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Die Herausforderung der Elternrolle

Eltern erfüllen eine der anstrengendsten, schwierigsten und stressigsten Aufgaben auf der Welt. Gleichzeitig ist es auch eine der wichtigsten, denn wie sie sie erfüllen, wirkt sich entscheidend auf Herz, Seele und Bewusstsein der nächsten Generation aus – darauf, worin diese jungen Menschen den Sinn ihres Lebens sehen und wie sie sich mit der Welt insgesamt verbunden fühlen; auf ihr Repertoire an lebenswichtigen Fähigkeiten, auf ihre tiefsten Gefühle für sich selbst sowie auf ihre Chancen, in einer sich schnell verändernden Welt zu überleben. Doch in einer Welt, die der Produktion von materiellen Dingen einen weitaus höheren Wert beimisst als der Art, wie Kinder aufwachsen, übernehmen angehende Eltern ihre wichtige Aufgabe fast immer ohne jede Vorbereitung oder mit nur sehr geringer Unterstützung.

Gute Handbücher für Eltern können uns manchmal helfen, einige Situationen auf eine neue Weise zu sehen, und uns vielleicht beruhigen, wenn wir uns unnötige Sorgen machen. Vor allem in den frühen Jahren der Elternschaft können sie Hinweise zur Lösung bestimmter Probleme liefern und deutlich machen, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, die Dinge zu sehen. Sie bringen uns auch zu Bewusstsein, dass wir mit unseren Schwierigkeiten nicht allein sind. Sie können uns außerdem einen Überblick über die Haupt-Etappen der Kindesentwicklung auf verschiedenen Altersstufen geben und uns damit vor überzogenen Erwartungen schützen.

Womit sich solche Ratgeber für Eltern jedoch meistens nicht beschäftigen, sind die inneren Erfahrungen, die Eltern bei der Erfüllung ihrer Aufgabe machen. Wie gehen wir beispielsweise mit den Gedanken und Gefühlen um, die in uns auftauchen, wenn wir Kinder haben? Wie können wir es schaffen, uns nicht von unseren Zweifeln, unserer Unsicherheit und von den Problemen, mit denen wir konfrontiert werden, überwältigen zu lassen – von den Situationen, in denen wir uns in einem inneren Konflikt befinden, und von den Situationen, in denen wir Konflikte mit anderen Menschen haben, unter anderem auch mit unseren Kindern? Solche Bücher zeigen uns gewöhnlich nicht, wie wir unseren Kindern gegenüber mehr Sensibilität entwickeln und wie wir besser auf ihr inneres Erleben eingehen können.

Wenn wir mit Kindern wirklich neue Wege gehen wollen, erfordert dies, dass wir auch innerlich an uns arbeiten. Die konkreten Ratschläge, die uns jeder Elternratgeber für die Bewältigung der äußeren Probleme des Familienlebens liefert, müssen wir durch eine eigene, innere Autorität ergänzen, die wir nur durch unsere Erfahrung entwickeln können. Diese innere Autorität kann nur dann in uns entstehen, wenn uns klar wird, dass wir unser Leben trotz aller äußeren Einflüsse in erheblichem Maße selbst gestalten können – und zwar durch die Art und Weise, wie wir auf diese äußeren Einflüsse antworten. Im Laufe dieses Prozesses werden wir eine völlig individuelle, aus eigenen Entscheidungen gewachsene Lebensweise entwickeln und dabei von unseren tiefsten, besten und kreativsten Ressourcen profitieren. Ist uns das erst einmal klar geworden, erkennen wir vielleicht auch, wie wichtig es für unsere Kinder und für uns selbst ist, dass wir die Verantwortung für unsere Art zu leben und für die Konsequenzen unserer Entscheidungen übernehmen.

Wenn wir bereit sind, diese innere Arbeit zu tun, können sich innere Autorität und Authentizität in uns entwickeln. Unsere Authentizität und unsere Weisheit wachsen, wenn wir unserem Erleben und unserer alltäglichen Erfahrung bewusst Gewahrsein entgegenbringen. Wir lernen dann allmählich, unsere Kinder und ihre Bedürfnisse immer besser zu sehen und geeignete Möglichkeiten zur Förderung und Unterstützung ihres Wachstums und ihrer Entwicklung zu erkennen. Wir können auch lernen, ihre vielen verschiedenen, manchmal verwirrenden Signale zu interpretieren, und unserer Fähigkeit zu vertrauen, angemessen zu reagieren. Das Wichtigste dabei: Aufmerksamkeit, Nachdenklichkeit und Rücksichtnahme.

Wie wir als Eltern unsere Aufgabe erfüllen, ist letztlich immer eine ganz persönliche Angelegenheit, und unsere Fähigkeit dazu erwächst tief aus unserem Inneren. Wie jemand anders an die Sache herangeht, hilft uns vielleicht überhaupt nicht weiter. Wir müssen unsere eigene Art entwickeln, indem wir in diesem Prozess nützliche Hilfen anzunehmen und unseren Instinkten zu vertrauen lernen, wobei wir diese gleichzeitig weiter prüfen und hinterfragen.

Denn selbst das, was uns gestern gute Dienste geleistet hat, ist heute nicht unbedingt mehr die beste Möglichkeit. Um zu spüren, was jeweils zu tun ist, ist es unerlässlich, dass wir fest im gegenwärtigen Moment verwurzelt sind. Und wenn unsere eigenen inneren Ressourcen erschöpft sind, ist es hilfreich, wenn wir wirksame und gesunde Möglichkeiten kennen, sie wieder aufzufüllen und uns zu regenerieren.

Zu Eltern werden Menschen zufällig oder absichtlich, doch wie auch immer es dazu kommen mag, Elternschaft ist eine Berufung. So ruft uns unser Leben als Eltern dazu auf, die Welt jeden Tag neu zu schaffen, ihr in jedem Augenblick mit frischem, unvorbelastetem Blick entgegenzutreten. Diese Berufung ist tatsächlich eine strenge spirituelle Disziplin – eine Aufgabe, die es uns ermöglicht, unsere tiefste menschliche Natur zu erkennen. Schon die bloße Tatsache, dass wir Eltern sind, ist eine ständige Aufforderung an uns, unsere wohlwollendsten, klügsten und fürsorglichsten Qualitäten zu entwickeln und zum Ausdruck zu bringen – das Beste in uns zutage zu fördern, so gut wir eben können.

Wie jede spirituelle Disziplin ist der Weg der Achtsamkeit in der Familie voller enormer Versprechungen und Möglichkeiten. Gleichzeitig ist er eine Aufforderung, diese innere Arbeit zu tun, unserer Aufgabe als Eltern gerecht zu werden, so dass wir uns ganz auf diese Heldenreise einlassen – die lebenslange Suche, die ein gelebtes menschliches Leben letztlich ausmacht.

Menschen, die Eltern werden, übernehmen den härtesten aller Jobs – ohne jede Bezahlung, oft unerwartet und in relativ jungem Alter, unerfahren und häufig unter größten ökonomischen Schwierigkeiten. Gewöhnlich gehen Eltern ohne klare Strategie auf ihre Reise und ohne umfassenden Überblick über das, was auf sie zukommt. Sie treten diese Reise meist auf die gleiche intuitive und optimistische Weise an, auf die wir Menschen uns auch vielen anderen Aspekten unseres Lebens nähern. Wir lernen, unsere Aufgabe zu erfüllen, während und indem wir es versuchen. Und tatsächlich gibt es auch gar keine andere Möglichkeit, es zu lernen.

Zu Anfang ist uns gewöhnlich nicht einmal klar, dass unser Leben als Eltern völlig neue, ungewohnte Anforderungen an uns stellt, dass dieses neue Leben ungeheure Veränderungen für uns mit sich bringen wird, dass wir vieles Vertraute aufgeben und statt dessen zahllose Dinge tun müssen, mit denen wir uns bisher noch nie beschäftigt haben. Vielleicht ist es sogar gut, dass das so ist, denn letztendlich ist jedes Kind einzigartig und jede Situation anders. Um mit den unbekannten Anforderungen fertig zu werden, die das Kinderhaben und die Kindererziehung mit sich bringen, können wir uns letztlich nur auf unser Herz verlassen, auf unsere tiefsten menschlichen Instinkte sowie auf die Dinge, die wir noch aus unserer eigenen Kindheit in uns tragen – die positiven ebenso wie die negativen.

Mit den Erwartungen seitens unserer Ursprungsfamilie, der Gesellschaft und der Kultur konfrontiert, uns Normen anzupassen, die häufig unbewusst und nicht ausdrücklich definiert sind, und angesichts der Belastungen, die das Elterndasein mit sich bringt, stellen wir oft fest, dass wir als Eltern – genauso wie im übrigen Leben – mehr oder weniger automatisch funktionieren; dass wir von den Launen unseres Denkens geplagt werden, das normalerweise überaus impulsiv und pausenlos in unbewusste Abläufe verstrickt ist – trotz bester Absichten und trotz tiefer Liebe zu unseren Kindern.

Wenn wir chronisch überlastet sind und dauernd unter Zeitmangel leiden, sind wir wahrscheinlich weit entfernt von der Fülle des gegenwärtigen Augenblicks – der „Blüte des Augenblicks“, wie Thoreau es genannt hat. Meist erscheint uns dieser Augenblick – eigentlich jeder Augenblick – als viel zu gewöhnlich, alltäglich und flüchtig, als dass wir ihm Aufmerksamkeit widmen würden. Wenn wir tatsächlich in solchen geistigen Gewohnheiten gefangen sind, kann dieser ganze ungeprüfte Automatismus sehr leicht zu einem ähnlichen Automatismus in unserer Elternrolle werden. Wir nehmen vielleicht an, dass alles okay ist, was wir tun, solange unsere tiefe Liebe da ist und unser Wunsch, dass es ihnen gut geht. Wir können diese Sichtweise rationalisieren, indem wir uns einreden, Kinder seien unverwüstliche Geschöpfe und die kleinen Dinge, die sie erleben, seien nichts weiter als Kleinigkeiten, die wahrscheinlich keinerlei Folgen für sie haben. Kinder halten eine Menge aus, sagen wir uns. Und ein Stück weit stimmt das auch.

Doch werde ich (jkz) immer wieder durch die Geschichten von Patienten der Stress Reduction Clinic, in der ich arbeite, und durch Teilnehmer der Achtsamkeits-Workshops und -Seminare, die ich in ganz Amerika leite, daran erinnert, dass die Kindheit für viele Menschen eine Zeit offenen oder subtilen Verrats war, weil ein Elternteil (oder beide) unberechenbar war und die Kinder oft völlig unerwartet mit schrecklicher Angst, Gewalt, Verachtung und Gemeinheit konfrontiert wurden. Vieles davon rührt aus der Traumatisierung und Vernachlässigung her, die diese Eltern selbst erlitten haben, und den Süchten und der tiefen Unzufriedenheit, die daraus folgen. In der tragischsten Form wird solch schrecklicher Verrat am Kind manchmal von elterlichen Liebesbeteuerungen begleitet, was die Situation für die betroffenen Kinder noch verrückter und undurchschaubarer macht. Andere Menschen leiden immer noch darunter, dass sie als Kinder vernachlässigt, nicht wahrgenommen und nicht geschätzt worden sind. Dazu kommt, dass durch den ständig zunehmenden Stress in praktisch allen Bereichen der Gesellschaft und durch das immer stärker werdende Gefühl der Dringlichkeit und der eigenen Unzulänglichkeit auch die Situation in den Familien immer schwieriger geworden ist und das Maß des Erträglichen oft längst überschritten hat – wobei der Druck häufig von Generation zu Generation unerträglicher geworden ist, statt abzunehmen.

Eine Frau, die an einem fünftägigen Achtsamkeits-Seminar teilnahm, sagte:

Ich habe diese Woche während der Meditation bemerkt, dass ich mich so fühle, als würden Teile von mir fehlen, dass ich gewisse Teile von mir gar nicht finden kann, wenn ich still werde und unter die Oberfläche meines Geistes schaue. Ich bin mir nicht sicher, was das bedeutet, aber dieses Gefühl hat mich ein wenig geängstigt. Vielleicht werde ich, wenn ich regelmäßig meditiere, herausfinden, was mich davon abhält, ganz zu sein. Doch im Augenblick spüre ich Löcher in meinem Körper oder in meiner Seele, die bewirken, dass ich überall, wohin ich auch gehe, Schutzwälle um mich herum errichte. Ich fühle mich wie ein Schweizer Käse. Das ist schon seit meiner Kindheit so. Ich habe einige Verluste erlitten, als ich noch sehr klein war. Ich glaube, damals habe ich Teile von mir verloren, weil Menschen, die mir wichtig waren, gestorben sind und weil andere Menschen Teile von mir weggenommen haben. Meine Schwester ist gestorben, als ich noch sehr jung war. Und meine Eltern sind daraufhin in eine Art Depression verfallen, die bis zu ihrem eigenen Tod dauerte. Ich glaube, sie haben Teile von mir genommen und sich davon ernährt. Ich empfinde das so. Ich war früher ein sehr lebendiges Kind, das wusste, was es wollte, und ich habe das Gefühl, dass bestimmte Teile von mir einfach weggenommen worden sind. Es scheint mir nicht möglich zu sein, diese Teile wieder zurück zu bekommen. Warum ist mir das nicht möglich? Was ist mit mir geschehen? Ich habe Teile von mir verloren. Während ich heute hier sitze und meditiere, wird mir klar, dass ich noch immer nach diesen Teilen suche und dass ich nicht weiß, wo sie sind. Ich sehe keine Möglichkeit, ganz zu werden, wenn es mir nicht gelingt, die Teile wiederzufinden, die ich damals verloren habe. Meine ganze Familie ist mittlerweile tot. Sie haben all die Teile, die mir fehlen, mitgenommen und sind dann gegangen, und ich sitze jetzt hier mit diesem Schweizer Käse.“

Ein schreckliches Bild, die Eltern hätten dieser Frau bestimmte Bereiche entfernt, um sich davon zu ernähren. Doch so etwas geschieht tatsächlich, und wenn es im Leben eines Kindes früh geschehen ist, leidet es sein ganzes Leben lang darunter.

Zu allem Überfluss fügen Eltern ihren Kindern oft im Namen ihrer Liebe tiefe Verletzungen zu, indem sie sie beispielsweise schlagen, um ihnen eine Lektion zu erteilen, und dabei auch noch Dinge sagen wie:

„Das ist nur zu deinem Besten“, „Das tut mir mehr weh als dir“ oder „Ich tue das nur aus Liebe“ – dieselben Sätze, die sie selbst zu hören bekamen, als sie von ihren Eltern geschlagen wurden, wie die Schweizer Psychologin Alice Miller in Am Anfang war Erziehung gezeigt hat. Im Namen der „Liebe“ werden Kinder hemmungsloser Wut, Verachtung, Intoleranz und Gewalt ausgesetzt. Von Eltern, die sich nicht darüber im Klaren sind oder denen es gleichgültig ist, welche Auswirkungen ihr Verhalten auf ihre Kinder hat, obwohl sie weder Freunde noch Fremde jemals so behandeln würden. Und solche Dinge geschehen in allen gesellschaftlichen Schichten.

Wir sind der Ansicht, dass automatisches, unbewusstes Verhalten, das sich am Maßstab des geringsten Aufwandes orientiert – ob es sich nun in Form physischer Gewalt manifestiert oder nicht –, bei den betroffenen Kindern tiefe, dauerhafte Schäden und gravierende Entwicklungsstörungen verursachen kann. Gleichzeitig nehmen wir uns als Eltern, wenn wir uns so verhalten, die Möglichkeit, an unserer Aufgabe zu wachsen. Die Folgen derart unbewussten Verhaltens sind häufig eine generelle Traurigkeit, das Gefühl, wichtige Chancen vertan zu haben, Verletztheit, Groll, Vorwürfe, eine Verengung des Selbst- und des Weltbildes – und letztlich Isolation und Entfremdungsgefühle.

Wenn wir jedoch wach bleiben gegenüber den Herausforderungen, mit denen wir als Eltern konfrontiert werden, so kann das alles nicht geschehen. Im Gegenteil, wir können dann alle Situationen im Zusammenleben mit unseren Kindern nutzen, um die Barrieren in unserem Geist und unserem Herzen abzubauen, um tiefer in unser eigenes Inneres zu schauen und um im Kontakt mit unseren Kindern stärker präsent zu sein.


Wir leben in einer Kultur, die die Arbeit von Eltern nicht konsequent würdigt und anerkennt. Es gilt als völlig normal, dass wir hundert Prozent unserer Energie für Karriere oder „Beziehungen“ oder „Selbstfindung“ aufwenden, nicht aber für unsere Kinder. Dahinter steckt die Ansicht, dass man ein Kind nur „verwöhnt“, wenn man ihm verlässlich und offen Aufmerksamkeit schenkt.

Die Gesellschaft als Ganzes und ihre Institutionen und Wertvorstellungen, die den Mikrokosmos unseres individuellen Geistes und seiner Werte sowohl erzeugen als auch spiegeln, tragen erheblich zur Unterminierung der Aufgabe der Eltern bei. Welche Arbeit wird in unserem Land am höchsten bezahlt? Ganz bestimmt nicht die der Tagesmütter, Erzieherinnen oder Lehrer, deren Arbeit eine so wichtige Unterstützung für die Bemühungen der Eltern ist. Wo sind die geeigneten Leitbilder, die unterstützenden Netzwerke, der bezahlte Erziehungsurlaub für junge Eltern, die Möglichkeiten zu Jobsharing und Teilzeitbeschäftigung für Mütter und Väter, die länger als nur ein paar Wochen nach der Geburt bei ihren Kindern zu Hause bleiben wollen? Wo bleibt die Förderung von Schulungsprogrammen für Eltern? Durch ihre bloße Existenz würden solche Programme deutlich machen, dass tüchtige Eltern für die gesamte Gesellschaft von größter Bedeutung sind und von dieser auch hoch geschätzt werden. Aber sie sind erschreckend selten.

Natürlich gibt es auch Signale, die hoffnungsvoll stimmen. Viele Eltern sehen ihre Aufgabe als heilige Herzensaufgabe an und entwickeln, oft trotz großer Hindernisse und Schwierigkeiten, kreative und einfühlsame Wege, ihre Kinder anzuleiten und zu fördern. Überall im Land ergreifen Menschen die Initiative und organisieren Vorbereitungskurse für Eltern, Kurse zu grundlegenden Kommunikationsfähigkeiten, zur Gewalt-Prävention und Stress-Reduzierung sowie Beratungsdienste für Eltern und Familien.

Es gibt auch zahlreiche Gruppen, die sich für den Aufbau und die Weiterentwicklung des Gemeinschaftslebens engagieren und sich politisch für die Interessen von Kindern einsetzen. Zahlreiche Bücher beleuchten die Rolle von Achtsamkeit, Gewahrsein und Einfühlung im Elterndasein. William und Martha Sears’ Baby Book liefert einen Bezugsrahmen, wie die Bedürfnisse von Babys und Kleinkindern gewürdigt werden können. Dan Hughes’ Buch „Attachment-Focused Parenting: Effective Strategies to care for children“ und das Buch „Parenting from the Inside out“ von Dan Siegel und Mary Hartzell verbinden neurowissenschaftliche Forschung zur Interpersonalität mit der Forschung zu Bindungsverhalten und zur Achtsamkeit. Nancy Bardackes Buch „Mindful Birthing: Training the Mind, Body and Heart for Childbirth and Beyond“ ist eine Pionierarbeit zum Thema Achtsamkeit, Gewahrsein und Elternschaft. Und ständig erscheinen neue Bücher zu diesen Themen

Doch sind die Probleme andererseits gewaltig, ja geradezu überwältigend. Wir leben in einer Zeit, in der es für Familien immer schwerer wird, Kinder auf gesunde Weise aufwachsen zu lassen. In vielen Haushalten ist heutzutage kein Erwachsener zu Hause, wenn die Kinder von der Schule nach Hause kommen, weil sowohl beide Eltern als auch die Nachbarn arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Kinder bleiben sich deshalb in ihrer Freizeit häufig selbst überlassen. Manchmal haben sie mehr Kontakt zur Welt von Fernsehen und Internet als zu liebevollen und fürsorglichen Erwachsenen. Dass Kinder tagtäglich die Liebe, Unterstützung und Energie und das Interesse lebendiger Erwachsener und älterer Menschen erleben, die sie achten, wird in unserer Gesellschaft immer seltener.

Doch wir haben trotz der ungeheuer starken gesellschaftlichen Kräfte, die auf unser eigenes Leben und das Leben unserer Kinder einwirken, immer auch die Freiheit, als Individuen bewusst darüber zu entscheiden, wie wir mit den Umständen unseres Lebens umgehen wollen. Wir alle haben – meist mehr, als wir ahnen – das Potenzial, einen eingeschlagenen Weg zu hinterfragen und zu prüfen, ob er das widerspiegelt, was wir ersehnen und was uns wirklich wichtig ist. Wir haben immer die Möglichkeit, unser Leben aufmerksamer und bewusster zu leben, vor allem, wenn es unsere Kinder betrifft.

Die Schritte auf diesem eigenen Weg werden wesentlich leichter und sicherer wenn wir einen umfassenden Bezugsrahmen haben, innerhalb dessen wir untersuchen und verstehen können, was wir tun und um was wir uns vielleicht noch kümmern müssen. Einen Bezugsrahmen, der uns hilft, nicht vom Weg abzukommen, auch wenn sich die äußere Situation ständig verändert und oft nicht klar ist, welchen Schritt wir als nächsten tun müssen. Achtsamkeit kann uns einen solchen Rahmen bieten.

Beispielsweise kann es schon wichtige Türen in unserem Geist öffnen, wenn wir es schlicht für möglich halten, dass wir bestimmte Situationen auch anders sehen können, als wir es im Augenblick tun, und dass uns in jedem Augenblick mehr Handlungsmöglichkeiten offen stehen, als uns klar ist.

Achtsamkeit in die verschiedenen Aspekte unseres Tagesablaufs hineinzutragen, könnte eine ganz praktische und zugleich von Grund auf positive Alternative zu jenem getriebenen, automatischen Dahinleben sein, in dem wir oft einfach nur funktionieren, ohne es überhaupt zu merken. Das ist besonders wichtig für uns als Eltern, die wir ja versuchen, den vielen Pflichten und Anforderungen gerecht zu werden, die wir Tag für Tag auf uns nehmen, während wir gleichzeitig für unsere Kinder und ihre inneren und äußeren Bedürfnisse sorgen – in einer Welt, die zunehmend komplizierter und stressreicher wird.

Mit Kindern wachsen

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