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Keine Fragmentierung

Wie Sie inzwischen dadurch, dass Sie den Aktivitäten Ihres eigenen Körpers und Geistes von Moment zu Moment etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt haben, vielleicht schon in gewissem Ausmaß erfahren haben, neigen wir innerlich wie äußerlich dazu, ein stark fragmentiertes Leben zu führen. Zu dieser Fragmentierung tragen wir dadurch bei, dass wir zeitweilig vergessen, wer wir unserem tiefsten Wesen nach tatsächlich sind, sowie auch durch den Impuls, nicht so zu sein, wie wir sind, sondern so, wie andere oder wir selbst uns am liebsten haben würden. Auf diese Weise spalten wir uns von uns selbst ab. Wir spalten uns auf, um Trugbildern nachzujagen, manchmal für Jahre oder gar Jahrzehnte, und in diesem Prozess verlieren wir den Kontakt zu unserer wahren Natur, zu unserer Souveränität, und verraten mitunter die Schönheit dessen, was wir tatsächlich sind, sowie unsere ungeteilte und unteilbare Ganzheit. Dies ist ein Symptom unserer endemischen Überlastung und unseres Un-Wohlseins als Individuen und als Gesellschaft. Vielleicht ist dieses Abspalten von uns selbst der grundlegende Konflikt. Vielleicht ist das sogar der Kern aller Konflikte.

Heilwerden ist ein Prozess, zu dem gehört, dass wir unsere Ganzheit anerkennen und uns standhaft dagegen wehren, uns fragmentieren zu lassen, selbst wenn wir vor etwas Angst haben oder vom Leben zerbrochen werden. Heilwerden heißt letztlich, dass wir mit den Dingen, so wie sie sind, Frieden schließen, statt ständig darum zu ringen, sie zu zwingen, so zu sein, wie sie einmal waren oder wie wir sie gern haben würden, damit wir uns sicher fühlen können, oder einfach, um unseren Willen zu bekommen. Wie mein Freund und Kollege Saki Santorelli gesagt hat, geht es bei Heilung darum, zu wissen, dass wir zerbrochen und doch ganz sein können.

Emily Dickinson formulierte diesen endemischen Impuls, Teile von uns selbst abzuspalten, uns angesichts unserer eigenen Ängste und Wunden zu fragmentieren, mit unglaublicher Prägnanz:

Mich zu verbannen aus mir selbst

– besäße ich die Kunstfertigkeit –

meine Festung wäre uneinnehmbar

für jedes Herz.

Doch da ich selbst es bin, der mich belagert –

wie könnt ich Frieden finden,

wenn nicht, indem ich das Bewusstsein

unterwürfe?

Und da wir beide für einander Herrscher sind,

wie könnt dies sein,

wenn nicht durch Abdankung –

des Ich – von mir?

Wie oft verbannen wir uns freiwillig, doch ohne uns dessen bewusst zu sein, aus uns selbst, wie oft geben wir unsere Ganzheit auf, wie oft unterwerfen wir unser Bewusstsein, unsere Empfindungsfähigkeit und unseren gesunden Menschenverstand, unsere Souveränität und die Möglichkeiten wahrer Heilung in der Hoffnung, Unverletzlichkeit zu finden, uns selbst vor weiteren Schmerzen zu bewahren und unser Leiden zu lindern?

Was ist der Preis, den wir für eine solche Abdankung zahlen? Und ist er die Sache wert?

Was wäre, wenn wir uns entschlössen, mutig zu sein und unser Bewusstsein nicht mehr zu unterwerfen? Oder es wenigstens für einen Moment nicht mehr zu tun?

Wer wären wir dann?

Wie würden wir uns im Inneren fühlen?

Wie würden wir uns nach Außen verhalten?

Das heilende Potenzial der Achtsamkeit

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