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4. Kapitel

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Nur mit Mühe kam ich an diesem Morgen in die Gänge, als ich in mein Fahrzeug stieg und zu meiner Arbeitsstätte fuhr. Gleich zu Beginn der neuen Woche gab es Probleme mit den antriebstechnischen Anlagen in der Firma. Eine Maschinenrevision, die in der Vorwoche stattfinden sollte, wurde aus obligatorischen Gründen abgesagt. Es war nicht das erste Mal, dass so etwas vorkam. Hin und wieder gab es technische Probleme aller Art, die dann so fern sie nicht gleich geklärt wurden, zu Missverständnissen zwischen der Belegschaft und der Geschäftsleitung führten. Auch diesmal war guter Rat teuer, zumal ein Stillstand zweier Maschinen die Firma vor eine Katastrophe stellte. Ich konnte mir nicht so recht erklären, ob es einen Zusammenhang mit der von mir geleisteten Arbeit gab, die ich ansonsten stets Gewissenhaft und zur Zufriedenheit aller erfüllte. Nach einem klärenden Gespräch mit einem Vorgesetzten konnte ich meine Arbeit jedoch unverhofft fortsetzen. Insgesamt gestalteten sich die Revisionsarbeiten eher langwierig und zogen sich scheinbar in einem endlosen Spiel bis weit nach Feierabend hin.

Ein Zug der Deutschen Bahn hastete an dem alten Bahnhof hinter der Firma entlang und stieß einen lauten Pfiff aus.

Elke hatte sich für den Abend nicht vor zwanzig Uhr angemeldet, weshalb ich spontan wieder in das Zentrum der Stadt fahren wollte.

Mir war es dabei einerlei, ob ich ohne Wasser und Strom in unserer Wohnung herumsitze oder meinen individuellen Bedürfnissen nachgehe.

Die Wolken am Horizont verdichteten sich zunehmend und es setzte ein leichter Nieselregen ein, der sich zugleich in einen grauen Schleier am Firmament verwandelte.

An einer Straßenecke bog ich mit meinem PKW rechts ab und gelangte auf einem der angrenzenden Parkplätze. Von da aus lief ich zu Fuß direkt auf eine Einkaufsgalerie zu.

Die Rolltreppe im Einkaufscenter setzte sich in Bewegung, sobald ich die unterste Stufe erreicht hatte. Es dauerte nicht lange, bis ich das Restaurant gefunden hatte, welches ich anvisierte. Nachdem ich mich für eine Vorauswahl an Speisen entschied, bestellte ich mir ein kleines Menü mit gemischten Salat.

An einer gegenüberliegenden Fassade befand sich ein Porträt der Sixtinischen Madonna, dabei bildete ich mir ein, dieses Motiv schon einmal irgendwo gesehen zu haben.

Nach ein paar Minuten servierte der Kellner des Restaurants das Essen.

>>Kennen wir uns nicht?<<, fragte der Kellner.

Als ich aufschaute grinste mich der Kellner von der Seite an, der mir gleich auf die Schulter klopfte. Jetzt erkannte ich meinen Cousin Michael.

>>Sag bloß, du kellnerst hier?<<, wollte ich wissen.

>>Seit sechs Wochen bin ich hier im Restaurant, aber lass mich raten wann wir uns das letzte Mal begegnet sind<<.

>>Ich glaube vor etwa zwei Jahren in einer Klubgaststätte<<, gab ich zur Antwort.

>>Ja genau, da waren doch diese Chaoten, die die gesamte Einrichtung dort demoliert haben, bevor dann die Bullen angerückt sind und den Laden aufgemischt haben. Haben dich damals die Bullen auch kontrolliert oder bist du vorher nach Hause gegangen?<<, fragte Michael.

>>Na klar haben die mich kontrolliert und wie. Ich dachte schon, dass die mich mit aufs Revier nehmen, dabei stand ich doch den ganzen Abend über nur an der Bar, bis Elke mich mit dem Auto abholte<<.

>>Clemens, warst du da schon verheiratet?<<.

>>Aber sicher, ich war doch noch zuvor mit Elke in dem alten Musikschuppen…<<.

>>Dort spiele ich auch noch ab und zu, aber der Laden ist ziemlich heruntergekommen, weswegen der wohl bald dicht gemacht wird<<.

>>Übrigens, ich hoffe dein Essen schmeckt einigermaßen<<, ließ ich anmerken, während ich mit der Gabel in den Nudeln stocherte.

>>Clemens, das habe ich nicht zubereitet, da musst du in der Küche nachfragen<<.

>>Bist du eigentlich immer noch als Alleinunterhalter in der Stadt unterwegs?<<.

>>Vorige Woche habe ich ein Gastspiel in der Ring Bar gegeben und ich dachte du kommst vielleicht auch mal wieder vorbei. Der Laden war richtig voll und ich habe mein Programm bis Mitternacht durchgezogen<<.

>>Weißt du Michael, ich habe zurzeit viel Stress an der Arbeit und dann möchte Elke jetzt auch noch ein Häuschen auf einem Dorf<<.

>>Ich glaube es nicht, Clemens du ziehst aufs Dorf?<<, fragte Michael ungläubig.

>>Ja, gewissermaßen hat sich das jetzt bei mir so angekündigt und dann ist ja noch Julian, der sich schon mit der ländlichen Umgebung angefreundet hat<<.

>>Wann glaubst du, ziehst du weg?<<, fragte Michael.

>>Wir waren neulich auf dem Katasteramt und haben jetzt erst das Grundstück erworben, deshalb glaube ich nicht, dass wir noch vor dem Sommer umziehen, es sei denn, Elke verfällt in einer Art Torschlusspanik<<.

>>Clemens, es wäre schön, wenn du nächste Woche in die Rotplombe kommen könntest, dann gebe ich wieder ein Gastspiel, bei dem auch unser Barkeeper Holger mit dabei ist, der sich gelegentlich auch noch um das organisatorische kümmert<<.

>>Na gut, das lässt sich vielleicht irgendwie einrichten. Dann gib mir doch mal bitte deine Telefonnummer oder stehst du etwa im Telefonbuch?<<, wollte ich wissen.

Michael kramte in seiner Kellner Tasche und holte eine Visitenkarte heraus, die er mir spontan überreichte. Die Visitenkarte zeigte auch ein Bild von Michael und seinen Kontaktdaten als Alleinunterhalter.

>>Schönes Stück, so was werde ich mir in Zukunft auch mal anfertigen lassen<<, gab ich zu verstehen.

>>Also Clemens, dann muss ich mal wieder in die Küche zurück und melde dich mal wegen nächster Woche…<<.

Zum Abschied gab ich Michael noch einen Gruß mit auf den Weg, bevor er sich umdrehte und wieder in der Küche verschwand.

Ein Rest von Essen ließ ich auf dem Teller liegen und zahlte sogleich beim Restaurantleiter.

Es war schon spät als ich auf die Uhr schaute und mich auf den Heimweg machte. Immer wieder prasselten Regentropfen auf die Windschutzscheibe meines Fahrzeugs, die mir während der Fahrt die Sicht nahm.

Elke war noch nicht zu Hause, als ich am Abend unsere Wohnung im vierten Stockwerk betrat. Wo sollte Elke bloß um diese Uhrzeit noch sein?

Die Ungewissheit ließ mich zweifeln, zumal ich mir von Minute zu Minute Sorgen machte. Schließlich ging ich ans Telefon und rief Silka an.

Während des Gesprächs wurde umso deutlicher, dass Elke bei einer Feier weilte, die mit ihrer Tätigkeit im Versicherungswesen zusammenhing. Es lag die Vermutung nahe, dass Elke nicht vor Mitternacht nach Hause kommt. Denn wie so oft bei solchen Veranstaltungen, war auch Alkohol im Spiel und ich wusste, dass Elke nicht viel davon verträgt.

Auf dem Fenstersims im Wohnzimmer stand noch immer die Vase mit den Blumen, die Elke von Silka geschenkt bekam, nur das Wasser in der Vase roch nach einer fauligen Brühe.

Die Cellophan Plane die über dem Sofa und der Schrankwand hing, setzte mittlerweile eine Staubschicht an. Es war fast unmöglich sich im Wohnzimmer zu bewegen, ohne dass dabei eine Staubschicht aufgewirbelt wurde. Trotzdem riskierte ich einen Blick unter die Cellophan Plane, die ansonsten noch völlig in Ordnung schien. Aber auch hier fanden sich überall feine Staubpartikel, die unter anderem von den Bauarbeiten im Haus herrührten.

Am Fenster zum Balkon versperrte ein Baugerüst die Sicht auf die Straße, so dass ich nicht viel sehen konnte, falls Elke nach Hause kommt. Und überhaupt war es viel zu dunkel, um irgendetwas da draußen zu beobachten.

Schließlich lief ich in die Küche, setzte Wasser auf und kochte mir eine Tasse Tee.

Anschließend setzte ich mich auf einen Stuhl und schaltete das Radio ein.

Es dauerte über eine Stunde, ehe Elke endlich nach Hause kam und mich mit einer schriftlichen Erklärung der Bank überraschte, die es uns jetzt ermöglicht hatte, einen zinsgünstigen Baukredit zu beantragen. Allerdings waren hierzu noch einige Sachfragen zu klären, ehe eine Bewilligung des Kredits in Aussicht stand. So war die gängige Praxis, dass entsprechende Nachweise für die Kreditwürdigkeit vorliegen müssen. Außerdem mussten im großen Umfang Sicherheiten vorhanden, sowie Abtretungen an Dritte explizit dargelegt werden. Der ganze Firlefanz niedergeschrieben in einer Broschüre der Bank, welche umfassend durch ein Reglement dokumentiert wurde. Genehmigungen und Bewilligungen von Darlehen stand in großen Lettern auf der Broschüre. Beachtenswert waren natürlich die Vorschriften, der jeweils gültigen Satzung. Elke machte aber trotzdem einen zufriedenen Eindruck, der zu später Stunde positiv auf mich abfärbte.

Meine Stimmung hellte sich auf und ich öffnete uns eine Flasche französischen Rotwein.

Elke hatte sich Prioritäten gesetzt, die ihrem Aktionismus gleichkam.

Fast die ganze Nacht über wälzten wir Kataloge für den Hausbau, bis uns die Müdigkeit überkam und wir zu Bett gingen.

Zeitreise auf Abwegen

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