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1. Kapitel

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An diesem sonnigen und milden Herbstnachmittag lief ich wie schon so oft die Straße entlang, die mich zur Schule meines Sohnes führte.

Julian war gerade acht Jahre jung und besuchte die Gesamtschule in unserer Stadt Erfurt.

Je näher ich dem Schulgelände kam, so konnte man ein Gewirr von Kinderstimmen wahrnehmen. Alle Kinder quietschten vergnügt und sahen aus, wie bunte kleine Zwerge, die in ihrem Spieltrieb wie wild auf dem Gelände des Schulhofes herumtollten.

>>Julian dein Papa ist gekommen<<, rief eine Stimme aus dem Hintergrund.

Julian sprang hoch und rannte auf mich zu.

>>Hallo Papa!<<.

>>Du hast ja wieder tolle Spielchen gemacht<<, entgegnete ich, als ich die schmutzigen Schuhe sah.

>>Ich habe mit Marcel Fußball gespielt<<, entgegnete mir Julian.

>>Und dabei ist wohl auch deine Hose schmutzig geworden…, da wird sich aber die Mama bestimmt freuen<<.

Augenblicklich zog ich Julian eine neue Hose an und sortierte nebenbei noch die Anziehsachen zum Wechseln, die vorrätig in einem Schließfach dort lagerten.

Anschließend liefen wir gemeinsam gemächlich nach Hause.

>>Papa, darf ich draußen noch spielen?<<, fragte Julian plötzlich.

Letztendlich konnte ich den wiederkehrenden Bitten meines Sohnes nicht widerstehen.

Und so zogen wir noch eine kleine Runde, entlang des Weges zu einem Spielplatz, der sich in der Nähe unseres Wohnviertels befand.

Auf dem Spielplatz kletterten schon einige Kinder auf den Spielgerüsten herum, während andere wiederum im Sandkasten spielten.

Aus einem Unterholz neben einer Hecke kroch plötzlich ein kleiner Igel hervor. Seine Nasenspitze wippte auf und ab, als wolle er uns grüßen. Als ich näher herantrat, machte der Igel plötzlich eine Kehrtwendung und suchte dann aber unverhofft das Weite.

Das bunte Herbstlaub schillerte im kontrastreichen Farbspiel und zeichnete eine Silhouette der Fantasie.

Wir wohnten in einem Mietshaus im vierten Stock. Der Klinkerbau aus den sechziger Jahren war renovierungsbedürftig. Nahezu alle Wohnungen hatten einen Balkon und waren mit einer Ofenheizung ausgestattet.

Nach einer anberaumten Zeit, wollte Julian endlich nach Hause und so machten wir uns alsbald darauf auf den Heimweg, denn jeden Moment erwartete ich meine Frau Elke.

Plötzlich klingelte es an unserer Wohnungstür. Ich öffnete die Wohnungstür und vor mir stand die Nachbarin mit ihrem Sohn Felix. Julian spielte oft mit Felix, wobei es auch Tage gab, an denen Julian in unserer Abwesenheit bei der Nachbarin seine Freizeit verbrachte.

>>Entschuldigen Sie die Störung Herr Wagner, aber mein Sohn Felix möchte Julian am Samstag zum Geburtstag einladen<<.

>>Samstag?, ja das wäre vielleicht möglich, aber darüber möchte ich vorher noch mit meiner Frau sprechen<<.

>>Natürlich Herr Wagner, ist denn Ihre Frau noch nicht zu Hause?<<.

>>Ich erwarte sie jeden Moment<<.

>>Felix würde sich freuen, wenn Julian am Samstag kommen könnte<<.

Ich steckte die Einladung in die Tasche, schloss die Wohnungstür und nahm mir anschließend eine Lektüre aus unserem Wandschrank, die ich auf dem Balkon lesen wollte.

Auf unserem Balkon standen verschiedene exotischer Pflanzen und Ziersträucher, die Elke zweimal die Woche über akribisch pflegte. Vom Balkon aus, hatte man eine schöne Aussicht auf unsere Stadt Erfurt, in der wir wohnten. Selbst die Spitze des Doms konnte man von dem Dachgeschoß aus sehen.

Ich nahm auf einem Campingstuhl draußen auf dem Balkon Platz, trank meinen Kaffee und vertiefte mich in die Lektüre, während Julian im Wohnzimmer spielte.

Kurze Zeit später vernahm ich ein Geräusch, auf der Schwelle zum Balkon, als plötzlich Elke vor mir stand.

>>Schatz, ich habe dich gar nicht kommen hören<<, entgegnete ich verblüfft.

>>Clemens, es wäre besser, du würdest dich um Julian kümmern, als ständig in dieser Lektüre zu lesen<<, pflichtete mir Elke bei.

>>Heute Nachmittag stand die Nachbarin mit ihrem Sohn Felix vor der Tür<<.

>>So, was wollte Sie denn von dir?<<, fragte Elke.

>>Julian ist eingeladen, zum Geburtstag von Felix<<.

>>Wann denn?<<.

>>Am Samstag<<.

>>Samstag?, ach du meine Güte !<<, erwiderte Elke.

Ich zeigte Elke die Einladung, die sie misstrauisch beäugte und hatte zu ihren Bemerkungen eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

Elke hatte sich im Laufe unseres Zusammenlebens etwas verändert, wenn ihr was nicht in Kram passte, konnte sie einem ganz schön damit nerven.

Unsere Beziehung war zudem recht schwierig, weil unsere Interessen und Auffassungen vom Leben zu unterschiedlich waren.

Den gemeinsamen Abend über verbrachten wir dann bei einem Glas Wein zum Fernsehprogramm.

- : -

Am nächsten Morgen fuhr ich zu meiner Arbeitsstätte, die sich außerhalb der Stadt befand. Ich war dort als Elektriker bei einem Maschinenbauunternehmen tätig.

Der Job war abwechslungsreich in jeder Hinsicht, um den allgemeinen Anforderungen des Arbeitsalltags gerecht zu werden. Den Tag über war ich dafür verantwortlich, dass die Maschinen an den produktiven Anlagen ihre volle Funktion erfüllten und somit die Auslastung in der Produktion optimal läuft. Ein Ausfall im Maschinenpark würde das Unternehmen und die Belegschaft vor eine Katastrophe stellen, was mitunter auch zu finanziellen Problemen führt. Man benötigte schon einige handwerkliche Fähigkeiten und Know-how um diese knifflige Arbeit zu beherrschen. Die Arbeiter in der Produktion kamen aus den unterschiedlichsten Branchen und wir hatten alle Hände voll zu tun, um das Ziel, die Erfüllung der Normen für das Unternehmen voranzutreiben. Als Traumjob konnte man diese Arbeit aber nicht so recht bezeichnen, weil auch in Schichten gearbeitet wurde.

Der Herbstwind fegte das Laub die Straße entlang und bot so ein einzigartiges Naturschauspiel.

Nachdem Feierabend lief ich spontan in die Richtung des Zentrums unserer Stadt Erfurt.

An der nächsten Ecke bog ich in eine Seitenstraße ab, von wo aus ich dann eine Brücke überquerte und ins Zentrum gelangte. Mein Ziel, die Buchhandlung, erreichte ich dann nach nur wenigen Schritten. Eine ganze Palette von Büchern über Pflanzen und Bäume ließ ich Revue passieren. Mein Interesse galt vor allem historischen Romanen aus dem Mittelalter.

Ich suchte nach einem Roman “Die Bartholomäusnacht” von Alexandre Dumas, als mich plötzlich eine fremde Stimme von hinten grüßt.

>>Hallo Clemens!<<.

Ich drehte mich um und bemerkte eine junge Frau mit dunkelblondem seidigem Haar, die mich mit überschwänglichem Enthusiasmus begrüßte.

>>Das ist ja eine Überraschung Clemens, wie lange haben wir uns schon nicht mehr gesehen?<<.

Zuerst war ich vollkommen verblüfft, hatte ich doch Marina schon seit ewiger Zeit nicht mehr gesehen. Es musste wohl schon sehr lange her sein.

>>Marina, ich kann mich nicht mehr so recht erinnern, wann wir uns das letzte Mal begegnet sind. Sag wie geht es dir?<<.

>>Prima!, ich kann nicht klagen<<.

Eine Verkäuferin der Buchhandlung lief an uns vorbei.

>>Ach bitte, seien Sie doch so liebenswürdig und packen mir dieses Buch hier ein<<, rief ich verständnisvoll der Verkäuferin zu.

>>Clemens, du liest Alexandre Dumas?<<.

>>Warum nicht und was liest du so?<<.

>>Naja eben Kunstgeschichte und jetzt suche ich was über die Architektur der Renaissance im neunzehnten Jahrhundert<<. >>Marina, wollen wir einen Kaffee trinken und ein wenig plaudern?<<

Sie lächelte nur, was ich als ein „Ja“ deutete.

Wir bogen an der nächsten Straßenecke in Richtung Domplatz ab.

Die Cafe`s der Stadt waren gut besucht und verströmten einen wohlriechenden Kaffeegeruch, der einem beim vorbeilaufen zum Verweilen einlud. Marina bestellte sich eine heiße Schokolade und ich nahm einen Cappuccino.

Ich erzählte Marina von meiner Frau Elke und von meinem Sohn Julian, während sie aufmerksam zuhörte und an ihrem heißen Kakao schlürfte.

Vorsichtig berührte ich ihre Hand und sah ihr in die Augen, wobei Sie leicht vor Scham errötete. Dabei schossen mir unendlich viele Gedanken im Kopf herum.

Mir kam es so vor, als wenn die Zeit plötzlich stehen geblieben ist und das Erlebte aus der Vergangenheit mit Marina wieder objektiv in Erscheinung trat.

Von da an spürte ich, dass meine Empfindungen für Marina immer noch substantiell existierten.

>>Clemens ich möchte eigentlich nur, dass du glücklich bist…<<.

Ohne darauf zu antworten, hypnotisierte mich ihr magischer Blick und ich dachte an unsere schöne gemeinsame Zeit zurück.

Ich erinnerte mich an eine Zeit, in der ich gerade meine Ausbildung beim DLRG beendet hatte und an einem dieser Baggerseen in den Ferien dort arbeitete. Es war mein erster Job in den Sommermonaten des Jahres, wo Marina gerade ihre Semesterferien verbrachte.

Die gute Wasserqualität war ausschlaggebend, dass ich ausgerechnet dort eine Tätigkeit aufnahm. Neben zwei anderen Sportkameraden hatte ich die ehrenvolle Aufgabe, für Ordnung und Sicherheit der Badegäste zu sorgen.

Und so kam es eines Tages, dass ich Marina dort kennenlernte.

Meine Gedanken kreisten um jene Tage, in denen ich mich so unbeschwert fühlte.

>>Du siehst noch genauso bezaubernd aus wie früher<<, entgegnete ich.

>>Clemens mach keine Witze, auch ich habe mich mittlerweile völlig verändert…, oder glaubst du etwa, dass all die Jahre spurlos an mir vorbeigegangen sind<<.

Ich schmunzelte und musste meine Äußerungen relativieren.

Marina holte ein altes Foto aus ihrer Handtasche und ich fragte sie, wo es entstanden sei. Sie wendete das Foto und zeigte auf jenes Datum, welches mir irgendwie bekannt vorkam.

Das war genau der Tag, an dem der Abschlussball am Gymnasium stattgefunden hat.

>>Was ist eigentlich aus deiner ehemaligen Beziehung geworden?<<, fragte ich neugierig.

>>Als ich an die Universität ging, haben wir uns aus den Augen verloren<<.

>>Das heißt, du bist jetzt wieder Single?<<.

>>Ach Clemens, ich bin jetzt mit Mark zusammen…, wir haben uns schon vor zwei Jahren auf einem Seminar für Kunst und Germanistik kennengelernt<<.

>>Aber du wohnst doch sicher noch in dem Dorf?<<.

>>Meine Eltern mussten das Haus verkaufen, weil mein Vater zum Pflegefall wurde. Jetzt wohne ich bei Mark und bin nur ab und an zu Besuch bei einer Freundin hier in der Stadt<<.

>>Ich würde dich gern noch einmal wiedersehen<<, sagte ich ihr.

Sie lächelte nur, dabei war sie so bezaubernd.

Es war schon spät, als wir gemeinsam das Kaffee am Domplatz verließen.

>>Marina, soll ich dich nach Hause begleiten?<<.

>>Nein Clemens, das wird nicht nötig sein. Ich habe nur noch wenige Schritte bis zu meiner Freundin. Sie wohnt gleich hier um die Ecke<<.

>>Na gut, aber ich möchte dich auf jeden Fall wiedersehen<<, bemerkte ich beiläufig, wobei sie mir einen Zettel mit einer Adresse zusteckte.

Auf dem Nachhauseweg hörten wir noch eine Soiree, die nahe einer Brücke am offenen Fenster eines Lokals lautstarke Trinksprüche von sich gab.

Letztendlich verabschiedete ich mich von Marina und eilte nach Hause.

Zeitreise auf Abwegen

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