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Die zweite Revolution – Prozessarbeit

Die Qualität der Krankenhausversorgung in Deutschland gilt als sehr gut. Aktuelle Patientenbefragungen weisen im Grunde auf eine hohe Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Leistung ihrer Krankenhäuser hin. Die Qualität wird aber teuer erkauft, jedenfalls teurer, als es notwendig wäre.

Krankenhausorganisationen verhalten sich in weiten Teilen ineffizient. Es bedarf erheblicher Energie und großen Aufwandes, um dieses Qualitätsniveau aufrecht zu erhalten. Ineffizienzen werden mit hoher Arbeitsmotivation und außergewöhnlichem Einsatz sowie professioneller Flexibilität und maximaler Individualität kompensiert. Eine Krankenhausorganisation ist perfekt darin, mit jeder Variation ihrer Prozesse und allen Zufällig- oder Widrigkeiten umzugehen. Das Ergebnis ist eine hohe Qualität, die jedoch viel Energie verschlingt. Ab einem Zeitpunkt X steigt das allgemeine Risiko einer solcher Organisation, umso mehr sie unter Zeitdruck gerät und die Bewältigung von Knappheit in den Vordergrund rückt.

Ein Großteil der in einer Organisation anfallenden Tätigkeiten ist nur deshalb notwendig, weil die Mitarbeitenden keine andere Wahl haben, als ineffizient zu handeln. Eine klassische Krankenhausorganisation sieht, würde man sie visualisieren, wie ein unendlich verwirrendes Netz von Aufgaben- und Kommunikationsbeziehungen aus, das verwirrend chaotisch, zufällig und intransparent wirkt. Sieht eine Organisation bereits auf den ersten Blick chaotisch aus, dann ist sie es wahrscheinlich auch. Dieser Zustand wird realiter nur dadurch aufgefangen, dass Mitarbeitende gelernt haben und bis es zur Perfektion beherrschen, extrem flexibel und erfolgreich auf jede erdenkliche Situation zu reagieren. Systemisches Chaos verlangt nun einmal chaotische Verhaltensweisen. Eine solche Organisation funktioniert – wie wir täglich erleben - hervorragend. Schließlich produzieren wir herausragende Medizin. Doch kostet diese Form der Leistungserbringung sehr, sehr viel Energie – und ebenso viel Zeit. Diese Zeit werden wir in Zukunft voraussichtlich nicht mehr haben.

Das wahre Dilemma besteht heute im Grunde nicht darin, dass es zu wenig Personal oder zu wenig Geld gibt, sondern zu viel Arbeit.

Eine Krankenhausorganisation verschwendet sehr viel Zeit darauf, Dinge zu tun, die überflüssig sind und die keinen unmittelbaren Patientennutzen stiften. Ein großer Teil von Arbeitszeit wird darauf verwendet, die eigene Organisation aufrecht zu halten. Könnte man diese (überflüssigen) Tätigkeiten weglassen und durch bessere Prozesse ersetzen, würde keinem Patienten etwas fehlen. Wir hätten lediglich weniger Arbeit.

Lernt eine Organisation, ihre Prozesse nachhaltig zu verbessern und überflüssige Arbeit und nicht notwendige Ressourcennutzung zu vermeiden, steigt ihre Wirtschaftlichkeit und ihre Qualität – so lautet die These dieses Buches. Deshalb liegen die wahren Herausforderungen der Zukunft in der Neugestaltung von Prozessen und in der Eliminierung von Verschwendung.

Schauen wir uns das Geschehen einmal aus dem Blickwinkel eines Eigentümers oder einer Geschäftsführung an, denen die wirtschaftliche Stabilität schon Kraft ihrer Verantwortung und Funktion noch mehr am Herzen liegt, als dies bei allen anderen Mitarbeitenden der Fall ist. Um die Produktivität des Unternehmens zu steigern, existieren im Grunde nur zwei bzw. drei wirklich Erfolg versprechende Strategien:

 das Personal reduzieren,

 die Leistungen steigern oder

 beides.


Abb. Zwei Wege © Jörg Gottschalk

Welcher dieser Wege zum Ziel führt kann nur die genaue Situation vor Ort klären. Ob so oder so, die Wirkung auf die Organisation gleicht sich: Eine Organisation wird gezwungen, mehr Arbeit in kürzerer Zeit zu erledigen. Lediglich schneller zu „rennen“ reicht dann auf Dauer nicht mehr aus. Der Unterschied zwischen schneller rennen (Arbeit verdichten) und produktiver arbeiten (schlanker werden) besteht darin, dass im ersten Fall Arbeit lediglich schneller und in kürzerer Zeit erledigt wird. Nachhaltig die Produktivität zu erhöhen, also schlanker (lean) zu werden, bedeutet dagegen, mit weniger Arbeit mehr zu leisten. Im ersten Fall arbeitet man konsequent darauf hin, sein Risikolevel zu erhöhen, im zweiten Fall lernt man Risiken zu vermeiden.

Darauf liegt der Fokus von Lean Management. Ein schlankes Krankenhaus lernt und erwirbt die kollektive Kompetenz, Arbeit aus seinem System zu eliminieren, seine Prozesse nachhaltig zu gestalten und sie kontinuierlich zu verbessern. So wird Verschwendung nicht lediglich billiger, sondern real reduziert bzw. eliminiert.

Man könnte auch sagen: Cost Cutting ist Diät, Lean Management ist Ernährungsumstellung. In der ersten Post-DRG-Phase haben Krankenhäuser in Deutschland ihre Strukturen bereinigt und dabei ihre innersten Prozesse weitgehend unberührt gelassen. Im Zuge dessen wurde Arbeit konsequent verdichtet. In der nächsten Phase wenden wir uns nun dem eigentlichen Unternehmenskern zu: der Neugestaltung von Behandlungsprozessen und deren stetiger Weiterentwicklung. Dabei geht um weit mehr als nur um schlichtes Handwerk. Es geht um eine grundlegende Kulturveränderung des Führens und des Zusammenarbeitens. Wir müssen nicht nur die Frage beantworten, was sich ändern soll, sondern vor allem, wie wir das bewerkstelligen wollen.

Das schlanke Krankenhaus

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