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Wie pädagogische Fach- und Lehrkräfte sich dem Thema nähern können

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Erwachsene erzählen, dass es weniger der Tod eines geliebten Menschen war, der bei ihnen als Kind zu einer Überforderung und Verdrängung des Verlustes führte. Vielmehr waren es die Begleitumstände, wie der Ausschluss aus der Trauergemeinschaft, eine mangelnde entwicklungsgemäße Beteiligung und fehlende klärende Gespräche, die eine angemessene Bewältigung des Verlusts verhinderten.

Ein Todesfall im Familien- oder Freundeskreis sollte die Betroffenen zueinander bringen, um gemeinsam zu trauern, zu trösten und Trost zu empfangen, Trauergefühle miteinander zu leben, Verständnis für die Gefühle anderer zu zeigen und darüber zu sprechen. Wenn solche wichtigen Erfahrungen fehlen, verankern Kinder und Jugendliche in ihren Selbstkonzepten: Trauer bedeutet Gefühlskälte, keine Emotionen zeigen, nicht miteinander reden, Totschweigen, keine Informationen bekommen und mit seinen Ängsten allein sein. So wie Menschen nicht nicht kommunizieren können (Paul Watzlawick) können sie nicht nicht Erfahrungen sammeln. Eine jede Erfahrung, auch eine „Nicht-Erfahrung“ (die es in diesem Sinne nicht gibt) ist eine Erfahrung. Wenn Kinder „keine“ Erfahrungen in diesem Thema sammeln dürfen und mit ihren Eindrücken und Erlebnissen allein gelassen werden, führen diese Erfahrungen zu einer Verdrängung und Tabuisierung der Thematik.

Wenn Kinder von Erwachsenen immer wieder zu hören bekommen „Dafür bist du noch zu klein!“, besteht die Tendenz, dass sie im späteren Erwachsenenleben diesen Satz und die damit verbundene Haltung wiederum an Kinder weitergeben. Aber wer ist damit eigentlich gemeint? Der Erwachsene oder das Kind? Ich tippe auf den Erwachsenen, der mit den neugierigen Fragen oder Trauergefühlen eines Kindes nicht klarkommt. „Dafür bist du noch zu klein“ könnte bedeuten: Ich Erwachsener fühle mich mit dem Thema klein. Ich bin damit überfordert, weil es in mir als Kind und Jugendlicher nicht wachsen konnte und ich mit der Thematik nicht er-wachsen wurde. Von einem Erwachsenen muss ein Kind jedoch erwarten können, dass er Schutz, Halt und Sicherheit gibt, insbesondere in Situationen, die verunsichern. Eine solche Situation ist gegeben, wenn ein für das Kind bedeutsamer Mensch im Sterben liegt oder verstorben ist. Insbesondere für Tagespflegeeltern, pädagogische Fach- und Lehrkräfte, die mit Kindern professionell arbeiten, ist es wichtig, dass sie ihre persönlichen Erfahrungen im Zusammenhang mit Sterben, Tod und Trauer reflektieren, um sich dieser bewusst zu werden. Damit kann verhindert werden, dass unbewusst und unreflektiert an Kinder weitergegeben wird, was man selbst als Kind und Jugendlicher erlebt und erfahren hat.

In meinen weiteren Ausführungen beschreibe ich einfache Methoden, die Impulse geben, um sich dem Thema „Sterben, Tod, Trauer“ behutsam anzunähern. Die Methoden sind kein Ersatz für Gespräche, die im Rahmen von Supervisionen und therapeutischen Settings stattfinden. Sie bieten vielmehr Gelegenheiten, sich miteinander auszutauschen, gemeinsam zu reflektieren und zu erfahren, wie gut es tun kann, sich dieser Thematik achtsam und in kleinen Schritten anzunähern. Manchen Menschen fällt es leichter und anderen schwerer, sich für dieses Thema zu öffnen. Dies ist verständlich, weil die Erfahrungen diesbezüglich sehr unterschiedlich sein können. Jede Person entscheidet deshalb für sich, wie weit sie sich öffnen, ob und was sie von sich selbst mitteilen möchte. Es kann passieren, dass im Austausch plötzlich Tränen fließen, was bei diesem Thema völlig angemessen ist. Die vorgestellten Übungen können im privat-persönlichen Bereich im Kreis der Familie und mit Freunden, im sozialpädagogisch-professionellen und schulischen Bereich mit Kolleginnen und Kollegen, im Rahmen von Team- und Weiterbildungstagen praktiziert werden. Für die Arbeit im beruflichen Kontext empfehle ich, dass die Gruppe bespricht und vereinbart, wie sie miteinander arbeiten möchten. Hierfür können Gesprächs- und Verhaltensregeln sehr nützlich sein, beispielsweise:

 Ich bestimme, was ich sage und tue.

 Ich spreche per ich und nicht per man.

 Ich bin respektvoll und wertschätzend.

 Ich bemühe mich, achtsam und einfühlsam zu sein.

 Ich versuche, nicht zu bewerten.

 Ich beachte die Schweigepflicht.

Praxistipp: Kartenset mit Reflexionsfragen zum Thema Tod, Verlust, Trauer

Die Impulsfragen, die im Folgenden bei den verschiedenen Methoden formuliert sind, sind im Handel auch als praktisches Kartenset erhältlich: Umgang mit Tod, Verlust und Trauer. Reflexionsfragen für ErzieherInnen und Grundschullehrkräfte (Margit Franz, München 2021, EAN 426017951 690 0)

Hinweis: Die bei den Impulsfragen in Klammern stehenden Verweise (z. B. „Karte 1“) im Text dieses Buches beziehen sich auf die Nummerierung der Karten. Das Kartenset eignet sich gleichermaßen zur Reflexion im Team als auch für eine persönliche Befassung mit den eigenen biografischen Erfahrungen zum Thema Tod, Sterben, Abschied und Verlust.

Tabuthema Trauerarbeit - eBook

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