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Familienbande

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An dieser Stelle sollten wir kurz innehalten und uns das Netzwerk ansehen, in das der junge Octavius eingebunden war. Zwar war er ignobilis loco („nichtadlig per Herkunft“), wie sein späterer Rivale Marcus Antonius spöttisch anmerkte, aber das bedeutete nicht, dass er keine Verbindungen besaß. Octavius’ Ehe mit Atia verband nicht nur die beiden führenden Familien von Velitrae und der Nachbarstadt Aricia, sondern etablierte eine Verbindung mit zwei der mächtigsten Persönlichkeiten Roms: Atias Mutter Julia war eine Schwester Julius Caesars, und die Mutter ihres Mannes Atius war die Tante von Pompeius Magnus. Der Clan der Julier hatte in Rom schon lange großen Einfluss; er führte seinen Stammbaum bis auf Julus zurück, dem Sohn von Aeneas, dem mythischen Stammvater Roms aus Troja, dessen Mutter die Göttin Venus war. Wie andere römische gentes (Familien) hatten auch die Julier ihre Höhen und Tiefen durchlebt, und gegen Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. waren sie ein wenig in den Hintergrund getreten. Schon bald gewannen sie wieder an Profil, jedoch nur, um in den Bürgerkriegen zwischen Sulla und ihrem Verbündeten Marius einige wichtige Mitglieder der Familie zu verlieren. Ihr prominentester überlebender Spross, Julius Caesar (geb. 100 v. Chr.), ging während Sullas Proskriptionen in den Untergrund; im selben Jahr, in dem der kleine Octavius zur Welt kam, 63 v. Chr., kehrte Caesar unangefochten auf die politische Bühne zurück: Er wurde zum pontifex maximus gewählt und war damit verantwortlich für den weitreichenden Apparat der römischen Religion, die ein integraler Bestandteil des römischen Staats und seiner Politik war. Zur gleichen Zeit war Pompeius nach einer Reihe atemberaubender militärischer Siege praktisch so etwas wie Roms Statthalter im östlichen Mittelmeer und im Nahen Osten geworden. Er und Caesar taten sich vier Jahre später zusammen, um mit Crassus, Roms größtem Finanzier, das sogenannte erste Triumvirat zu bilden. Das Triumvirat sollte nicht Roms Verfassung außer Kraft setzen, vielmehr war es eine Art Junta, die die Staatsgeschäfte abwickelte. Das Bündnis zerbrach im Jahrzehnt darauf, während Rom und Italien in einer Menge Schwierigkeiten steckten. Bei seiner Rückkehr aus Gallien überquerte Caesar Anfang 49 v. Chr. den Rubikon, marschierte auf Rom und besiegte Pompeius im August 48 v. Chr. bei Pharsalos in Nordgriechenland.

Die Vaterfigur für den jungen Octavius, der in dieser turbulenten Zeit aufwuchs, war sein Stiefvater Lucius Marcius Philippus – auch er war alles andere als ignobilis. Die gens Marcia war eine der berühmtesten und am besten vernetzten Familien Roms. Im 3. Jahrhundert v. Chr. hatte sich eines ihrer männlichen Mitglieder anstelle des bis dahin üblichen Beinamens (cognomen) „Tremulus“ für „Philippus“ entschieden, wahrscheinlich als Hommage an Alexander den Großen, den Sohn Philipps II. Lucius Marcius war indes alles andere als ein kühner Feldherr wie Alexander; vielmehr tat er sich, als führendes Mitglied des römischen Senats, während der gefährlichen Partisanenkämpfe dadurch hervor, dass es ihm gelang, durch umsichtiges Manövrieren und sein weitreichendes Netzwerk jedem Ärger aus dem Weg zu gehen. Über Atia war er auch mit Julius Caesar verbunden, zugleich aber Schwiegervater des jüngeren Cato, eines der unerbittlichsten Feinde Caesars. Was eigentlich der Selbsterhaltung diente, sah für andere mitunter aus, als treibe er ein doppeltes Spiel; in der Öffentlichkeit aber galt er als vorsichtiger Mensch, der Fehltritte vermied und sich am Ende stets durchzusetzen vermochte. So erreichte er, dass sein beträchtliches Privatvermögen nicht der Proskription zum Opfer fiel – dem beliebtesten Mittel des politischen Fundraising im Rom der Bürgerkriege (vgl. Shakespeare, Julius Caesar, Akt 4, Szene 1).

Wenn wir, ohne diesen Punkt über Gebühr zu strapazieren, beurteilen wollen, wie diese verschiedenen Aspekte den künftigen Kaiser beeinflusst haben, ergibt sich folgendes Bild, das zumindest halbwegs realistisch scheint (auf seine Mutter und seine Lehrer werden wir noch zu sprechen kommen): Er war zwar in einer italischen Kleinstadt zu Hause und kannte die Denkweise der Menschen dort sehr gut, das galt aber auch für Rom, wo er die Vorgänge in der Politik von außen beobachtete und aus erster Hand erfuhr, in welch fragilem Zustand sich die Republik befand. Sein Großvater wird ihn dadurch beeindruckt haben, wie gut er mit großen Summen umgehen konnte, und sein Stiefvater demonstrierte ihm, wie man umsichtig durch politische Minenfelder navigierte und sich nicht allzu großen Gefahren aussetzte. Die Octavii gehörten nicht zum alten Adel, und Octavius’ Vater war, wie Cicero, einer der vielen „neuen Männer“ (novi homines), die aus eigener Kraft ihren Weg in höchste Regierungsposten fanden. Gleichzeitig hatte der junge Octavius über Marcius Philippus aber auch Zugang zum traditionellen Establishment. Dieser so vielfältige Hintergrund und die damit einhergehenden unterschiedlichen Erfahrungen – all das sollte ihm später zugutekommen.

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