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2. Stich durch den Sinai Der Bau des Suezkanals

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Mein Land ist nicht länger ein Teil Afrikas.

Ich habe es zu einem Teil Europas gemacht.

Ismail Pascha anlässlich der Eröffnung des Suezkanals 1869

Schneller muss es gehen, immer schneller. Die Welt hat keine Zeit mehr, kann sich mit weiten Reisen und langen Distanzen nicht länger aufhalten. Alles eilt, ist dringend, muss unverzüglich erledigt werden – und darum geht es dem Raum nun an den Kragen. Wo immer Entfernungen schneller Fortbewegung im Wege stehen, geht man daran, sie mit technischen Mitteln zusammenzustauchen. Als „time–space compression“ hat der Geograph David Harvey diesen Prozess der globalen Beschleunigung beschrieben.1

Der Bau des Suezkanals ist vielleicht das spektakulärste technische Wunderwerk der Reisezeitersparnis im 19. Jahrhundert. Doch er fällt in eine Zeit, in der Menschen überall auf der Welt daran arbeiten, die für Verkehr, Reisen und Transporte nötige Zeit so weit wie möglich zu verkürzen. Im Juli 1866, drei Jahre vor Eröffnung des Suezkanals, jubelten Europäer und Nordamerikaner über das gerade verlegte Unterseekabel, das die Alte und die Neue Welt fortan per Telegraphie miteinander verband. Was auf dem einen Kontinent geschah, erfuhr man auf dem anderen nun nicht mehr erst nach Wochen, sondern in wenigen Stunden. Einige Jahre später, im Mai 1869, meldeten die Amerikaner, dass die beiden Küsten ihres Landes fortan verbunden waren: Die Union and Central Pacific Railroads fuhren fortan ohne Unterbrechung von der Ost- an die Westküste und wieder zurück. „It is done“ gaben die Erbauer das Ende ihrer Arbeit in lässig-vornehmer Zurückhaltung bekannt – dank des neuen Unterseekabels auch nach Europa. Und als der Suezkanal 1869 fertig geworden war, dauerte es nicht mehr lange, bis 1876 die Société Civile Internationale du Canal Interocéanique gegründet wurde. Deren Ziel war die Verwirklichung eines weiteren uralten Menschentraums: der Durchbruch der Meerenge von Panama. Dieser Traum musste bis zu seiner Verwirklichung dann aber doch noch warten: Erst 1914 wurde der Kanal eröffnet. Zwei Jahre später feierte man am anderen Ende der Welt die Fertigstellung eines weiteren technischen Großprojekts, der Transsibirischen Eisenbahn. Fünfundzwanzig Jahre hatte man für den Bau der fast 10.000 Kilometer langen Trasse zwischen Moskau und Wladiwostok gebraucht. Doch bereits Jahrzehnte vorher galt, dass Räume und Entfernungen zu schmelzen begonnen hatten. „Die Distanz ist von der Wissenschaft abgeschafft worden“, frohlockte schon 1883 der britische Historiker John Robert Seeley.2

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