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Kapitel 9

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Eine Stunde später saß John wieder neben der schlafenden Lara in seinem eigenen Quartier.

Er blickte zu dem Beutel mit klarer Flüssigkeit, die in stetiger Regelmäßigkeit in den Schlauch tropfte, durch den sie intravenös versorgt wurde.

Lara war viel zu dünn und er bezweifelte, dass dieses Zeug in den Beuteln dazu taugte, sie aufzupäppeln. Den Überwachungsmonitor hatte er sich von Alva eingehend erklären lassen. Vielleicht ein bisschen zu eingehend, denn nach seiner Frage zu den Wirkungen und Nebenwirkungen ihrer vorrätigen Blutdruckmittel – nur für den Notfall –, wirkte sie doch etwas genervt. Die Ärztin hatte ihm gesagt, dass Lara nur bis zum nächsten Tag an die Geräte angeschlossen bleiben müsste und auch nur zur Sicherheit, weil ihr der Tumor große Sorgen bereiten würde.


Arabella – er hörte sie mit seinen feinen Ohren draußen auf dem Flur zu seinem Quartier gehen. An ihrem leichten, schwungvollen Gang war sie stets gut zu erkennen.

„Komm rein, Arabella! Die Tür ist offen.“

Er musste schmunzeln, denn obwohl er mit dem Rücken zu ihr saß, spürte er doch, dass sie wie ein frischer Wind in seine Wohnung hereingeweht kam. Ara, die Lebendigkeit in Person, sportlich und für jedes Abenteuer zu haben.

„Hier, fang auf!“

Er drehte sich um und schaffte es nur dank seiner Vampirgeschwindigkeit, die zwei Bücher noch rechtzeitig aufzufangen, die das Exmodel in seine Richtung geworfen hatte.

„Schnell wie ein Vampir!“

Arabella grinste – was sonst! Manchmal fragte er sich, ob ein normaler Mann überhaupt mit ihr mithalten könnte. Er hatte Vinz schon öfters über ihre Abenteuerlust stöhnen gehört, allerdings immer mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen.

„Danke, Arabella, aber mir ist nicht langweilig.“

Beschwingt trat sie neben Laras Bett.

„Ja, wie ich sehe, bist du mit Händchenhalten und Anstarren voll ausgelastet. Lass mich raten, du hast dich in den letzten Stunden keinen Zentimeter von ihr wegbewegt, oder?“

Ähm – nein. Aber er sparte sich die Antwort lieber.

Sinnlos, denn Arabella ließ nie locker. Jetzt wedelte sie mit einem der Bücher vor seinen Augen herum. Er seufzte – extra – und unterdrückte ein Schmunzeln, als er sich ihr zuwandte.

„Okay, Ara, schieß los, du lässt mir ja doch keine Ruhe.“

„Deine Lara ist Lara Livingstone, die Autorin! Ich hab dir zwei ihrer Bücher mitgebracht, also bedank dich artig bei mir, ich leih sie dir nämlich.“

Er überflog kurz die Titel, bedankte sich brav ein zweites Mal und legte sie auf das Nachtkästchen.

„Vor fünf Minuten hat sich Elia bei mir gemeldet. Der Paketbote hat gerade meine bestellten Bücher abgeliefert. Ich geh gleich rüber und hol alles bei unserem Computergenie ab. Dann hab ich jeden einzelnen Band deiner Schriftstellerin. Sogar Alva ist neugierig auf ihre Bücher! Für sie habe ich extra eine zweite Ausgabe des Ritterromans gekauft.“

„Ritterroman?“

Ara boxte ihn freundschaftlich in die Schulter.

„Der Hammer, oder? Das wäre genau das Richtige für dich!“

Jetzt musste er doch schmunzeln.

„Vinz hat mir mal erzählt, du warst früher Ritter. In einer deiner alten Truhen soll sogar noch das Rittergewand mit eurem Familienwappen liegen. Das ist soo irre!“

Arabellas Augen sprühten förmlich vor Begeisterung und sie wirkte auf ihn wie ein angezündetes Tischfeuerwerk, das gleich mit einem Knall seinen glitzernden Inhalt verstreuen würde.

„Hey, ich hab dich zum Lächeln gebracht!“

Stimmt, ihre Begeisterung war ansteckend, man musste Ara einfach gern haben. Von allem, was das Vampirdasein zu bieten hatte, war Ara völlig begeistert und neugierig ohne Ende.

„Du bist noch so jung, noch keine hundert Jahre alt.“

„Tja, aber dafür hab ich die 80er Jahre voll ausgekostet, das sag ich dir!“

Ob Lara auch so neugierig und begeistert vom Vampirdasein wäre? Er hörte sein eigenes Seufzen.

Agnus hatte ihm noch mal eingeschärft, dass er Laras Erinnerungen löschen müsste, falls sie ihn und das Hauptquartier verlassen würde. Nur als seine Gefährtin durfte sie von den Vampiren und vom Hauptquartier wissen.

„Hey, Großer! Schieß los, wo drückt dich der Schuh?“

Trotz allem äußeren Überschwang konnte man dem Exmodel keine Oberflächlichkeit nachsagen.

„Du machst dir Sorgen, wie sie es aufnimmt, oder?“

Er hatte von Anfang an bemerkt, was für ein feines Gespür sie besaß. Eine Antwort schien ihm überflüssig.

Doch Ara ließ es wieder nicht dabei bewenden, beugte sich herunter und nahm die Haut seiner Wangen zwischen Daumen und Zeigefinger. Dann zog sie sie spielerisch hin und her, wie man das vielleicht mit den schlabbrigen Lefzen eines Bassets machen würde. So kam er sich auch gerade vor.

„Mensch, du bist doch eine gute Partie! Du siehst super aus, Waschbrettbauch, knackiger Po, klassische Kinnpartie.“

Endlich ließ sie los, wuschelte dafür aber in seinen Haaren.

„Und aus deinen traumhaften Locken könnte ein anständiger Coiffeur eine schicke Frisur zaubern. Außerdem hast du Geld wie Heu …“

Arabella – sie redete sich gerade erst warm. Besser gleich unterbrechen, bevor sie richtig in Fahrt kam!

„Danke für deine aufmunternden Komplimente, aber ich glaube nicht, dass das so leicht wird. Was soll ich ihr denn sagen?“

Nicht, dass er in der letzten Stunde nicht schon hundert Mal darüber nachgedacht hätte. Kein Wunder, dass Alva ihn belächelt hatte!

„Willkommen bei den Vampiren? Leider habe ich aus Versehen durch mein Blut eine Symbiose mit dir ausgelöst und schon zur Hälfte besiegelt? Jetzt sag schön brav Ja und werde meine Gefährtin für die Ewigkeit, sonst werde ich wahnsinnig?“

„Dabei würde ich dann gern ihr Gesicht sehen.“

Typisch Ara!

„Nein, im Ernst. Wie wär’s mit: ‚Ich liebe dich‘? Immerhin hast du dein unsterbliches Leben für sie riskiert.“

Ich liebe dich. Könnte das so einfach sein?

Er lehnte sich zurück, fuhr sich mit der Hand durch seine goldbraunen Haare und schaute zu Lara.

„Wir kennen uns doch kaum, sind uns erst einmal begegnet.“

„Wow! Dann muss es da aber ganz schön zwischen euch gefunkt haben! Immerhin ist ihre Blüte erwacht. Sie muss sich also in dich verliebt haben, denn ohne die entsprechenden Hormone in ihrem Blut wäre das nicht möglich gewesen.“

Da hatte Ara recht, denn damit sich aus den zwei unscheinbaren Blättchen eine Blüte entwickelte, musste die Chemie stimmen – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.

Neugierig, wie Ara nun mal war, beugte sie sich über Lara und wollte die Blüte in ihrem Nacken gerade in Augenschein nehmen.

„Bitte, Ara, wir sind hier nicht im Zoo. Es sind wunderschöne Lavendelblüten.“

„Irre! Ach hör mal, bevor ich’s vergesse. Sarah ist gerade dabei, für dich zu kochen. Jetzt, wo du das erste Mal wieder essen kannst, seit …“

Er merkte, dass sich Ara auf die Lippe biss, und war froh, dass sie nicht weitersprach.

„Nett von Sarah.“

Ihr Essen war immer lecker, aber ohne Hautkontakt und die Symbiose mit Elisabeth, hatte er nach ihrem Tod keine Nahrung mehr verdauen können.

„Ambrosius hat übrigens herausgefunden, dass es chemische Botenstoffe sind, übertragen durch die Haut der Frau, die eure Verdauung in Gang setzen. Jetzt startet er eine Versuchsreihe nach der anderen, um diese Stoffe künstlich nachzuahmen.“

„Wäre schön, wenn’s klappt.“

Nach dem Tod von Elisabeth hatte er nicht mehr mit den anderen essen können. Und einfach nur dabeizusitzen und den anderen voller Appetit zuzusehen, tat weh, deshalb blieb er fast allen Einladungen fern. Nur das jährliche Weihnachtsessen bildete da eine Ausnahme, weil Agnus und seine Frau für die ledigen Wächter eine besondere Lösung gefunden hatten.

„Mensch, John, dann musst du ja auch bald nicht mehr jagen gehen! Vinz ist heilfroh, dass er diesen Stress nicht mehr hat.“

Er hörte sich selbst schon wieder seufzen. Bald würde ihm Arabella das Schild „Jammerlappen“ umhängen.

„Ara, du stellst dir alles so einfach vor. Nur weil ihr Körper durch die Symbiose jetzt in der Lage ist, mehr und schneller Blut herzustellen und mich damit ganz allein ausreichend zu versorgen, heißt das noch lange nicht, dass sie mich auch von sich trinken lässt. Außerdem hast du vergessen, dass sich Lara damit endgültig an mich binden würde.“

„Ja, ja, bis der Tod euch scheidet. Stimmt auch wieder.“

Das Exmodel biss sich auf die Lippe.

„Scheiße! Entschuldigung, John, ich …“

„Lass uns einfach nicht mehr davon reden, okay?“

„Okay. Aber noch mal zurück zu Lara. Schau mal, Vinz und ich hatten auch einen schweren Start, aber wir sind trotzdem ein glückliches Paar geworden. Du weißt ja, dass ich während dieses Jahrhundertschneesturms beinahe mein Baby in seinem Pontiac bekommen hätte.“

Ja, daran erinnerte er sich genau. Vinz hatte alles versucht, um mit ihr rechtzeitig ins Krankenhaus zu kommen. Doch den schicken, schwarzen „Knight Rider“-Wagen hatte Vinz mehr durch den Schnee geschoben denn gefahren, während Ara sich drinnen unter Geburtswehen krümmte. Bald darauf hatte man sie auch noch auf einen anderen Kontinent entführt.

Wehe, einer würde das mit Lara versuchen! Er sah in ihr Gesicht und schwor sich, auf sie aufzupassen.

„Ach, was bin ich froh, dass ich diese schwierige Anfangsphase hinter mir habe. Na, wie ich sehe, bist du schon wieder mit Anstarren beschäftigt und willst wohl lieber allein mit ihr sein. Dann geh ich eben, aber lies wenigstens eins ihrer Bücher, wenn du doch sonst kaum was über sie weißt.“

„Tut mir leid, Ara, ich war in Gedanken. Ich bin im Moment kein guter Gesellschafter.“

„Schon gut.“

Das flippige Exmodel wuschelte zum Abschied noch einmal durch seine sowieso schon zerzausten Locken.

„Viel Glück mit Lara.“

Er wusste, das entsprang ihrem tiefsten Herzen, und damit verschwand sie dann auch ebenso schnell, wie sie gekommen war.


John erinnerte sich daran, dass Laras Abschiedsbrief auf Elias Schreibtisch lag. Er musste unbedingt wissen, was sie geschrieben hatte, was ihre Beweggründe und ihre letzten Gedanken waren. Also öffnete er kurz darauf die Tür mit dem Schild „Elias Reich“.

Das hatten sie ihm mal zum Geburtstag geschenkt, weil alle Wächter sein Büro so nannten. Der Ausdruck Computerzentrale hätte aber eher zu dem riesigen Raum gepasst, der mit der neusten und besten Elektronik vollgestopft war. Geld spielte dabei kaum eine Rolle. In einem abgetrennten Nebenraum standen die Server und ein kleiner, aber exquisiter Lagerbestand an nagelneuen Ersatzgeräten.

Von hier aus regelte und überwachte Elia für die Wächter alles, was auf computertechnischer Ebene möglich war. Das Genie hackte sich überall rein und löschte Informationen, die auf die Existenz von Vampiren hinwiesen.


Im Halbkreis um Elia standen ein grinsender Ambi und eine ebenso lächelnde Arabella. Die hielt, versteckt in einem grauen Aktendeckel, ein geöffnetes Buch und hatte anscheinend daraus vorgelesen.

Kaum dass er drin war, winkte Ambi ihn wieder raus.

„John, du störst, geh einfach wieder.“

Was hecken die beiden nur diesmal wieder aus? Eine Vorleserunde würden die zwei sicher nicht veranstalten. Bestimmt wieder eine von Ambrosius’ verrückten Wetten.

„Ich wollte nur den Abschiedsbrief von Lara holen.“

Ohne die Augen vom Bildschirm zu nehmen, deutete Elia auf seinen antiken Holzschreibtisch, dem einzigen ohne Monitor, an dem er auch die Urteile für das Tribunal per Hand niederschrieb. Passend zum Alter des Möbelstücks waren die Utensilien darauf: wertvolles Pergamentpapier, Siegel und Siegelwachs, Tinte und Feder.

Er nahm das weiße Kuvert mit der stilvollen Handschrift an sich, blieb dann aber, von Neugierde gepackt, doch an der Tür stehen.

„Was macht ihr hier eigentlich?“

Ara gab einen genervten Laut von sich, sagte aber nichts, sondern las einen einzelnen Satz vor. Immerhin ließ ihn sein bester Freund nicht hängen.

„Die beiden haben gewettet“ – eine Wette, typisch Ami, was sonst! –, „ob ich anhand eines Buches ein Phantombild erstellen und eine Person identifizieren kann.“

„John, musst du nicht auf Laras Vitalwerte achten?“

Ara, die definitiv versuchte, ihn loszuwerden. Jetzt würde er erst recht bleiben!

„Sarah hat mir Essen gebracht und wartet, bis ich zurück bin.“

„Und, Elia? Schon eine Idee, wer’s sein könnte?“

„Ich kenne diesen Mann, das weiß ich mit Sicherheit, aber es will mir einfach nicht in den Sinn kommen.“

Elias Rücken verdeckte John die Sicht auf den Monitor.

„Um was geht’s denn bei eurer Wette?“

Denn um Geld wurde bei ihnen nie gewettet. Davon hatten alle genug, nicht zuletzt durch geschickte, langfristige Finanzanlagen, beispielsweise in „Äpfel“, wie alle heute noch scherzten.

Agnus hatte damals eine junge aufstrebende Firma mit einer Obstplantage verwechselt und einer großen Investition zugestimmt.

„Falls wir gewinnen, steht Elia nachts Schmiere, wenn Ambi und ich im Hochseilgarten klettern, der schließt ja immer schon vor Einbruch der Nacht.“

„Und wenn ich gewinne“, erklärte Elia, „überreden sie Sarah, endlich mal wieder tagsüber auszugehen.“

Seit Elisabeths Tod hatte die Frau seines besten Freundes das Anwesen ohne ihren Mann, also bei Tageslicht, nur noch zu kurzen Einkäufen verlassen.

„Gib mir den nächsten Hinweis, Ara.“

„Okay, aber das ist dann der letzte.“

Hüpfend kam nun auch die kleine Alice hereingeplatzt, ihr strubbeliges Lockenköpfchen wippte mit ihren Schritten. Die Fünfjährige hielt eine Hand voller Haargummis hoch und zog mit der anderen an Aras Glitzershirt.

„Araaa? Kannst du mir wieder diese tausend Zöpfchen flechten? Mama hat keine Lust.“

„Ja, ja, gleich.“

Das kleine Mädchen merkte wohl, dass alle auf den Bildschirm starrten, den sie nicht sehen konnte. Neugierig schob sich Alice zwischen den Erwachsenen durch, um auch etwas zu sehen. Arabella und Ambi legten zwar vorsorglich den Zeigefinger auf den Mund, doch das störte sie herzlich wenig. Aufgeregt winkte die Kleine ihm zu und strahlte übers ganze Gesicht.

„John, John, komm her! Elia malt gerade ein Bild von dir!“

Elia lachte laut auf, während Ara schimpfte: „Mensch, Alice! Du hast uns den ganzen Spaß verdorben.“

Und Ambi murmelte: „Wer Kinder hat, braucht keine Feinde mehr.“

Sein Freund drehte sich zur Seite, damit er einen freien Blick zum Monitor hatte. Eindeutig! Das war er.

Arabella nahm den Aktendeckel weg, grinste von einem Ohr bis zum anderen und wedelte mit dem Buch in ihrer Hand.

„Du solltest dieses Buch wirklich lesen. Du kommst nämlich darin vor!“

Sie deutete auf die Phantomzeichnung.

Er hob verwirrt eine Augenbraue.

„Na ja, zumindest sieht ihr Ritter genauso aus wie du, das haben wir gerade bewiesen.“

„Diese Lara könnte mich ruhig auch mal in einen ihrer Romane schreiben“, meinte Ambi. „Die meisten Frauen fangen an zu sabbern, wenn sie mich sehen.“

„Erst mal muss John sie zum Bleiben überreden, Mister Bombastic!“, entgegnete Arabella und schubste Ambi, mit Alice im Schlepptau, durch die offene Tür.

Kaum war sie draußen, zwinkerte Elia ihm zu und nickte zum Phantombild.

„Siehst du, John? Bei ihr muss es ordentlich gefunkt haben, wenn sie dich sogar als Held in ihren Roman schreibt.“

Ihm wurde auf einmal warm im Gesicht.

„Vielleicht sind ihr ja nur die Ideen ausgegangen und ich war gerade da.“

„Einer Frau, die so viele Bücher schreibt, mangelt es wohl kaum an Ideen, mein Freund. – Ähm, John?“

„Ja?“

„Du bist gerade rot geworden. Gib’s zu, dich hat’s auch erwischt.“

Jetzt schüttelte sein Freund auch noch amüsiert den Kopf.

„Was denn noch, Elia?“

„Du warst früher einer unserer besten Schwertkämpfer und hast dich furchtlos allen Zweikämpfen gestellt, aber angesichts dieser Lara wirst du feige.“

„Werd ich nicht!“ Nur schnell raus hier!

„Wirst du doch!“


Nachdem John seinen Gaumen durch Sarahs zartes Rehragout mit frischen Pfifferlingen verwöhnt hatte, ließ er sich wieder genüsslich in seinem bequemen Clubsessel nieder, den er neben Laras Bett gestellt hatte. Dieser Sessel war sein absolutes Lieblingsstück; in England handgearbeitet, aus braunem Nappaleder, so weich wie ein Handschuh. Hier würde er auch die wenigen Stunden Schlaf verbringen, die ein Vampir benötigte.

Arabella konnte andere wirklich gut einschätzen, dachte er schmunzelnd, denn solange Lara noch schlief, würde er an ihrem Bett, das ja eigentlich seines war, einfach sitzen bleiben.


Doch dann kam der Tag, an dem er unruhig im Schlafzimmer auf und ab tigerte …

Endlich – jeden Moment war es so weit und Lara würde wieder aufwachen. Die Bandagen und Kanülen waren entfernt worden und die Überwachungsgeräte wieder auf der Krankenstation.

Diese Tage, in denen sie durch den Tiefschlaf so leblos vor ihm gelegen hatte, waren ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen. Er konnte kaum erwarten, endlich in ihre grünbraunen Augen zu blicken, Bewegung in ihren Gliedern zu sehen, und er musste aus ihrem eigenen Mund hören, dass es ihr gut ging – bis auf diesen rätselhaften Tumor.

Wieder und wieder hatte er sich taktisch kluge Sätze überlegt und verworfen, die sanft und schonend erklären sollten, dass er ein Vampir sei und was mit ihr geschehen war. Auf keinen Fall wollte er sie erschrecken oder dass sie Angst vor ihm hätte, dabei wurde seine eigene Angst, das Falsche zu sagen, immer größer.

Alva hatte über seine anfängliche Zuversicht, das als Taktiker problemlos zu managen, gelacht – kein Wunder.

Im schlimmsten Chaos blieb er sonst immer noch ruhig, aber jetzt kam er sich vor wie ein aufgescheuchtes Huhn.

Er entwickelte zwar für alle möglichen Krisensituationen Pläne, Evakuierungsabläufe und Notfallprotokolle, aber wie viel Erfahrung hatte er schon mit Frauen? Elisabeth war seine einzige Geliebte und Gefährtin in über 600 Jahren gewesen. Oft reichte ein Lächeln oder ein Kopfnicken, wo am Anfang ihrer Beziehung lange Erklärungen nötig gewesen waren. Nach so vielen Jahrhunderten hatte er Elisabeth in- und auswendig gekannt. Elisabeth.

War das hier mit Lara überhaupt richtig?

Ehe er diesen Gedanken zum wiederholten Mal weiterführen konnte, registrierte er, dass Laras Lider flatterten. Also zwang er sich dazu, im Sessel Platz zu nehmen, um so harmlos und unbedrohlich wie möglich zu wirken. Für den Instinkt der Menschen stellten Vampire aber weder das eine noch das andere dar – nicht ganz zu Unrecht.


Unsterblich geliebt

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