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Kaiser und Päpste in Sutri

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Die alte Via Francigena führt indes weiter nach Vetralla und Capranica: urtümliche Landschaft, in der immer wieder die steilen Tuffabstürze zu sehen sind, wie sie für das nördliche Latium typisch sind. Die antiken Städte suchten die fruchtbare Ebene, doch im Mittelalter zogen sich die Siedlungen zurück – vorzugsweise auf steile, lang gestreckte Sporne im Tuff, die wenigstens nach drei Seiten gut verteidigt werden konnten. Eine solche Stadt ist Sutri – die letzte Etappe, die noch ganz in Latium liegt, die auch heute noch nichts vom Charakter einer Vorstadt von Rom hat. Sutri ist uralt; schon von den Etruskern wurde es gegründet, doch große Bedeutung erlangte es erst im Mittelalter. Die Via Cassia, die am Fuß der Stadt vorbeiläuft, hat hier ein besonders archaisches Gepräge: tief eingeschnitten in den Tuff, mit antiken Gräbern rechts und links. Eine rätselhafte Höhle wird heute als „Madonna del Parto“ verehrt und christlich genutzt: Sie mag ein solches Grab oder, wie die örtliche Überlieferung es will, ein Mithras-Heiligtum gewesen sein (oder – nacheinander – beides). Oberhalb davon liegen die Ruinen einer mittelalterlichen Burg, die als „Burg Karls des Großen“ bezeichnet wird, denn hier soll die Begegnung zwischen dem König der Franken, der Ende des Jahres 799 von Norden kam, und Papst Leo III. stattgefunden haben – eine folgenreiche Begegnung, denn wenig später sollte der Papst Karl den Großen zum Kaiser krönen und damit das alte Imperium Romanum wieder neu begründen. Dass die Begegnung gerade hier stattgefunden haben soll, ist nicht erwiesen, historisch wohl auch eher unwahrscheinlich,22 aber in gewisser Weise dennoch vielsagend, denn hier in Sutri endete der Machtbereich des Papstes, bevor die Karolinger ihm auch die weiter nördlich gelegenen Territorien nach dem Sieg über die Langobarden zuschlugen.


Sutri, mittelalterliches Fresko in der Höhlenkirche Madonna del Parto zeigt Pilger auf ihrem Weg.


Sutri, Blick von der Via Cassia auf das Stadtzentrum mit Kathedrale, romanischem Glockenturm und Bischofspalast

In der Stadt selbst ist bis heute der mittelalterliche Bischofspalast zu sehen – wenn auch verfallen und verlassen, da die Stadt schon lange nicht mehr Diözesansitz ist. Es ist der Ort des wohl bedeutendsten Ereignisses in Sutri: Im Jahr 1046 kam König Heinrich III. auf der Via Cassia von Norden nach Rom. Große politische und militärische Erfolge hatte der junge Salierkönig schon errungen – doch ein wichtiger Erfolg fehlte ihm noch: der Kaisertitel, der an die alte Hauptstadt Rom und an den Papst gebunden war. Das Papsttum war indes zu dieser Zeit an einem seiner historischen Tiefpunkte angelangt: Nicht weniger als drei Geistliche erhoben in Rom den Anspruch auf den Stuhl Petri. Heinrich zog es unter diesen Umständen vor, gar nicht erst nach Rom zu ziehen, sondern schon hier in Sutri, also in sicherer Entfernung vor den Toren der Hauptstadt, die Situation zu klären. Kurz vor Weihnachten hielt er eine Synode ab, auf der er alle drei Päpste absetzte und stattdessen seinen Gefolgsmann Suitger von Bamberg als Papst Clemens II. einsetzte, und damit einen Vertreter der cluniazensischen Reform. Dieser wurde drei Tage später in Rom inthronisiert und krönte seinerseits unverzüglich Heinrich zum Kaiser – am Weihnachtsfest ebenso wie bei Karl dem Großen.

Die Kirchenpolitik Heinrichs war unmittelbar ein Erfolg, doch mittelbar verschaffte sie dem Reformpapsttum Auftrieb, einem neu erstarkten, selbstbewussten Papsttum, das bald zur größten Konkurrenz für das Kaisertum werden sollte. Die Rivalität zwischen Kaiser und Papst prägte die Machtkonstellation im hohen Mittelalter in Europa – doch machte sie die Via Cassia als Verbindungsachse von Rom in den Norden nur umso wichtiger. Ein Jahrhundert später sehen wir Friedrich Barbarossa auf dieser Straße nach Rom ziehen – wieder zur Kaiserkrönung, und wieder kommt es zur entscheidenden Begegnung in Sutri. Doch diesmal steht dem Herrscher aus dem Norden ein starker Papst gegenüber (übrigens von Haus aus ebenfalls aus dem Norden: der einzige englische Papst der Kirchengeschichte). Als Friedrich es wagt, Papst Hadrian IV. den traditionellen Stallknechtsdienst zu verweigern, kommt es zum Eklat. Im Zorn verlässt der Papst den Platz des Geschehens, ohne Friedrich des Friedenskusses gewürdigt zu haben. Nach aufgeregten Verhandlungen zieht der König einige Kilometer weiter bis Monterosi. Dort muss er sich letztlich doch fügen: Er geleitet das Pferd des Papstes am Zügel zu Fuß einen Steinwurf weit – eine Geste, die er als Erniedrigung seiner Person und der weltlichen Macht empfindet.23

Luthers Rom

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