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2. Der Aufbau der SS-Totenkopfverbände

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Neben der Verfügungstruppe als militärischem Arm der SS gingen aus den Wachmannschaften der Konzentrationslager die von Theodor Eicke geführten SS-Totenkopfverbände hervor.24 Eicke, Jahrgang 1892, war im 1. Weltkrieg Zahlmeister und schloß sich 1928 den Nationalsozialisten an. Himmler betraute ihn im Juni 1933 mit der Leitung des neu errichteten Konzentrationslagers Dachau.25 Das Terrorsystem gegen die Häftlinge und speziell gegen Juden wurde unter Eickes Ägide wesentlich erweitert und perfektioniert. Bei der Ausbildung der SS-Wachmannschaften legte der überzeugte Antisemit besonderen Wert auf die Vermittlung von radikalem Judenhaß. In den Mannschaftsunterkünften und im Lager ließ er den „Stürmer“ aushängen, er selbst hielt antisemitische Vorträge vor seinen Männern. Die jüdischen Häftlinge in Dachau waren Eickes persönlichen Sondermaßnahmen und immer neuen Formen physischer und psychischer Folter ausgesetzt. So wurden jedesmal, wenn der Lagerkommandant von kritischen Berichten über die Konzentrationslager aus der ausländischen Presse erfuhr, die Baracken der jüdischen Häftlinge für mehrere Wochen zugenagelt. Sie waren dann gezwungen, ständig in den dunklen Unterkünften zu liegen.26

Bei der Errichtung seines ausgefeilten Terrorsystems im Konzentrationslager Dachau verfuhr Eicke so ‚erfolgreich‘, daß er von Himmler bald zu Höherem ausersehen wurde. Eine besondere Rolle spielte er bei der Liquidierung der SA-Führung am 30. Juni 1934. Nicht nur, daß seine Dachauer Wachmannschaft diverse Führer verhaftete und im Gefängnis München-Stadelheim inhaftierte. Nachdem Hitler am 1. Juli den Tod des SA-Chefs Ernst Röhm beschlossen hatte, suchte Eicke ihn auf eine Anweisung Himmlers persönlich in seiner Zelle in München-Stadelheim auf. Er erschoß den SA-Führer, nachdem dieser seine Selbsttötung verweigert hatte.27 In Anerkennung dieser Verdienste wurde Eicke zehn Tage später zum „Inspekteur der Konzentrationslager und Führer der SS-Wachverbände“ ernannt. Bis zum Sommer 1937 hatte er das gesamte Lagersystem reorganisiert, die zahlreichen kleinen Standorte geschlossen und vier zentrale Konzentrationslager errichtet. Die Namen der Lager Dachau, Buchenwald, Sachsenhausen und des reinen Frauenlagers bei Lichtenburg wurden für die Menschen, die die Nationalsozialisten aus dem Kreis ihrer Volksgemeinschaft ausgeschlossen hatten, schnell zu Synonymen des Schreckens.28

Neben der Perfektionierung des Systems der Lager widmete sich Eicke der beständigen Erhöhung der Gesamtstärke und einer effizienteren Ausbildung seiner Wachmannschaften. Bis zum März 1935 hatte er die SS-Totenkopfverbände in sechs Sturmbanne in ungefährer Bataillonsgröße gegliedert, die bei den wichtigsten Konzentrationslagern stationiert waren. Seit dem Reichsparteitag im gleichen Jahr waren die SS-Sturmbanne einerseits als Verbände der Partei im Dienste des Reiches offiziell anerkannt. Andererseits ermöglichte erst dieser Status die bald darauf erfolgte Übernahme der Unterhaltskosten durch den Reichshaushalt – ein Umstand, der den weiteren Ausbau dieser SS-Verbände überhaupt erst ermöglichte. Bei Himmler erreichte Eicke im März 1936 eine Vergrößerung der Totenkopfverbände von 1800 auf 3500 Mann. Einen Monat später gab Himmler den Wachmannschaften offiziell die Bezeichnung „SS-Totenkopfverbände“.29 Im September 1937 vergrößerte der rastlose Eicke die bestehenden fünf Sturmbanne zu drei SS-Totenkopfstandarten in Regimentsgröße, die bei den Hauptlagern stationiert wurden. Die SS-Totenkopfstandarte 1 „Oberbayern“ lag in Dachau, die Standarte 2 „Brandenburg“ in Sachsenhausen bei Berlin und die 3. Standarte „Thüringen“ hatte ihren Standort in Buchenwald bei Weimar. Nach dem Anschluß Österreichs wurde 1938 noch eine 4. Standarte „Ostmark“ für die Bewachung des neu errichteten Konzentrationslagers Mauthausen aufgestellt.30 Die Verbände hatten nunmehr eine Stärke erreicht, die ihren militärischen Charakter nachhaltig unterstrich und weitere Regelungen für deren organisatorische Zukunft erforderlich machte.

Der angesprochene Erlaß Hitlers vom 17. August 1938 bedeutete auch für Eickes Truppe eine Bestätigung ihrer militärischen Ausrichtung. Grundsätzlich wurde den Verbänden damit als „stehende bewaffnete Truppe der SS“ die reichlich weit gefaßte „Lösung von Sonderaufgaben polizeilicher Natur“ zugewiesen. Durch den Erlaß wurde außerdem bestimmt, daß entweder durch einen persönlichen Befehl Hitlers oder im Mobilisierungsfall eine sogenannte Verstärkung der SS-Totenkopfverbände als zusätzliche Polizeitruppe aufgestellt werden würde. Als Stammeinheiten dieser neuen Verbände, deren Umfang noch nicht weiter konkretisiert wurde, sollten Teile der bisherigen Totenkopfverbände dienen.31 In dem späteren Führererlaß vom 18. Mai 1939 wurde die Bestimmung der anvisierten zusätzlichen SS-Einheiten weiter konkretisiert. Hitler legte darin die Größenordnung der als Polizeiverstärkung bezeichneten Truppe auf eine Stärke von 25 000 Mann fest. Zusätzlich wies der Erlaß den geplanten Verbänden noch die Aufgabenstellung zu, „Ersatz für Ausfälle an Kämpfern in der SS-Verfügungstruppe“ zu stellen, womit der militärische Charakter dieser Einheiten ebenfalls deutlich betont wurde.32

Mit dem Krieg gegen Polen begann der eigentliche Aufschwung der SS-Totenkopfverbände. Die drei Standarten „Brandenburg“, „Thüringen“ und „Oberbayern“ waren im Rücken der deutschen Armeen zur „Säuberung“ des eroberten Landes eingesetzt.33 Gleichzeitig wurden die verstärkten SS-Totenkopfstandarten aufgestellt. Das Personal für die neuen Verbände stellten zum geringen Teil Freiwillige aus der NSDAP und der SA sowie ganz wesentlich Männer aus den Reihen der Allgemeinen SS.34 Gestützt auf eine Notdienstverordnung vom 15. Oktober 1938 wurden zwischen Herbst 1939 und Frühjahr 1940 ungefähr 36 000 Mitglieder der Allgemeinen SS als Freiwillige rekrutiert.35 Diesem rasanten Ausbau stand die Wehrmacht machtlos gegenüber. Nachdem der Oberbefehlshaber des Heeres, Walther von Brauchitsch, im März 1940 von weiteren Neuaufstellungen erfahren hatte, bat er den „sehr verehrten Herrn Reichsführer“ im „Interesse einer reibungslosen Zusammenarbeit“ nur noch um einen Gesprächstermin, um von dessen Plänen zumindest Kenntnis zu erlangen.36

Bis 1940 entstanden so 13 weitere SS-Totenkopfstandarten sowie ein berittener SS-Verband. Allein zwischen Anfang März und Ende Juli 1940 stieg damit die Gesamtstärke aller Standarten von 18 779 auf 34 325 Mann.37 Bis zum Ende des Jahres wurden allerdings die 9., 12., 13., 15. und 16. Totenkopfstandarte wieder aufgelöst, um mit den jüngeren Jahrgängen die Mannschaften der übrigen Einheiten aufzufüllen.38 Die verbliebenen Truppen wurden ab September nach dem Vorbild motorisierter Infanterieregimenter der Wehrmacht umgegliedert. Im Februar 1941 verschwand der Begriff SS-Totenkopfstandarte, statt dessen wurde unter Beibehaltung der bisherigen Numerierung die dienstliche Bezeichnung „SS-Infanterieregiment“ eingeführt.39 Als Merkmal des quantitativen Aufschwungs und der zunehmenden Professionalisierung beider Linien der bewaffneten SS begann sich ab Anfang November 1939 mit dem Begriff „Waffen-SS“ auch eine einheitliche Bezeichnung für die Truppen durchzusetzen.40 Das war Teil einer Strategie zur Durchsetzung der Ausbaupläne gegenüber der Wehrmacht. Anders als im Fall der Verfügungstruppe war der Dienst in den Totenkopfverbänden bisher nicht als Wehrdienst anerkannt worden. Die begriffliche Auflösung dieses entscheidenden Unterschieds ermöglichte einen wichtigen Schritt zur weiteren Verselbständigung der gesamten bewaffneten SS gegenüber der Wehrmacht.41

Mit der Herausbildung einer einheitlichen Linie innerhalb der Waffen-SS entstand auch der Bedarf an einer gemeinsamen Führungsebene. Dazu wurden im Mai 1940 sowohl die Inspektion der Verfügungstruppe als auch das Pendant bei der Totenkopf-Division in den für Ersatzfragen zuständigen Stab des Kommandos der Waffen-SS eingegliedert.42 Anfang August 1940 wurde auch die Inspektion der Totenkopfstandarten aufgelöst und sämtliche Verbände dem Kommando der Waffen-SS unterstellt.43 Mit der Gründung des SS-Führungshauptamtes am 15. August 1940 war dann die Institution geschaffen, die künftig alle Einheiten der Waffen-SS aufstellte und ausrüstete. Himmler leitete das neue SS-Amt anfangs persönlich. Als sein Chef des Stabes fungierte der 46-jährige Hans Jüttner, der damit der zentrale Organisator des weiteren Ausbaus der Waffen-SS wurde. In Bestätigung dieser Rolle ernannte ihn Himmler am 30. Januar 1943 zum Chef des SS-Führungshauptamtes.44

Nach langen Jahren systematischer Vorbereitung gegen den Widerstand der Wehrmacht hatte der Krieg die willkommene Gelegenheit zur Zusammenführung beider Linien der bewaffneten SS sowie zu einem weiteren vehementen Ausbau der Truppen geboten. Damit war innerhalb des SS-Apparats eine militärische Elite geschaffen, die den Leitbildern des Nationalsozialismus aufs Engste verpflichtet war und beanspruchte, dessen Ideologie auch im Kampf gegen den Gegner auf dem Schlachtfeld in besonderer Weise verpflichtet zu sein. Heinrich Himmler fühlte sich der Waffen-SS trotz vielfältiger anderer Aufgaben immer besonders verbunden. Allein ein Blick in seinen Dienstkalender verrät aufgrund der unzähligen Besprechungen und Termine, wie wichtig er den Bereich der ideologischen Führung und des weiteren Ausbaus der Waffen-SS nahm. Im Verlauf der rasanten Entwicklung zeigten sich jedoch auch die Schattenseiten. Zum Erhalt der militärischen Einsatzfähigkeit der SS-Verbände mußte der selbstgewählte Eliteanspruch in Bezug auf das eigene Personal beständig zurückgeschraubt werden. So entsprachen die deutschen Rekruten und europäischen Freiwilligen der späteren Jahre kaum mehr den ursprünglichen elitären physischen Auslesekriterien der Anfangszeit.45

Ein Teil der ab 1939 neu geschaffenen verstärkten SS-Totenkopfstandarten wurde auch im deutsch besetzten Polen aufgestellt und ausgebildet. Zwischen Herbst 1939 und Frühjahr 1940 wurden die 8. bis 12. und die 15. SS-Totenkopfstandarte in den Städten Warschau, Krakau, Bromberg, Lauenburg, Radom, Lublin, Posen, Litzmannstadt, Plock und Allenburg stationiert.46 Parallel zu ihrer Ausbildung nahmen die neuen Verbände Aufgaben als Besatzungstruppen wahr. Sieben dieser zeitweise in Polen stationierten Totenkopfstandarten sind für die vorliegende Studie von besonderer Bedeutung; aus ihnen ging ein Großteil jener Verbände hervor, die 1941 die Truppen des Kommandostabes Reichsführer-SS bildeten. Zu diesen Einheiten gehörten die beiden Totenkopf-Reiterstandarten und die 5., 8. und 10. SS-Totenkopfstandarte. Hinzu kamen die 4. und 14. Standarte, die erst im Vorfeld des Angriffs auf die Sowjetunion nach Polen verlegt wurden.47

Die SS-Kavallerie ging im Kern aus der Hauptreitschule der SS in München-Riem hervor. Deren Leiter war der am 30. Oktober 1906 in Ansbach geborene Hermann Fegelein. Nach dem Abitur begann er in München ein staatswissenschaftliches Studium, welches er nach wenigen Semestern wieder abbrach. Anschließend bewarb er sich mit Unterstützung seines Vaters, eines Leutnants im Ersten Weltkrieg, bei der Bayrischen Landespolizei, wo er im April 1927 eine Ausbildung zum Offiziersanwärter antrat. Fegelein war erfolgreich, wenn es auch einmal in einer Beurteilung hieß, er habe Probleme, „seinen Ehrgeiz in gesunden Bahnen zu halten“.48 Dieser Ehrgeiz war es auch, der ihn im Sommer 1929 zum Ausscheiden aus dem Polizeidienst zwang. Es drohte bekannt zu werden, daß der junge Offiziersanwärter in das Zimmer eines Vorgesetzten eingebrochen war, um in den Besitz der Fragen zu einer Lehrgangsprüfung zu kommen. Nach dem peinlichen Abgang arbeitete der verhinderte Polizeioffizier in der Reitschule seines Vaters und wandte sich spätestens in der Zeit den Nationalsozialisten zu. Offiziell trat Fegelein im August 1932 in die NSDAP und als „Märzgefallener“ am 10. April 1933 in die Allgemeine SS ein. Dort machte er schnell Karriere. Anfangs führte er einen Reitersturm, bis ihm im Juni 1936 die Leitung der SS-Hauptreitschule übertragen wurde. Fegelein, sein ebenfalls dort angestellter Bruder Waldemar und andere Angehörige der Schule sorgten im Reitsport regelmäßig für Furore. Sie gewannen wichtige Reitturniere im In- und Ausland und entschieden den prestigeträchtigen Wettkampf mit der Wehrmacht häufig für sich.49

In wiederholten Eingaben an Himmler hatte Fegelein schon ab 1938 versucht, seine erfolgreiche Truppe direkt dem Persönlichen Stab Reichsführer-SS anzugliedern. Ausschlaggebend dafür war seine wohl nicht ganz unbegründete Befürchtung, die Wehrmacht könne sich im Mobilisierungsfall die SS-Reiter inklusive der wertvollen Pferde einverleiben. Himmler lehnte das Ansinnen ab, stellte aber eine Verwendung bei den Totenkopfverbänden in Aussicht. Offiziell wurde die Hauptreitschule am 14. September 1939 den verstärkten Totenkopfstandarten unterstellt und es wurde mit der Aufstellung einer eigenen Kavallerieeinheit begonnen.50 Die für diesen Verband vorgesehenen Männer kamen hauptsächlich aus den Reiterstandarten der Allgemeinen SS. Das Personal wurde zwischen dem 15. und 21. September in Berlin zusammengezogen und von der „Leibstandarte Adolf Hitler“ eingekleidet. Mit den vorhandenen 451 Männern konnten vier Schwadronen aufgestellt werden, die am 22. September im Bahnhof Berlin-Grunewald verladen und nach Polen verlegt wurden.51

Dort wurden zwei SS-Reitstaffeln gebildet, von denen die 1. mit den Schwadronen 1 und 4 ab Ende September im Raum Lodsch stationiert war, während die Reitstaffel 2 mit den Schwadronen 2 und 3 in der Gegend von Posen Quartier bezog. Nominell der Ordnungspolizei unterstellt, fanden die Reitstaffeln mit Einsatzbeginn als Polizeiverstärkung Verwendung. Allein die 2. Schwadron wurde dazu ab dem 12. Oktober 1939 in 19 Teileinheiten, bestehend aus jeweils drei bis vier Reitern und einem SS-Unterführer, aufgeteilt und zur Verstärkung einzelner Gendarmerieposten in der gesamten ehemaligen Provinz Posen abkommandiert.52 Mitte November 1939 wurde auf Befehl Himmlers aus der „Berittenen Abteilung“ dann eine personell wesentlich erweiterte „SS-Totenkopf-Reiterstandarte“ mit 13 Schwadronen gebildet. Die einzelnen Schwadronen lagen im sogenannten Generalgouvernement in den Städten Warschau, Krakau, Lublin, Radom, Kielce, Tarnow, Chelm, Zamosc, Garwolin und Seroczyn. Eine weitere Schwadron war in Lucmierz, einem etwa 15 Kilometer nördlich von Lodsch im neugebildeten Reichsgau Wartheland gelegenen Ort stationiert, wo zudem eine SS-Unterführerschule für den Kavallerieverband eingerichtet wurde.53

Zeitgleich mit der massiven personellen Aufstockung wechselte das Unterstellungsverhältnis. Die Reiterstandarte war seit Mitte November 1939 nicht mehr der Ordnungspolizei, sondern der gerade entstehenden Waffen-SS unterstellt. Organisatorisch unterstanden die Männer künftig dem Generalinspekteur der verstärkten SS-Totenkopfstandarten im SS-Hauptamt, während der Höhere SS- und Polizeiführer im Generalgouvernement die territoriale Befehlsgewalt ausübte.54 Die Kavallerietruppe legte sich in dieser Zeit den überaus sinnigen Wahlspruch „Richte Dein Pferd geradeaus und reite es vorwärts“ zu.55 Deren Stab lag in Warschau und machte dort durch abenteuerliche Korruptionsfälle auf sich aufmerksam. So verkauften Reiteroffiziere dem dortigen Truppenwirtschaftslager der SS geraubte Luxuswaren im Wert von 12 000 Reichsmark. Albert Faßbender, einem Stabsoffizier, wurde als Liquidator das bedeutendste, ehemals in jüdischem Besitz befindliche Pelzunternehmen in Warschau übertragen. Mit dessen Geschäftsführerin, einer Halbrussin, hatte er bald ein gemeinsames Kind. Außerdem soll Faßbender während der Liquidation des Unternehmens umfangreiche Geldbeträge unterschlagen haben. Der Stab war außerdem am Versuch beteiligt, dreizehn Millionen außer Kurs gesetzte Zloty in gültige Währung umzutauschen, was letztlich jedoch mißlang. Schließlich durchsuchte die Gestapo München im März 1940 die dortige SS-Hauptreitschule, wo sich Berge geraubter Güter aus Polen fanden.56 Schon da zeigte sich, daß Kommandeur Fegelein als Hauptverantwortlicher für die Korruption unter dem besonderen Schutz Himmlers stand. Dieser sorgte dafür, daß die SS-internen Untersuchungen im Sande verliefen.

Zusätzlich zu der bestehenden Reitereinheit wurde im Mai 1940 mit der Bildung einer 2. SS-Totenkopf-Reiterstandarte begonnen. Beide Standarten sollten mittelfristig eine Stärke von jeweils 1600 Mann aufweisen.57 Da sich die Schaffung getrennter Kommandostrukturen und die Aufteilung des sich noch in Ausbildung befindlichen Personals in zwei Standarten jedoch als wenig praktikabel erwies, wurden die Einheiten auf Anordnung des Kommandoamtes der Waffen-SS Mitte November 1940 wieder zusammengelegt.58 Im März 1941 erhielten die Reiterstandarten die Bezeichnung SS-Kavallerieregiment 1 und 2, wobei das 2. Regiment dem Ersten nominell zunächst unterstellt blieb.59 Mitunter kollidierte die laufende Ausbildung der Truppe mit den längst stattfindenden Einsätzen. Die 1. Schwadron des SS-Kavallerieregiments 1 meldete Mitte März an den Regimentsstab: „Durch wöchentliche Exekutionen, Durchsuchungen, Razzien, konnte der Dienstplan meist nicht voll eingehalten werden.“60

Neben der Reitereinheit wurden einige SS-Infanterieverbände des späteren Kommandostabes im besetzten Polen stationiert. Die 4. SS-Totenkopfstandarte „Ostmark“ war bereits wenige Tage nach dem Anschluß Österreichs am 1. April 1938 in Steyr aufgestellt worden. Anfangs bestand die Standarte aus einem Stab und zwei Sturmbannen. Im Oktober 1938 kam ein in Berlin-Adlershof stationierter dritter Sturmbann hinzu, der allerdings im Juli 1939 wieder aus dem Standartenverband herausgelöst wurde, um als Stammeinheit die „SS-Heimwehr Danzig“ zu bilden.61 Die zwischenzeitlich nach Prag verlegte 4. SS-Totenkopfstandarte wurde im Juni 1940 in die besetzten Niederlande abkommandiert. Der Stab lag in Scheveningen, während die drei Bataillone auf die Städte Den Haag, Groningen und Hertogenbosch verteilt wurden. Ab August 1940 war der Verband in enger Abstimmung mit dem Wehrmachtsbefehlshaber in den Niederlanden gemeinsam mit der 11. SS-Totenkopfstandarte zur Abwehr von Feindangriffen entlang der niederländischen Küste vorgesehen.62 Die SS-Männer fanden jedoch nicht nur militärische Verwendung. Der Höhere SS- und Polizeiführer in den Niederlanden zog die 4. Totenkopfstandarte während der großen Streiks im Februar 1941 auch zu Einsätzen gegen die Zivilbevölkerung heran. Im April 1941 wurde der Verband aus den besetzten Niederlanden nach Warschau verlegt.63

Die 5. Totenkopfstandarte entstand im Spätherbst 1939 aus der Umbenennung der nicht zur Aufstellung der Division „Totenkopf“ verwendeten Teile der 2. Standarte „Brandenburg“. Die Einheit mit einem Stab und drei Bataillonen lag weiterhin in Oranienburg bei Berlin in unmittelbarer Nähe des Konzentrationslagers Sachsenhausen. Im täglichen Wechsel stellte die Standarte jeweils eine Kompanie zur Bewachung des Lagers ab. Am 4. November 1940 wurde sie aus Oranienburg abgezogen und als Ersatz für die aufgelöste 15. SS-Standarte in den Reichsgau Wartheland verlegt. Während der Regimentsstab mit dem I. Bataillon seitdem in Rastenburg lag, waren die Bataillone II und III in Plock beziehungsweise Wehlau stationiert.64

In Krakau, der Hauptstadt des Generalgouvernements, wurde Ende 1939 die 8. SS-Totenkopfstandarte aufgestellt. Den Stamm der Einheit bildeten Soldaten der 4. Standarte.65 Anfang Juni 1940 wurde die Einheit nach Radom und der Regimentsstab mit Wirkung vom 1. Dezember nach Warschau verlegt. Im Vorfeld des Krieges gegen die Sowjetunion wurde die gesamte 8. SS-Totenkopfstandarte am 26. März 1941 auf dem Truppenübungsplatz Debica im Distrikt Krakau zusammengezogen.66 Die 10. SS-Totenkopfstandarte entstand mit anfangs zwei Bataillonen in Weimar-Buchenwald und verlegte Ende April in die frei gewordenen Unterkünfte der aufgelösten 9. SS-Standarte nach Danzig. In Lauenburg bei Danzig wurde zusätzlich ein drittes Bataillon aufgestellt. In dieser Gliederung löste der 10. Totenkopfverband Anfang Juni 1940 die 8. SS-Standarte in deren bisherigem Stationierungsort in Krakau ab.67

Schließlich wurden aus je einem Bataillon der 6. und 9. Totenkopfstandarte sowie dem vierten Bataillon der Totenkopf-Rekrutenstandarte aus Dachau in Weimar-Buchenwald Ende April 1940 noch die 14. SS-Totenkopfstandarte aufgestellt. Die Einheit war anfangs als Besatzungstruppe für Dänemark vorgesehen, eine Verlegung dorthin kam jedoch nie zustande. Statt dessen wurde der SS-Verband im November 1940 als Ersatz für die in die Verfügungsdivision eingegliederte 11. Standarte in die Niederlande verlegt. Aufgeteilt auf die Stationierungsorte Zandvoort, Arnheim, Haarlem und Hemstede, fungierte die Einheit wie die 4. Totenkopfstandarte als Truppe zur Abwehr etwaiger Landungsversuche der Alliierten. Zudem kam die 14. Standarte gegen die niederländische Bevölkerung zum Einsatz.68 Ende März 1941 wurde die Einheit ins Generalgouvernement verlegt und in den Städten Warschau, Lublin, Radom und Chelm stationiert.69

Die Gesamtstärke der 4., 8. und 10. Totenkopfstandarte lag Anfang März 1940 bei jeweils ungefähr 1700 Führern, Unterführern und Mannschaften, während die 5. SS-Standarte eine Stärke von 1210 Mann aufwies. In den folgenden Wochen erfuhren die Einheiten einen rasanten personellen Zuwachs. Nur drei Monate später hatten die genannten Verbände eine Gesamtstärke von 2500 bis 2600 Soldaten; selbst die erst einen Monat vorher aufgestellte 14. SS-Totenkopfstandarte zählte bereits 2286 Mann.70 Für eine professionellere Leitung des Aufbaus der SS-Truppen im Generalgouvernement wurde am 25. November 1940 das Amt eines „Befehlshabers Ost der Waffen-SS“ eingerichtet. Den Posten übernahm SS-Brigadeführer Karl-Maria Demelhuber, der bis dahin das Regiment „Germania“ der Verfügungstruppe geführt hatte.71

In ihrer Entstehungszeit entsprachen die SS-Totenkopfstandarten im besetzten Polen reichlich wenig dem Bild der Elitetruppe, als die sich die Männer selbst so gerne sahen. Sie waren schlecht ernährt und ausgerüstet sowie äußerst unzureichend bewaffnet. Drei Monate nach ihrer Aufstellung verfügte die Reitende Batterie der SS-Kavallerie noch immer über kein einziges Geschütz, sondern war lediglich mit Karabinern und zwei Maschinengewehren ausgerüstet.72 Da für neue Rekruten die in Aussicht gestellte Bekleidung nicht geliefert worden war, mußten die SS-Männer, wie in einem Bericht festgehalten war, „teils in Civil, teils in ihren schwarzen SS-Uniformen Dienst tun“.73 Die 1. Schwadron der SS-Reiterstandarte meldete, „Bekleidung ist sehr mangelhaft, da die Uniformen bereits stark abgenutzt sind“.74 Ende Januar 1940, mitten im polnischen Winter, klagte die 9. SS-Ersatzschwadron, daß „jegliche warmen Mäntel“ fehlten und die gelieferten Felle für die Truppe keinen ausreichenden Ersatz darstellen würden.75 Hinsichtlich der Ernährungslage meldete die 5. Schwadron der Reiterstandarte noch im Mai 1940, die Versorgung mit Frischfleisch sei „völlig ungenügend“.76 Auch bei anderen Totenkopfstandarten war die Lage 1940 so prekär, daß einzelne Einheiten kurzerhand dazu übergingen, Eisenbahn- oder Lastwagentransporte von Versorgungsgütern anzuhalten um Kohlen, Kartoffeln und sonstige Güter zu requirieren. Das provozierte wiederum erboste Proteste von Himmler und Göring.77 Auch in anderer Beziehung stellte sich die Situation der SS reichlich desolat dar. Einige Einheiten klagten über Läuseplagen, und die 5. schwere Schwadron des 2. Totenkopf-Reiterregiments kritisierte, wegen der schlechten ärztlichen Betreuung würden die Männer „zu unnötigen Krankmeldungen verleitet und die Drückebergerei gefördert, worunter der Dienstbetrieb wesentlich leidet“.78

Wegbereiter der Shoah

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