Lebensmittel in Deutschland mit rund 150 000 (Stand 2012) aber weitgehend konstant. Die meisten Neuentwicklungen können am Lebensmittelmarkt nicht Fuß fassen, schon nach wenigen Monaten gibt es sie nicht mehr. Die Großbetriebe der Lebensmittelproduktion sind durch einen hohen Technikeinsatz geprägt. Aus ökonomischen Gründen kommt Spitzentechnologie (Hightech) zum Einsatz, die den höchsten Wirkungsgrad, die gleichmäßigste Verweilzeit, die schonendste Erhitzung und Vieles mehr gewährleistet, aber neben beträchtlichen Investitionssummen hoch qualifiziertes Bedien- und Servicepersonal erfordert. Der handwerklich ausgerichtete Betrieb kann sich derartige Techniken selten leisten oder wirtschaftlich nutzen, er benötigt maßgeschneiderte Maschinen auf adäquatem Niveau. Als Konsequenz muss er zum Teil deutlich höhere Stückkosten am Markt unterbringen, Öko- oder Bioware ist allein aus diesem Grund heraus teurer als ein Massenprodukt. Mischbetriebe, die sich zwischen beiden Polen bewegen, haben es am Markt zunehmend schwerer. Dies trifft auch auf Betriebe mittlerer Größe zu, deren Kostenstruktur z. B. bei Vertrieb und Marketing vergleichsweise hoch ist, wobei sie die Mengenvorteile nicht ausschöpfen können.

Unabhängig von der Dimension der Lebensmittelherstellung hat sich der Produktionsprozess mit den stofflichen Vorgängen physikalischer, chemischer und biologischer Art während der Verarbeitung zu befassen. Ziel ist die optimale Nutzung der eingesetzten Rohstoffe und deren Verarbeitung zu Lebensmitteln mit einem hohen Genuss- und Nährwert. Dabei gilt es, unter Einhaltung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards mit den vorhandenen ökologischen und ökonomischen Ressourcen schonend umzugehen. In der deutschen Lebensmittelwirtschaft herrscht noch ein ausgeprägter Wettbewerb. Eine Situation wie sie die oligopolartig strukturierte Mineralölindustrie aufweist, ist aufgrund der heterogenen Struktur und der vielfältigen Beschaffungsbasis derzeit nicht zu erwarten. Aufgrund des Wettbewerbs liegen die Nahrungsmittelpreise vergleichsweise niedrig und ermöglichen es dem Verbraucher, sich mit lediglich zehn bis elf Prozent seines verfügbaren Einkommens zu ernähren (Stand 2011). Menschen in Frankreich, Italien oder Spanien müssen prozentual deutlich mehr ausgeben, der Wert für die USA liegt mit 6–7 Prozent dafür messbar niedriger (FoodDrinkEurope 2012).

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