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1.5 Entwurzelte Völker

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Die Minderheitenfrage belastete die Völker Europas die folgenden 20 Jahre hindurch. Besonders die Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns trugen schon bei ihrer Gründung den Keim der Auflösung in sich, weil die stark voneinander abweichenden ethnischen, konfessionellen und sprachlichen Eigenheiten der Bevölkerungsgruppen zu Feindseligkeit zwischen ihnen führen mussten. Der Völkerbund, die kommenden Probleme voraussehend, maß daher dem Minderheitenschutz eine besondere Bedeutung bei.

Wie fragwürdig jedoch Wilsons Ideal des Selbstbestimmungsrechtes der Völker war, zeigte sich in Jugoslawien. Die Konstrukteure dieser Staatsschöpfung hatten historisch verankerte Trennlinien in dem sich aus 15 Nationen zusammensetzenden Staatsvolk nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Seit jeher stießen auf dem Balkan unvereinbare Kulturkreise aus west- und oströmischen Wurzeln zusammen. Die Prägung durch die osmanische Geschichte tat ihr Übriges. Daraus ergab sich die religiöse Vielfalt römisch-katholischer und byzantinischer Christen neben türkischstämmigen Muslimen. Auch die gesprochenen Sprachen waren verschieden, die Schriften lateinisch und kyrillisch. Die Bürger Jugoslawiens waren ein Volk, das keine gemeinsame Geschichte einte. Und das äußerte sich auf vielerlei Weise, von der Hochkultur bis zu Brauchtum, Kleidung und vielen anderen Dingen des täglichen Lebens.

Ähnliche Umstände fanden sich in der Tschechoslowakei. Das 15-Millionen-Volk bestand in seiner Mehrheit aus Tschechen. Dazu kamen Slowaken, Sudetendeutsche, Polen, Ungarn, Ukrainer sowie Sinti und Roma. Die Tschechen, die ohnehin den überwiegenden Bevölkerungsanteil ausmachten, dominierten auch politisch. In historisch verfestigter konfessioneller Distanz standen die katholischen Slowaken den reformierten Tschechen gegenüber. Die Sudetendeutschen, die vor 1920 in Böhmen Habsburgs Monarchie repräsentierten, waren in der neuen Tschechoslowakei auf einen zweiten Platz verwiesen. Noch benachteiligter kamen sich die ungarischen Volksgruppen, die Polen und Kar-pato-Ukrainer vor. Die bei der Staatsgründung versprochene Autonomie blieb ihnen verweigert.

Die Siebenbürger Sachsen: Seit dem 12. Jahrhundert saßen sie auf ihrem Siedlungsland in Ungarn unter der Krone Habsburgs. Nach 1918 wurden die deutschen Siebenbürger der Herrschaft des rumänischen Staates unterstellt. Der willkürliche Umgang mit ihnen bedeutete für jede Familie leidvolle Schicksale, waren sie doch früher im Habsburger-Staat ebenso verwurzelt gewesen wie in ihrem ererbten lutherischen Glauben.

Neben diesen Beispielen gab es in der Geschichte der Friedensordnung nach 1918 noch viele vergleichbare Vorgänge. Der aktuelle Nahostkonflikt geht ebenfalls auf die nach 1918 in dieser Region vorgenommenen territorialen Teilungen zurück.

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