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2.4 Jahrgangsmischung in der Zeit des Nationalsozialismus

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In der Zeit des Nationalsozialismus wird die Bezeichnung »Grundschule« zugunsten der »vier unteren Jahrgänge der Volksschule« aufgegeben. Der Grundschule wird nun nicht mehr der eigenständige Bildungsauftrag der Persönlichkeitsbildung zugeschrieben und damit verbunden werden die individuellen Entwicklungsbedürfnisse von Kindern negiert (vgl. Rodehüser 1987, 301). Die Curricula sind deutlich nationalsozialistisch geprägt. In den »Richtlinien für den Unterricht in den vier unteren Jahrgängen der Volksschule« von 1937 heißt es: »Die Volksschule hat nicht die Aufgabe, vielerlei Kenntnisse zum Nutzen des einzelnen zu vermitteln. Sie hat alle Kräfte der Jugend für den Dienst an Volk und Staat zu entwickeln und nutzbar zu machen. In ihrem Unterricht hat daher nur der Stoff Raum, der zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist« (zit. n. Scheibe 1974, 83). Margarete Götz und Uwe Sandfuchs (2014, 38) zufolge bedeutet das allerdings nicht, dass davon auszugehen wäre, dass sich die Grundschule von Beginn der NS-Zeit an »reichseinheitlich« entwickelt hat. Denn die Weimarer Grundschulrichtlinien galten noch bis weit in die 1930er Jahre hinein. Weiterhin waren veraltete Schulbücher in Benutzung, die dem Reichserziehungsministerium nachgeordneten Behörden handelten häufig eigenmächtig und darüber hinaus hat sich die Situation an Schulen im Laufe des Krieges zunehmend verschlechtert, sodass ein regelgerechter Unterricht eher selten war (ebd.).

Angaben zur Bildung jahrgangsheterogener bzw. -homogener Klassen sind nach Martin Pape (2016, 121) in den amtlichen Erlassen der nationalsozialistischen Schulpolitik nicht zu finden. Die Reichsrichtlinien von 1939 besagen (zit. n. Scheibe 1974, 86): »Die Aufgliederung in Klassen richtet sich nach den örtlichen Verhältnissen, insbesondere nach der vorhandenen Zahl der Schulkinder«. Insofern wird auch die Klassenzusammensetzung entsprechend der Weimarer Zeit fortgeführt. Der Schule auf dem Land kommt die besondere Bedeutung zu, »die Kinder im Sinne einer ›frühzeitigen Berufsverbundenheit‹ zu erziehen und sie auf ihre Rolle als Bauern und Arbeiter auszurichten, die für den Staat im bevorstehenden Krieg von Bedeutung ist« (Pape 2016, 123). Die jahrgangsheterogene Klasse bietet aus Sicht der NS-Didaktik günstige Bedingungen dafür, da die Lehrkraft in ihr über Jahre hinweg die gleichen Kinder unterrichtet. Insbesondere »die einklassige […] Schule zeigt in mancher Hinsicht ein Abbild der Familie, da sie Kinder verschiedenen Alters und Geschlechts umfaßt. Der Lehrer hat die Kinder mehrere Jahre hindurch zu betreuen, wodurch er sie besser kennenlernt und deshalb auch besser führen kann« (Huber 1944, 91, zit. n. Pape 2016, 124). Somit lassen sich aufgrund des Einflusses der Lehrkräfte nationalsozialistische Erziehungsziele in der jahrgangsheterogenen Klasse leichter verwirklichen (vgl. ebd.). Hinzu kommt, dass die älteren Schülerinnen und Schüler dazu angehalten waren, erzieherische Aufgaben für die Jüngeren zu übernehmen, was in der NS-Zeit ausgenutzt wurde. Auch wenn die jahrgangsübergreifende Landschule als besonders nützlich beim Erreichen der Erziehungsziele betrachtet wurde, so blieb sie finanziell dennoch ungenügend ausgestattet (vgl. ebd., 124).

Insgesamt zeigt sich, dass die nationalsozialistische Bildungspolitik die jahrgangsheterogen gegliederte Grund- und Volksschule für sich vereinnahmen und die begrenzten Rahmenbedingungen zur Realisierung ihrer Erziehungsziele nutzen konnte (vgl. ebd.).

Jahrgangsübergreifender Unterricht

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