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Der Einfluss der Mutter

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Auch seine Mutter leistete ihm gute Dienste. Während die gesetzlichen Rechte von Frauen im alten Rom nach modernen Standards eher gering waren (immerhin durften sie Testamente aufsetzen, Geschäfte abschließen und Bautätigkeiten in Auftrag geben), lag ihre wirkliche, durchaus beträchtliche Macht in der auctoritas – das bedeutet nicht nur „Autorität“, sondern auch „Durchsetzungsvermögen“ oder „Einfluss“. Im Gegensatz zur potestas, der gesetzlichen Verfügungsmacht, die sie ergänzte, lag ihr kein formales Regelwerk zugrunde; die auctoritas war viel weitreichender und dynamischer, Ausdruck einer materiellen, intellektuellen und moralischen Dimension der Initiative und Überlegenheit. Diese Qualitäten waren die traditionellen Attribute einer römischen mater familias, und da die auctoritas keine rechtliche, sondern eine kulturelle Einrichtung war, musste sie immer wieder neu bekräftigt werden – und wurde so ihrem Namen gerecht, der von augēre abgeleitet ist, was „vermehren“, „vergrößern“ oder einfach „immer weiter an etwas arbeiten“ bedeutet. Die Unterscheidung zwischen potestas und auctoritas bestand auch im öffentlichen Leben: Der römische Senat zum Beispiel war, im Gegensatz zu seinen modernen Pendants, kein Gremium mit legislativer Kompetenz, sondern übte seinen Willen mittels seiner auctoritas aus – und wie wir sehen werden, sollte die auctoritas auch zu einem entscheidenden Faktor in Augustus’ Herrschaft werden.

In diesem Licht betrachtet, kann die häufige Erwähnung seiner Mutter in den Erzählungen über seine Jugend kaum überraschen. Atia war eine Figur mit starker auctoritas. Sie beteiligte sich sehr intensiv an der Ausbildung des jungen Octavius, besprach sich mit seinen Lehrern und trat selbst dann noch als seine Beraterin auf, nachdem er 48 v. Chr. die toga virilis anlegt hatte, was den formalen Beginn des Erwachsenenalters markierte. Als er sich Ende 47 Caesars Feldzug in Afrika anschließen wollte, äußerste Atia große Vorbehalte, und Octavius blieb daheim. Und als er Anfang 45 nach Spanien ging, um Caesar zu treffen, wollte Atia ihn begleiten (wovon er sie schließlich abbringen konnte). Sie war indes nicht einfach eine besitzergreifende Person: Mit der Gesundheit und Konstitution ihres Sohnes stand es nicht zum Besten, und manchmal ignorierte er, wie wir sehen werden, seine Schwäche und brachte sich dadurch in Gefahr.

Auch trat Atia sofort nach Caesars Ermordung mit Octavius in Kontakt, als bekannt wurde, dass er Caesars Erbe sei. Sie hatte Sorge, dass man auch ihm nach dem Leben trachtete, und bat ihn, Zuflucht bei ihr und „ihrem ganzen Haus“ zu suchen, was verschiedene Wohnsitze einschließen kann. Ihr Mann Philippus riet Octavius sogar nachdrücklich, Caesars Erbe nicht anzutreten und sich für ein ruhiges Leben zu entscheiden. Aber es ist bezeichnend, dass Augustus in diesem Fall der Selbststilisierung, mag sie auch durch Nikolaos’ Biographie gefiltert sein, seiner Mutter einen Ehrenplatz einräumt. Ihre auctoritas setzt sich durch; sie erkennt Octavius’ großes Potenzial, sieht aber auch die großen Risiken und Gefahren, die vor ihm liegen. Daher rät sie ihm weder dazu, das Erbe anzunehmen, noch dazu, es abzulehnen, sondern überlässt die Wahl ganz ihrem Sohn; dennoch ist sie die Erste, die sich dafür ausspricht, dass er auch Caesars Namen annimmt. Sie bleibt die ganze Zeit über präsent, bis zu dem Punkt, an dem Nikolaos’ Bericht abbricht – zuletzt bei Octavius’ Entscheidung, nach Kampanien zu gehen, um aus Caesars Veteranen eine Privatarmee zu rekrutieren. Er will sie in die Entscheidung nicht einbinden, weil er, wie Nikolaos berichtet, der Meinung ist, dass „ihre mütterliche und weibliche Zuneigung ein Hindernis für seine großen Pläne“ wären. Stattdessen tut er ihr gegenüber so, als versuche er lediglich, ein paar Immobilien seines Vaters in der Region zu verkaufen. Doch leider ist er „nicht in der Lage, sie vollständig zu überzeugen“.

Bei alledem ist weniger die absolute historische Genauigkeit wichtig, als vielmehr das Bild, das Augustus von seiner Mutter und seiner Beziehung zu ihr zeichnet. Das allein verrät uns bereits einiges über den Einfluss, den sie auf ihn ausübte. Sie hatte einen wichtigen Platz in seinem Leben – selbst Tacitus, der nicht gerade ein begeisterter Anhänger von Augustus war, lobt sie dafür (Dialog über die Redner, 28.6) – und war jemand, dessen Ratschläge er sehr ernst nahm. Das Gleiche sollte in jeder Hinsicht für seine spätere Frau Livia gelten, Roms erste Kaiserin. Es kann daher kaum überraschen, dass Augustus der erste römische Staatsmann war, der Mütter und ihre Kinder auf einem öffentlichen Denkmal darstellen ließ, der Ara Pacis, dem Altar des augusteischen Friedens (vgl. Abb. 20).

Augustus

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