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3.3.2 Alkohol als gesellschaftlich weitgehend toleriertes Suchtmittel

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Ethanol wird in Wein, Bier oder Spirituosen von der Hefe als Gärungsprodukt aus Zucker gebildet. Die Affinität zu alkoholischen Getränken ist kein menschlich-neuzeitliches Phänomen. Viele Tiere lassen für Alkohol alles stehen und liegen. Den finden sie in angegorenen Früchten oder Beeren, die in ihrem Magen oft munter weiter gären. Die Suchtkarriere flugunfähiger Vögel, randalierender Elche oder streitsüchtiger Paviane in den Weinbergen Südafrikas mag aus Versehen begonnen haben. Aber irgendwann kommt Vorsatz hinzu und die Tiere lernen teilweise schnell. Stare, Amseln oder Wacholderdrosseln bedienen sich hemmungslos und ohne einen Schaden zu erleiden an spätherbstlichen Weißdorn- und Rosenfrüchten, die einen ähnlichen Alkoholgehalt haben wie ein Pils. Hätte ein Star das Gewicht eines Menschen, könnte sein Enzymsystem alle acht Minuten eine Flasche Wein verarbeiten und würde ihn so vor Trunkenheit bewahren (Zittlau 2012). Sogar in unserer engeren Primatenverwandtschaft gibt es einen Vertreter, der seine Energie seit über 30 Millionen Jahren hauptsächlich von einem alkoholischen Getränk bezieht. Das nur 50 Gramm schwere Malaysische Federschwanz-Spitzhörnchen ernährt sich täglich von Palmnektar, der unter tropischen Bedingungen rasch in Gärung gerät. Auch sein Enzymsystem ist perfekt auf Alkoholabbau spezialisiert, die Evolution hat ihm eine bemerkenswerte Alkoholresistenz beschert (Wiens 2008, Findeklee 2008).

Es ist davon auszugehen, dass im Laufe von 2,4 Millionen Jahren menschlicher Entwicklung auch unsere Vorfahren mit Alkohol in Berührung gekommen sind und Gefallen an vergorenen Früchten gefunden haben. Mit seinem Satz: „Die Dosis macht das Gift.“ hat der Arzt Paracelsus von Hohenheim am Ausgang des Mittelalters und als Wegbereiter neuzeitlicher Medizin ein Drama des menschlichen Geistes treffend beschrieben: Was uns angenehm ist, von dem will unser Belohnungssystem immer mehr (Gassen 2008). Jeder muss seine Dosis kennen und wissen, ab wann diese kritisch werden kann. Der Wendepunkt beim Genuss von alkoholischen Getränken ist bei jedem Menschen anders gelagert, die Verteilungskurve des gesundheitlich Unbedenklichen ist sehr breit. Den Punkt zu überschreiten, birgt ein großes Risiko. Alkohol macht nicht zwingend süchtig, sondern ist „nur“ ein fakultatives Suchtmittel und gilt daher im streng wissenschaftlichen Sinne nicht als Droge. Drogen führen obligatorisch, also fast unweigerlich, zur Sucht. Im Falle von Alkohol ist die Wahrscheinlichkeit, davon süchtig zu werden, in Abhängigkeit von der Disposition geringer, der Prozess zieht sich über einen längeren Zeitraum und verläuft in mehreren eskalierenden Stufen. Unter Stress wirkt Alkohol als negativer Verstärker, er erleichtert eine unangenehme Situation. In normalen Situationen wird die Stimmung positiv verstärkt.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht unter normalen Bedingungen und auf Dauer 20 Gramm Ethanol pro Tag für Frauen und 30 Gramm für Männer als ungefährlich an, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) toleriert Werte von 12 bzw. 24 Gramm (BZgA 2013).

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