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Kapitel 18

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An diesem Sonntagmorgen blieben sie lange im Bett.

Munter waren sie schon, auch lockte das schöne Wetter, die Sonne schien, ein warmer Wind wehte durch die offene Terrassentür und blähte die Vorhänge.

Es war ein Tag wie gemacht, um ihn am Strand zu verbringen, in der alten verlassenen Strandburg zu liegen, vor Wind und den neugierigen Blicken der wenigen Spaziergänger geschützt, und ab und zu baden.

Carmen hatte noch nicht richtig die Augen aufgeschlagen, da blinzelte sie nach ihrem Ring.

Es war wahr, sie hatte es nicht geträumt. Der Ring steckte tatsächlich auf ihrem Finger.

Sie streckte weit ihren Arm aus, betrachtete den Ring aus der Ferne, hielt ihn in die Sonne, drehte ihn, juchzte vor Vergnügen, als er im Sonnenlicht funkelte.

„Jose, sag, dass ich nicht träume! Sag, dass gestern wahr war! Sag, dass der Ring meiner ist! Sag, dass es mein Verlobungsring ist! Sag, dass du mich liebst! Sag, dass du mich immer lieben wirst!“

Sie zog die Decke zur Seite, drehte sich zu ihm, legte sich auf ihn und bedeckte seine Brust mit Küssen, arbeitete sich hoch und schlang die Hände um seinen Nacken.

„Ich lass dich nicht mehr los! Niemals mehr!“, stieß sie hervor, als sie kurz Luft holte, drückte wieder ihre Lippen ganz fest auf seinen Mund und rollte mit ihm quer über das Bett.

Sie wollte ausgelassen sein, sie wollte toben, eine Kissenschlacht machen, wenn das nicht kindisch wäre!

Sie musste etwas machen, um nicht zu platzen vor Glück.

Jose schien noch müde zu sein. Er hatte die Augen geschlossen, und nur ein amüsiertes Schmunzeln verriet, dass er schon wach war.

Dann, ganz plötzlich, breitete er seine Arme aus, umarmte sie und drückte sie auf die Kissen.

So lag sie da, mit durchgedrücktem Rücken, strahlte ihn an, warf noch einen Blick auf den Ring, öffnete ihre Schenkel und zog Jose zu sich herab.

Schreien hätte sie können vor Lust, als sie ihn in sich spürte, fest und doch so sanft.

„Weißt du was?“, begann Carmen, als sie beim Frühstück waren, „wollen wir nicht schon heute nach Hause fahren?“

Jose sah sie erstaunt an. Mit allem hätte er gerechnet, damit, dass sie noch ein paar Tage dranhängen wollte, und davor hatte er etwas Angst gehabt, und nun wollte sie vorzeitig nach Hause.

„Wieso, fühlst du dich nicht wohl? Fehlt dir etwas? Habe ich etwas falsch gemacht?“

„Sicher lachst du mich aus.“

Erst als er ganz, ganz fest versprochen hatte, sie nicht auszulachen, sagte sie ernst: „Ich möchte doch wieder in die Schule gehen. An jedem Tag, an dem ich fehle, versäume ich etwas. Wie soll ich das aufholen?“

Jose war sprachlos.

Er nahm ihre Hände in seine und streichelte sie.

Immer noch ungläubig sah er sie an.

Sie spürte, dass er sie fragen wollte, und sie kam ihm entgegen: „Ich möchte ihn zeigen.“

Sie befreite ihre Linke Hand und streckte sie weit von sich.

Nach einem Augenblick fügte sie hinzu: „Außerdem, was soll ich den ganzen Tag machen, wenn du bei der Arbeit bist? Ich kann doch nicht nur Däumchen drehen.

Und dummer werde ich bestimmt nicht, wenn ich wieder zur Schule gehen.“

„Willst du wieder in deine alte Schule zurück? Es wird vielleicht schwierig, weil sie wissen wollen, wo du die ganze Zeit warst.“

Carmen sah ihn mit verträumten Augen an.

„Sollen sie doch fragen. Ich werde ihnen die Wahrheit sagen. Dieses Leben war ein Teil von mir, und ich schäme mich nicht. Ich bedaure es auch nicht. – Nicht nur, weil wir uns getroffen haben. Ich glaube, ich habe in diesen Wochen und vor allem jetzt sehr viel gelernt. Über mich, über andere, über die, die ganz unten sind, und die, die ihnen helfen wollen“, sie sah Jose voller Dankbarkeit an, und wieder wollten sich ihre Augen füllen, doch sie kämpfte die Tränen tapfer hinunter. Einmal musste sie schlucken, dann war ihre Stimme wieder klar.

„Das klingt zwar übertrieben, aber ich glaube, es stimmt: Was ich erlebt habe, werde ich sicher nicht vergessen, mein Leben lang nicht. Und ich werde es unseren Kindern erzählen. – Wir werden doch Kinder haben?“

Jose musste schmunzeln.

Wenn er sich daran erinnerte, wie er Carmen kennen gelernt hatte.

Ein gieriges, ängstliches Tier, immer auf der Hut, schmutzig, verwahrlost, das nur langsam an Sicherheit und Zutrauen gewonnen hatte. Und jetzt eine selbstbewusste junge Frau, gepflegt, die ihr klares Ziel vor Augen hatte.

Und sie würde ihr Ziel erreichen.

Sie verabschiedeten sich von ihren Vermietern, fast überstürzt.

Ob es ihnen nicht gefallen hätte, wollten sie wissen. Sie würden auch gerne etwas ändern, sie müssten es nur sagen.

Als Carmen sagte, sie wolle wieder zur Schule gehen, stutzten sie, doch sie schienen es nicht so erstaunlich zu finden. Diskretion war wohl für sie oberstes Prinzip.

Schnell waren die Koffer gepackt, und Carmen und Jose saßen in ihrem R 4 und fuhren in Richtung Hannover. Es war eine gemütliche Fahrt, auch wenn Carmen es eilig hatte. Was sie zu Hause machen wollte, wusste sie nicht, nur sie wollte schnell zu Hause sein.

Sie freute sich darauf, in die Tiefgarage zu fahren, sie freute sich auf den Müll, der überall herumlag, sie freute sich auf den Treppenaufgang, der nach Urin stank, obgleich sie sich sonst immer vor ihm geekelt hatte, sie freute sich auf den ächzenden Aufzug, sie freute sich auf den Augenblick, in dem Jose die Wohnungstür aufschließen würde, sie freute sich darauf, wenn sie beide die Koffer in die Wohnung gerollt hätten und sich in den Arm nehmen würden.

Mein Gott, war das Leben schön!

Wolfskinder

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