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Augustus „erwacht zum Leben“

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Doch wie immer gibt es auch hier die sprichwörtliche Ausnahme von der Regel. In diesem Fall ist es die etwa um 20 v. Chr. verfasste Biographie eines Zeitgenossen des Augustus, Nikolaos von Damaskus. Nikolaos, ein äußerst gebildeter Grieche, war nicht nur ein sehr vielseitiger Autor, sondern auch ein enger Berater Herodes’ des Großen und Teilnehmer diverser diplomatischer Missionen, und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass er auf einer dieser Reisen Augustus kennenlernte. Der vollständige Titel seines Werkes ist bezeichnend: Vom Leben des Caesar Augustus und seiner agōgē; das griechische Wort agōgē bedeutet „Erziehung“, „Bildung“, „Anleitung“. Angesichts der Bedeutung und des Einflusses von Augustus könnte man erwarten, dass ein solches Werk ein Bestseller geworden wäre, aber das war nicht der Fall. Tatsächlich wird es von keinem antiken Autor zitiert und verdankt sein (partielles) Überleben nur einem byzantinischen Herrscher des 10. Jahrhunderts n. Chr. Er ließ es exzerpieren und dieses Exzerpt dann noch einmal exzerpieren – die verschiedenen (mitunter stark verkürzten) Passagen wurden 53 Themenkategorien zugeordnet, wie „Tugend und Laster“ und „Verschwörungen gegen Könige“. Das Leben des Caesar Augustus, wie wir es heute daraus rekonstruieren können, bricht mitten in den Ereignissen ein paar Monate nach Julius Caesars Tod ab. Trotzdem muss man Nikolaos’ Werk eine große Bedeutung beimessen, denn es beruhte zu einem großen Teil auf der Autobiographie, die Augustus, der ewige Innovator, nicht etwa im Greisenalter verfasste, sondern mit Mitte dreißig. Unter dem Titel De vita sua ist diese Schrift ein weiteres Werk aus der Antike, das nicht erhalten geblieben ist. Sueton benutzte es noch, hat aber in seinem Leben des Augustus nirgends direkt daraus zitiert.

Nikolaos’ Leben des Caesar Augustus ist also die bei Weitem vollständigste Darstellung der frühen Jahre des Augustus, aber wie vertrauenswürdig ist es? „Bloß keinen Superlativ auslassen!“, scheint eine von Nikolaos’ Maximen gewesen zu sein, ist seine Behandlung des jungen Augustus doch geradezu hymnisch. Man erkennt darin den Tenor von Augustus’ eigener Vita: Immer wieder wird die Gerechtigkeit seiner Handlungen betont, was wohl nach 13 Jahren Bürgerkrieg auch nötig war, und sei es nur, um der Öffentlichkeit ein gewisses Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten zu vermitteln, jetzt, wo er Alleinherrscher war. Aber gerade bei Augustus als Kind und Heranwachsendem ist es unmöglich zu sagen, wo Augustus’ Vita aufhört und Nikolaos’ Phantasie beginnt. Mag sein, dass Nikolaos beschloss, noch dicker aufzutragen. Das Ergebnis ist ein Junge, der so vorbildlich erscheint, dass seine Redlichkeit in keinem Moment angezweifelt werden kann.

Dennoch können wir Nikolaos’ Werk verwenden, denn einige Themen, wie der Einfluss von Augustus’ Mutter, der Respekt des jungen Mannes gegenüber seinen Lehrern und seine kränkliche Verfassung – all das klingt durchaus authentisch. Es gibt genügend Material für einen Mittelweg zwischen einer nichtssagenden Zusammenfassung der feststehenden Daten und einer übertriebenen Nacherzählung von Nikolaos bzw. Augustus. Ein historisch akkurates Psychogramm wird sich daraus nicht ergeben, aber das ist nicht unbedingt ein Nachteil; der Hintergrund des späteren Kaisers wird mit Sicherheit einen Teil zu dessen Mentalität und dadurch zu bestimmten Haltungen und Handlungen beigetragen haben.

Augustus kam am 23. September zur Welt – einige Wissenschaftler sind seit Kurzem der Meinung, es sei der 22. September gewesen (siehe Kasten 1.1 mit Abb. 1.) –, und zwar nicht als Augustus, diesen Namen verlieh ihm der Senat erst im Jahre 27 v. Chr., sondern als Octavius. Dies folgte römischem Brauch: Die Familie, in die er hineingeboren wurde, waren die Octavii, und wie es oft der Fall war, gab man dem erstgeborenen (und wie sich in diesem Fall herausstellte, einzigen) Sohn den Vornamen des Vaters, Gaius (abgekürzt C). Die Familie stammte nicht aus Rom, sondern aus Velitrae (heute: Velletri), einer kleinen Stadt in Latium, etwa 25 Meilen südöstlich der Hauptstadt. Es kann gut sein, dass Octavius tatsächlich dort geboren wurde, auch wenn andere Quellen seine Geburt nach Rom verlegen, unweit vom Palatin, wo er später als Kaiser leben sollte; dies mag vom Versuch zeugen, ihn von der Wiege an mit Rom in Verbindung zu bringen. Wie dem auch sei, Rom gewann diesen „Kampf“ um den Geburtsort: In der Hauptstadt zeigte man Besuchern sein Geburtshaus, und man machte eine Art Heiligtum daraus, während alles, was die Touristen in Velitrae zu sehen bekamen, ein winziger Raum in der Familienvilla war. Dennoch kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass sich zumindest ein Teil der Jugendzeit des Octavius hier, in der Kleinstadt Velitrae, abspielte.

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