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Ceterum censeo

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Ceterum censeo …“: War da nicht etwas mit Karthago und dem alten Zensor Cato? Ja, allerdings: Als 17jähriger hatte dieser Cato im 2. Punischen Krieg erlebt, wie Hannibal in den Schlachten am Trasimenischen See und bei Cannae 217 und 216 v. Chr. „das italische Land zerfleischte und quälte“, als 82jähriger war er wohl 152 v. Chr. an der Spitze einer Senatsdelegation nach Karthago gekommen, um einen kriegerischen Konflikt der unter Kuratel gestellten Erzfeindin mit dem Numiderkönig Massinissa zu schlichten. Es war sein erster Augenschein in der nach dem römischen Sieg bei Zama 202 v. Chr. bedrohlich wieder erstarkten Stadt. Schon vorher hatte Cato sich für einen dritten und letzten Punischen Krieg ausgesprochen; nun plädierte er umso entschiedener, umso hartnäckiger für ein rasches, hartes Eingreifen.

Plinius der Ältere und Plutarch in seiner Biographie berichten von einem effektvollen Gag: Wie versehentlich habe Cato im Senat, als er seine Toga zurückschlug, ein paar frische Feigen fallen lassen und den verwunderten Senatoren zugerufen: „Lasst euch das sagen: Erst vor drei Tagen sind diese Feigen in Karthago gepflückt worden; so nahe haben wir den Feind vor unseren Mauern!“ Catos politischer Gegenspieler Publius Cornelius Scipio Nasica, der gleichfalls an jener Senatsdelegation nach Karthago teilgenommen hatte, machte dagegen geltend, die Legitimation für einen „gerechten“ Krieg gegen Karthago sei noch nicht gegeben. Plutarch bezeichnet als den wahren Grund des Widerspruchs, Scipio Nasica habe dem Frevelmut, der „Hybris“, des von seinem Erfolg verwöhnten, über die Stränge schlagenden eigenen Volkes mit dem Fortbestand der mächtigen Rivalin jenseits des Mittelmeers einen „züchtigenden Zaum“ anlegen wollen.

Wie mehrfach berichtet, fügte Cato bei der Umfrage in Senat, ganz gleich, worum es gerade ging, seinem Votum regelmässig noch den Zusatzantrag bei, dass Karthago nicht bestehen bleiben dürfe. Und Scipio spielte mit: Im Gegenzug hängte auch er, wenn die Reihe an ihn kam, seinem Votum zum Traktandum regelmässig noch den Gegenantrag an, dass Karthago allzeit fortbestehen solle. Plutarch zitiert Catos Zusatzantrag in griechischer Version: „Dokeí de moi kai Karchedóna me eínai“, „Ich stimme aber auch dafür, dass Karthago nicht bestehen bleiben darf“. Und bei dem etwas jüngeren Geschichtsschreiber Florus lesen wir: „In unversöhnlichem Hass erklärte Cato immer wieder, Karthago müsse zerstört werden, und dies regelmässig auch, wenn über etwas anderes beraten wurde“, „Inexpiabili odio delendam esse Carthaginem, et cum de alio consuleretur, pronuntiabat“. Das wirkte: 149 v. Chr., kurz vor Catos Tod, erklärte Rom der alten Rivalin den Krieg, und drei Jahre später, 146 v. Chr., wurde die Stadt vollständig zerstört.

Das geflügelte „Ceterum censeo Carthaginem esse delendam“ ist uns so nicht zugeflogen; es ist eine Rekonstruktion oder, um im Bild zu bleiben, eine Rückzüchtung. Das vorausgeschickte „Ceterum …“, „Im Übrigen …“, erinnert daran, dass es sich hier um einen stereotypen, an irgendeinen anderen Antrag zu irgendeiner anderen Sache angehängten Zusatzantrag handelte, und das Plutarchische, im griechischen Polit-Jargon geläufige „Dokeí moi …“, wörtlich: „Es scheint mir …, Ich stimme dafür …“, in dem Plutarchischen Zitat führte zu dem entsprechenden im römischen Senat gebräuchlichen „Censeo …“, „Ich schätze …, Ich stimme dafür …“ Mit diesem „Ceterum censeo …“ vorneweg liess sich Cato nun auch im lateinischen Originalton zitieren.

In den Lateinschulen des 19. und 20. Jahrhunderts ist dieses „Ceterum censeo Carthaginem esse delendam“ seither wie das jüngere, möglicherweise eigens für den Schulgebrauch ausgeprägte „De gustibus non est disputandum“ zum Standardbeispiel für das berüchtigt schwierige Gerundivum geworden. Aber seinen Aufstieg zum geläufigen, ja geflügelten Zitat und seine Aufnahme in den Büchmannschen „Zitatenschatz des deutschen Volkes“ von 1864 verdankte dieses Wort wohl nicht nur einem weitreichenden, weitherzigen Mitgefühl mit dem unversöhnlichen Hass des alten Dickkopfes und Starrkopfes auf die Erbfeindin und Erzfeindin Karthago, sondern zugleich einem heimlich mitschwingenden, unausgesprochenen Bezug auf eine näherliegende, zeitgenössische Erbfeindschaft und Erzfeindschaft.

Da ist es doch tröstlich, dass sich dieses „Ceterum censeo …“ im gegenwärtigen Zitiergebrauch weitgehend von seinem ursprünglichen ominösen Bezug auf den Untergang Karthagos gelöst hat. „Mein, dein, sein Ceterum censeo“: So sprechen wir heute – nunmehr ganz ohne Pünktchen fürs Weggelassene – von einem beharrlich verfochtenen, immer und immer wieder vorgebrachten Postulat. Wer denkt da noch an den alten Cato? Die beiden so ohrenfällig aneinander anklingenden Wörter „Ceterum censeo“ repräsentieren zwar gerade nicht das antike Original, sondern lediglich die neuzeitliche Rekonstruktion. Aber derart zur Chiffre einer unbeirrbaren Beharrlichkeit verkürzt und von seinem altrömischen historischen Ballast befreit, hat dieses geflügelte Wort nun erst recht die besten Chancen für weitere unbeschwerte Höhenflüge.

Vgl. „Hannibal ante portas!“, unten Seite 64.

Geflügelte Worte aus der Antike

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