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RESÜMEE

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Engels schrieb die hier diskutierten Texte meistens in kurzer Zeit und verließ sich oft auf sein Gedächtnis, was Fehler im Detail nach sich zog, die dann in späterer Literatur fortgeschleppt worden sind. Er schrieb im Hinblick auf jeweils aktuelle Konstellationen mit dezidierten politischen Intentionen und mit der polemischen Verve gegen alte und neue Gegner, die auch für seine politische Publizistik charakteristisch ist. Wann die Erwähnung, Anreicherung mit oder Weglassung von Details mit gezielten Absichten verbunden oder zufällig war, lässt sich oft nicht feststellen. Das Ziel der Darstellung ist aber immer klar: Marx ist nicht nur der Begründer des „wissenschaftlichen Sozialismus“ (eine Formel von Engels), sondern auch der modernen deutschen wie internationalen Arbeiterbewegung. Seine politischen Entscheidungen, inklusive Gründungen und Auflösungen von Institutionen, entsprachen immer den Notwendigkeiten in einer bestimmten historischen Konstellation, was von Zeitgenossen oft verkannt wurde, sich aber durch den Gang der Geschichte bestätigt hat.


Pjotr Beloussow, Lenin mit Delegierten des III. Komsomol-Kongresses 1920, 1949.

Engels beanspruchte nicht nur das Deutungsmonopol über Marx, sondern auch über die Geschichte der sozialistischen Bewegung, wie sich auch in verschiedenen Gedenkartikeln und Nachrufen auf zeitweilige Weggefährten von Marx und Engels zeigt, die jeweils ein selektives Bild zeichnen, pointierte Einschätzungen liefern und frühere Differenzen zugunsten einer Vereinnahmungsstrategie weglassen.117 Die von Engels wiederholt beklagte Unkenntnis der jüngeren Generation über die frühe Arbeiterbewegung hatte im Zeitpunkt der Publikation seiner Texte den Vorteil, dass es kaum jemand gab, der seine Aussagen kontrollieren konnte, obwohl er vieles gar nicht als Zeitzeuge (der aber bekanntlich nicht für Authentizität bürgt) erlebt hatte, und über vieles auch nicht informiert sein konnte.118 Aber Engels hat auch alte Sozialisten aufgefordert, ihre Erinnerungen aufzuschreiben beziehungsweise die in ihrem Besitz befindlichen Materialien für die Nachwelt zu sichern.119 Das hatte dann auf (sehr) lange Sicht auch den Effekt, dass die Deutungshoheit von Engels gebrochen werden konnte.

Seine Verfügung, dass sein Briefwechsel mit Marx veröffentlicht werde, hat bewirkt, dass vieles bekannt wurde, was seinem „offiziellen“ Marx-Bild widersprach. Als nach jahrelangen persönlichen und politischen Querelen ab 1910 dieser, Bernstein und Bebel vermachte Briefwechsel erschlossen wurde, waren alle, die ihn erstmals lesen konnten, entsetzt über die vulgäre Sprache, die maßlosen Attacken auf „Parteifreunde“ (Liebknecht; Lassalle), die verstörenden Einblicke in die Schmutzkampagnen im Emigrantenmilieu, von denen sich Marx mitnichten ferngehalten hatte, so dass Überlegungen aufkamen, auf eine Publikation lieber zu verzichten. Schließlich entschied man sich für eine „gesäuberte“ Ausgabe (erschienen 1913).120 Entscheidend waren letztlich die Marx-Engels-Gesamtausgaben, namentlich die „neue MEGA“ (seit 1975), in die auch die Briefe an Marx und Engels aufgenommen wurden, die vor allem durch das von Engels in seiner Zeit in Manchester gepflegte „Parteiarchiv“121 erhalten sind. Solange diese Edition unter der Ägide der Parteiinstitute in Moskau und Ostberlin stand, wurden zwar in den Einleitungen die Urteile von Engels (und Marx) reproduziert, zumal wenn sie von Lenin approbiert worden waren, aber auch schon in den Sachapparaten der Bände vor 1990 war, wenn auch in unterschiedlicher Deutlichkeit, das subversive Potential der Quellen erkennbar.122

Friedrich Engels

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