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Kapitel 8

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Nach all den Jahrhunderten gab es fast nichts mehr, vor dem Agnus Angst hatte – außer um seine Gefährtin. Heute spürte er diese Angst, und zwar davor, dass Alva ihn hassen würde, wenn sie nachher den verbrannten Körper von John vor sich sehen würde.

Durch das UV-blockierende Sichtfenster sah er den armen Kerl in der Mitte des Turms, die Arme stramm ausgestreckt und mit dicken Stahlketten an den gegenüberliegenden Steinwänden befestigt. Auf diese Weise würde das Sonnenlicht jeden Zentimeter seiner Haut erreichen.

Kopf und Lenden waren schon verhüllt, sein nackter Körper bereits schweißgebadet. Kein Wunder angesichts der Höllenqualen, die ihm bevorstanden! Trotzdem hatte John vorher, in seinem Beisein, jedem verboten, die Vollstreckung abzubrechen, auch wenn …

John würde schreien, das wussten sie beide, und am Ende würden ihn allein diese Ketten halten. Doch John hatte darauf bestanden, bei den Wächtern zu bleiben, und das war der einzige Weg.

Gleich stand die Sonne im Zenit und er würde auf Knopfdruck das Deckengewölbe hoch über John öffnen.

Er griff nach dem Gesetzbuch, das in rotem Samt eingeschlagen war, und ließ dabei unauffällig den Blick in die Runde seiner Wächter schweifen.

Keiner ließ sich äußerlich etwas anmerken, aber er wusste, dass das für alle ein harter Augenblick war, und gleich würde es jeden von ihnen ein Stück zerreißen.

Die Hände von Raven waren so fest ineinander verschränkt, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Vermutlich war er drauf und dran, in das Innere des Turms zu stürmen und John loszureißen.

Er hatte mitbekommen, dass John vorher zu Raven gesagt hatte: „Mein Verstoß hat nun mal seinen Preis und du würdest das Gleiche für deine Rose auch tun, oder nicht?“

John musste wohl für diese Lara so viel empfinden, als wäre sie seine Gefährtin. Aber die Regeln waren hart: Ihre Erinnerung an John würde gelöscht werden.

Sein Blick schweifte zu Vinz, der ihm erzählt hatte, wie Arabella in ihrem Quartier wegen der Verbrennung getobt hatte. Sie hätte sogar nach ihm getreten, als Vinz sie davon abhalten wollte, ihm, Agnus, die Augen auszukratzen.

Temperamentvoll wie eine junge Katze, die gute Ara, aber er konnte sie verstehen. Vinz hatte sie wohl am Ende in einen unfreiwilligen Tiefschlaf versetzt und auf ihr Bett gelegt.

Inzwischen hatte Agnus die entsprechende Stelle im Buch der Gesetze aufgeschlagen und begann zu lesen.

„… die Strafe gilt als vollzogen, wenn der bloße, unverhüllte Körper gänzlich von der Sonne versengt ist.“

Faktisch war die Haut schwarz verkohlt, wenn die Deckenluke nach kurzer Zeit wieder geschlossen wurde.

Er schlug das Buch, auf das jeder schwören musste, der den Wächtern beitrat, wieder zu und legte es auf dem antiken Holzpodest ab. Daneben stand bereits ein fahrbares Krankenbett mit eisgekühlter Gelauflage und fast gefrorenen, nassen Leinentüchern, um Johns glühend heißen Körper sofort danach abzukühlen.

Die alte Glocke des ehemaligen Klosters schlug.

Es war so weit.

„Drück endlich auf den verdammten Knopf, sonst tret ich dir in deinen Hintern!“, schrie John aus Leibeskräften.

Die Taktik seines Taktikers, um ihm die Sache leichter zu machen.

Er wappnete sich innerlich und streckte die Hand nach dem Knopf aus. Urplötzlich stand Raven neben ihm und hielt seinen Arm mit eiserner Kraft fest.

„Nein!“

„Das haben wir bereits geklärt, Raven. Es ist Johns Entscheidung, nicht deine. Du machst die ganze Sache für ihn nur schlimmer.“

Ein aufforderndes Nicken reichte, dann zerrten Vinz und Ambi Raven mit Gewalt weg.

„Irgendetwas stimmt nicht. Rose hat mir durch unsere Symbiose eine Botschaft gesandt. Sie will, dass wir warten. Agnus, bitte!“

Raven hatte noch nie bitte zu ihm gesagt.

Es war das „Bitte“, das ihn innehalten ließ. Denn eine Botschaft über die Symbiose erforderte normalerweise jahrelange Übung. Anfangs spürten Gefährten mehr, was der andere ihnen vermitteln wollte.

Er würde warten, aber nicht lange.

Nach einer gefühlten Ewigkeit riss Ravens Gefährtin völlig außer Atem die Tür auf.

„Stopp! Nicht das Dach öffnen! Lara ist eine Symbiontin, sie trägt die Blüte der Ewigkeit! Sie liegt ziemlich versteckt im Nacken, unter dem Haaransatz. Wir haben das Zeichen gerade erst entdeckt, als wir Lara gewaschen haben. Wegen ihrer vielen Brüche und inneren Verletzungen haben wir sie bisher kaum bewegt und erst heute komplett gewaschen.“

Jetzt kam sein Schreiber auf ihn zu und hielt ihm zum Beweis das Handydisplay hin.

„Hier, sieh’s dir selbst an, Agnus. Alva hat es fotografiert und mir geschickt.“

Inzwischen standen alle um ihn herum und schauten auf das Display, sogar Amalia.

Für menschliche Augen wirkte das Ganze nur wie ein filigranes Branding, doch es war der eindeutige Beweis. Lara gehörte zu den extrem seltenen Frauen, die zu einer Symbiose mit einem Vampir fähig waren.

Er konnte beinahe körperlich spüren, wie alle Anwesenden von Erleichterung erfasst wurden. Kein Wunder, denn in diesem Fall machte das Gesetz eine Ausnahme. Es erlaubte einem ungebundenen Vampir, sein Blut zu spenden, um das Leben einer Symbiontin zu retten.

Der Grund dafür war die extreme Seltenheit von Frauen, die in der Lage waren, eine Symbiose und damit auch eine eheähnliche Beziehung mit einem Vampir einzugehen.

Nur ihnen war es möglich, durch den Prozess der Symbiose auch gewisse Veränderungen und Anpassungen auf beiden Seiten auszulösen und Nachwuchs zu zeugen. Dabei kamen Jungen immer als Vampire und Mädchen als Menschen und Symbiontinnen auf die Welt.

Die Legenden, die er seit seiner Kindheit gehört hatte, besagten, dass ein Vampir nur bei einer dieser Frauen in der Lage wäre, tiefe Gefühle und selbstlose Liebe zu entwickeln. Diese sei dann jedoch intensiver als die eines gewöhnlichen Mannes. Und er hatte selbst erlebt, dass der Beschützerinstinkt in diesem Fall stärker wurde als jeder andere Trieb seiner Raubtiernatur.

„Schaut euch das mal genau an“, meinte Elia, „die Blüte der Ewigkeit hat sich bei Lara bereits entwickelt. Also hat der Prozess der Symbiose zwischen den beiden bereits begonnen. Sie müssen eine Gefährtenbeziehung eingegangen sein. Kein Wunder, dass John sie um jeden Preis retten wollte.“

Sein Schreiber hatte recht. Es war deutlich zu erkennen, dass sich aus den zwei Blättchen, die jede Symbiontin irgendwo am Körper trug, bereits eine Blüte, in Laras Fall eine Lavendelblüte, entwickelt hatte.

Ratlos und verwundert sah er zu seinen Wächtern. Eigentlich hatten sie keine Geheimnisse untereinander, denn sie lebten in einer engen Gemeinschaft.

„Mir hat John nichts davon erzählt, dass er eine neue Gefährtin erwählt hat. Wusste einer von euch davon?“

Keine Antwort, nur Kopfschütteln und Schulterzucken.

Schließlich meinte Elia: „John hat mir nur erzählt, dass er dieser Lara schon einmal begegnet ist.“

Skeptisch hob er eine Augenbraue.

„Nur einmal?“

„Ob diese Lara nun seine Gefährtin ist oder nicht, spielt keine Rolle“, verkündete Amalia.

Dabei strahlte die Sirene übers ganze Gesicht. So hatte er sie noch nie erlebt.

„John hat sein Blut einer Symbiontin geschenkt, die in Lebensgefahr schwebte, also hat er das Gesetz nicht übertreten. Ich informiere das Tribunal. Sie werden das Urteil aufheben.“

Schon raffte Amalia ihr Kleid und verließ mit erhobenem Haupt den Turm.

Er schaute durchs Sichtfenster zu seinem angeketteten Wächter und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Verdammt, ich hätte John beinahe geröstet! Mir reicht’s hier unten, ich muss raus! Und macht den armen Kerl endlich los!“


Unsterblich geliebt

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