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„Wer ist hier der Boss?“

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Es herrscht die allgemeine Überzeugung, dass wir nur das tun müssen, was unser Körper entsprechend seiner Entwicklung von uns verlangt, damit es uns gut geht und wir glücklich sind. Beispielsweise wären die meisten Menschen gesünder, wenn sie zu einer Ernährung wie in der Altsteinzeit aus ganzheitlicher Nahrung und Proteinen zurückkehren würden, ohne raffinierten Zucker und Stärke. Die gleiche Logik bedeutet: Wenn wir eben dazu geschaffen sind, sexuelle Sättigung zu verfolgen, wann immer sich die Gelegenheit dafür bietet, sollten wir dann nicht am glücklichsten sein, wenn wir unser Intimleben entsprechend einrichten?

Diese Logik setzt voraus, dass wir zu unserem eigenen Vorteil programmiert sind. Doch die Evolution hat uns nicht für unser individuelles Wohlergehen ausgestattet, sondern für den Erfolg unserer Gene. Und was dient Ihren Genen? Zwei Dinge. Zum Ersten: viele Befruchtungsversuche. Das erleben Sie als den Drang, sich sexuell zu erschöpfen, wann immer Sie die Möglichkeit dazu haben. Zum Zweiten: unterschiedliche Eltern für Ihren Nachwuchs. Sie erleben dies als Desillusionierung vom Mythos der sexuellen Exklusivität.

Und was dient Ihnen selbst am meisten? Ein stabiles emotionales Band mit einem Partner, Harmonie, viel Zuneigung, großzügige Berührung und ein verlässlicher Weg, um sexuelle Frustration zu erleichtern. Eine Handvoll von glücklichen Paaren finden ihren Weg zu diesem Gleichgewicht auf natürliche Art und Weise, doch die meisten von uns sind aufgrund unserer genetischen Programmierung keine monogamen Schwäne.

Wie schaffen es unsere Gene, uns dazu zu bringen, unser sexuelles Begehren aneinander zu erschöpfen, anstatt für Harmonie zu sorgen? Neue Vorstöße in der Gehirnforschung (insbesondere in der Neuroendokrinologie) zeigen, dass die Desillusionierung zwischen Liebenden möglicherweise weniger mit Kommunikation oder Kompatibilität zu tun hat als wir dachten, und mehr mit einer primitiven Nervenbahn, die durch unser Säugetiergehirn (das limbische Gehirn) läuft und die wir unter dem Begriff Belohnungskreislauf kennen. Diese Gruppierung von Strukturen stellt sicher, dass wir große neurochemische „Belohnungen“ erhalten, wenn wir einen neuen Partner suchen und uns mit heißem Sex befassen oder auch nur an das eine oder andere denken.

Der neurochemische Gewinn im Moment des Orgasmus fühlt sich an, als würde er die Bindung unterstützen. Doch diese Art von Bindung ist fragiler als wir gern zugeben. Beim Höhepunkt löst eine neurochemische Explosion für ungefähr zwei Wochen weitere Ereignisse aus. Diese Fluktuationen tief im Gehirn treiben uns zu sexueller Sättigung und subtilen Stimmungswechseln, die häufig für emotionale Spannung zwischen Liebenden sorgen (Amors Gift). Resultierende Unruhe lässt uns außerdem sehr anfällig für jedes Versprechen schneller Erleichterung werden – ein anderer potentieller Partner (real oder virtuell) ist eine der verlockendsten Varianten. Auf diese Art und Weise stellt sich der Orgasmus als etwas heraus, das wir mit der Zeugung von Kindern in Zusammenhang bringen, und damit, sie mit verschiedenen Partnern zu zeugen.

Kurz gesagt, unsere Ränke schmiedenden Gene haben den menschlichen Willen ihrem eigenen Ziel unterworfen. Wenn Sie jedoch einmal die Mittel verstehen, die unsere Gene dabei einsetzen, ihre unerwarteten Auswirkungen auf Sie selbst und Ihre Beziehungen und eine praktikable Alternative kennenlernen, um sexuelle Spannung aufzulösen und Zufriedenheit zu finden, dann werden Sie besser in der Lage sein, sich zu entscheiden, ob Sie unter ihrem Zauberbann bleiben möchten.

Wir Menschen sind insofern einzigartig unter den Säugetieren, als wir die Fähigkeit haben, unser unbewusstes Paarungsprogramm zu durchschauen und uns entscheiden zu können, es bewusst zu steuern. Dies ist ein Segen, weil es uns in harmonischen Beziehungen mit einem hohen Maß an Vertrauen besser geht als in einem sinnlosen Paarungstanz, der choreografiert wurde, um das Spermium zum Ei zu bekommen, uns lang genug miteinander zu verbinden, dass zwei Elternteile sich mit ihrem Nachwuchs verbinden, und uns dann zu einem neuen Partner treiben.

Die meisten von uns fühlen, dass der Gewinn aus dem Empfinden tiefer Fürsorge für einen anderen Menschen, dem wir vertrauen, sehr wertvoll ist. Als Säugetiere mit Paarbindung sind wir in der Tat dazu geschaffen, solche Verbindungen als sehr vorteilhaft zu empfinden. Vertraute Partnerschaft und liebevolle Berührung verändern nicht nur unseren Blick auf das Leben zum Positiven, sondern sie verbessern auch unsere physische Gesundheit und reduzieren Stress.

Sexuelle Intimität, die all dies kann, ist wirklich großartiger Sex. Und um dies dauerhaft zu erleben, ist alles, was wir tun müssen, verliebt zu bleiben. Wenn die Logik die Herrschaft hätte, wäre das auch so. Die Probleme entstehen, wenn unsere Gene die Herrschaft haben und die Nachwirkungen ihres Prämiensystems (ungezähmte Leidenschaft) Liebende trennt, weil sich ihre Begierde füreinander erschöpft. Wie mein Mann Will es ausdrückt: „Der Evolution ist es scheißegal, ob wir glücklich, treu und lebenslang zusammen sind.“ Aus diesem Grund erben wir eine ungute Spannung zwischen unserem „Noch-ein-Partner“-Programm und unserem Paarbindungsprogramm.

Um mit dieser Situation umgehen zu können, empfahlen unter anderen die chinesischen Taoisten, sich dem ruhigen Liebesspiel ohne ­Orgasmus zuzuwenden, es sei denn, eine Empfängnis ist erwünscht. Dieser ungewohnte Zugang löst nämlich nicht unsere unbewussten Paarungspro­gramme mit dem „Noch-ein-Partner“-Untertitel aus. Das Geschenk dieses Zugangs besteht nicht allein darin, dass er es den Liebenden erlaubt, häufig Geschlechtsverkehr zu haben, ohne dass sich sexuelle Frustration aufbaut. Sondern er macht sich auch den Vorteil eines weiteren eingebauten Säugetierprogrammes zunutze: das Bindungsprogramm. Es hat sich entwickelt, um uns an unsere Kinder und Eltern zu binden, kann aber auch unsere romantischen Beziehungen stärken und schützen. Es in Gang zu halten, ist mühelos, wenn wir eine Reihe von einfachen Auslösern beherrschen bzw. eigentlich uns nur wieder daran erinnern. Die Ergebnisse davon sind mehr Harmonie und Wohlbefinden und, bemerkenswerterweise, weniger sexuelle Frustration.

Das Gift an Amors Pfeil

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