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7. Kapitel

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Am nächsten Morgen hatte ich eine regelrechte Katerstimmung. Mein Kopf summte noch im Takte dieser fürchterlichen Musik von jenem Club. Ich lief in die Küche und kochte mir einen Pott Kaffee. Durch das Küchenfenster konnte ich vereinzelt Handwerker sehen, die gerade dabei waren, Handwerkszeug aus einem Baucontainer auf die gegenüberliegende Straßenseite zu räumen.

Der Himmel war mit dichten Wolken überzogen, aus denen ab und zu ein paar Schneeflocken rieselten. Das Thermometer am Fenster zeigte um die Null Grad an. Vorsichtig drehte ich am Ventil des Ölofens, so dass Öl in den Behälter floss. Sobald der Boden des Trichters mit Öl bedeckt war, entzündete ich ein Streichholz. Schnell kroch die Flamme am Trichter empor.

Anschließend schloss ich den Deckel am Ofen und stellte das Ventil auf Stufe drei. Es dauerte nicht lange, bis eine gewisse Raumtemperatur im Wohnzimmer erreicht wurde. Völlig entspannt setzte ich mich auf das Sofa und schaute mir noch einmal die Fachpublikationen für unser Eigenheim an. Unter der Rubrik “Konzept Hausbau” fanden sich gleich mehrere Anleitungen hinsichtlich der Eigenleistungen, die in einem möglichen Rahmen lagen.

Auf einem Blatt Papier machte ich mir ein paar Skizzen zu den Angaben, die ich der Fachpublikation entnahm. Hauptsächlich ging es aber darum, wie ich am effektivsten die einzelnen Tätigkeiten kombinieren kann, um Kosten und Zeit zu sparen. Dieser Grundgedanke löste die Art und Weise meiner Vorbereitungen, dabei berücksichtigte ich auch die Bauleistungen durch die Baufirma. Zum Schluss fasste ich noch einmal mein Konzept für die Eigenleistungen zusammen, welches ich Elke beim nächsten Besuch präsentieren wollte.

Noch einmal schaute ich aus dem Küchenfenster, als im selben Augenblick das Telefon klingelte und Elke sich am anderen Ende der Leitung meldete.

>>Clemens ich wollte nur mal hören, ob du auch ohne mich gut zurechtkommst<<.

>>Schatz, ich bin gerade dabei ein schlüssiges Konzept zu erarbeiten, bezüglich unserer Eigenleistungen<<.

>>Es ist ja schön, dass du dir inzwischen auch mal Gedanken über unseren Hausbau machst…<<.

>>Hör mal zu Elke, ich beschäftige mich schon immer mit deinem Wunsch vom Eigenheim, das ist dir bloß noch nicht weiter aufgefallen<<.

>>Na gut Clemens, dann will ich dich nicht weiter stören bei deinen Vorbereitungen<<.

>>Elke du störst überhaupt nicht. Gibt es denn mittlerweile irgendetwas neues zu berichten, oder weswegen hast du gerade angerufen?<<.

>>Die Hausbaufirma hat mit dem Erdaushub auf unserem Grundstück begonnen und Julian findet das alles ganz spannend, wenn der Bagger dort die Erde herausholt<<.

>>Das kann ich mir alles gut vorstellen. Dann ist es ja nicht mehr allzu lang, bis die Arbeiten am Fundament greifen<<.

>>Das soll wohl schon nächste Woche der Fall sein…<<, entgegnete Elke.

Elke berichtete Punkt für Punkt, was sich derzeit alles auf unserem Grundstück abspielte, dabei schilderte sie auch die wechselnden Witterungsverhältnisse, die die Arbeiten vor Ort zusätzlich erschwerten. Als Elke den Hörer auflegte, überlegte ich mir, was ich mit dem heutigen Tag noch anfangen könnte.

Zuerst schrieb ich wieder einige Bewerbungen an verschiedene Unternehmen in der Region.

Danach holte ich vier Adressaufkleber aus einer Schublade der Schrankwand und bedruckte anschließend die verschiedenen Briefe.

Irgendwie fand ich auch jenen handgeschriebenen Zettel in der Schublade, auf dem die Anschrift einer Person vermerkt war, von der mir Marina vor geraumer Zeit erzählt hatte.

Konnte es sein, dass Marina heute vielleicht bei ihrer Freundin übernachtete oder aber auch nur bei ihr zu Gast ist.

Irgendwie spielte es sich in meinen Hintergedanken ab, dass es wohl die letzte Gelegenheit für mich ist, dass ich Marina unter dieser Anschrift noch antreffen könnte. Außerdem musste ich damit rechnen, dass bald die Arbeiten an unserem Eigenheim greifen und sich dann nicht noch einmal eine Chance bot, Marina noch einmal in der Stadt anzutreffen. Eine Telefonnummer hatte ich nicht und so beschloss ich an diesem Nachmittag jener Anschrift auf dem Zettel einen Besuch abzustatten. Augenblicklich ging ich in den Flur, zog meinen Mantel über und verschwand zur Wohnungstüre nach draußen.

Der Wind wehte mir um die Nase, weswegen ich meinen Mantelkragen hochstellte.

Die tiefhängenden Wolken am Horizont kündigten länger anhaltende Schneefälle voraus.

Zu Fuß lief ich in das Zentrum unserer Stadt, vorbei an dem Augustinerkloster und weiter bis ich schließlich zu jener Adresse gelangte, die mir Marina gab.

Das Wohnhaus unter der Adresse hatte schon seine besten Jahre hinter sich, während an manchen Stellen schon der Putz abbröckelte, hing über dem Eingang eine Innschrift, die aus langer Tradition heraus in den Mörtel gemeißelt wurde. Die Innschrift enthielt eine Widmung, die ich aber nicht mehr lesen konnte und eine Jahreszahl wann das Wohnhaus errichtet wurde.

Unter dem angegebenen Namenszug klingelte ich zweimal kurz hintereinander.

Nach einer Weile öffnete sich oben links im Dachgeschoß ein Fenster und eine junge Frau Anfang zwanzig schaute heraus.

>>Zu wem möchten Sie denn, junger Mann?<<.

>>Hören Sie, mein Name ist Clemens Wagner und ich bin ein Bekannter von Marina<<.

>>Warten Sie!, ich komm gleich runter<<, rief die Stimme von oben.

Das Fenster im Dachgeschoß schloss sich und es dauerte noch einen Moment, dann hörte ich Schritte im Hausflur und eine junge Frau mit brünettem langem Haar stand plötzlich vor mir. So gut es ging erklärte ich ihr kurz mein Anliegen und dass mein Besuch nur obligatorisch sei. Die junge Frau deutete an, dass Marina diese Woche wohl nicht mehr zu ihr kommt und erst in vier Wochen wieder bei ihr zu Hause ist, aber wenn ich jetzt schon einmal hier wäre, dann könnte ich zumindest mit ihr gemeinsam eine Tasse Tee trinken und ein wenig plaudern. Ich willigte schließlich ein und wir liefen gemeinsam die Treppen im Hausflur hinauf.

>>Ich wusste gar nicht, dass Marina noch einen anderen Freund hat, außer Mark<<, entgegnete mir die junge Frau auf dem Weg nach oben.

>>Wissen Sie, ich kannte Marina bevor sie mit Mark zusammen war<<.

>>Ach so, dass wusste ich nicht. Übrigens ich heiße Janine<<.

>>Sehr erfreut, ich heiße Clemens…, Clemens Wagner<<.

Die Dachgeschoßwohnung befand sich in einem desolaten Zustand. An manchen Stellen konnte man zusehen, wie der Putz von der Decke rieselte. Auch die Holzdielen hatten ihre beste Zeit schon hinter sich gelassen. Abgesehen von den baulichen Veränderungen, machte die Wohnung aber eher einen gemütlichen Eindruck.

An den Wänden im Wohnzimmer hingen selbstgemalte Aquarelle und in einer Ecke links neben dem Sofa standen handgefertigte Skulpturen aus Gips, die kunstvoll bemalt waren. Insgesamt jedoch strahlte das Wohnzimmer auch eine gewisse Ruhe aus.

>>Sagen sie Janine, studieren Sie noch?<<.

>>Aber ja, die meiste Zeit bin ich jetzt hier in der Stadt, wo ich ein Praktikum absolviere<<.

>>Haben Sie die Skulpturen aus Gips selber gemacht<<, fragte ich Janine.

>>Gefallen sie Ihnen?<<.

>>Gar nicht so schlecht<<, ließ ich wissen.

>>Ja das war eine meiner ersten Arbeiten an der Hochschule…<<, während sie eine dieser Gipsfiguren in die Hand nahm und mir zeigte.

>>Janine darf ich Sie fragen, wann Sie Marina das erste Mal begegnet sind?<<.

>>Wir sind uns erstmals an einem Institut außerhalb der Stadt begegnet. Ich hatte dort auch einen Praktikumsplatz. Es war alles sehr aufregend und neu. Die Archäologischen Sammlungen, die wir restaurierten, stammten fast alle aus einer Zeit nach Christus. Der technische Leiter des Instituts überbrachte uns Inschriften, die wir zuerst rekonstruieren und dann übersetzen sollten. Eines Tages dann tauchte Marina auf, die uns bei der wissenschaftlichen Arbeit half. Nach Feierabend trafen wir uns dann öfter in einem Lokal am Fischmarkt<<.

Marina erzählte mir von ihrer Studienzeit und von einer Studentenwohnung in der Stadt.

>>Während meines Besuches lernte ich auch Marinas Freund Mark kennen. Ein sympathischer junger Mann mit viel Lebenserfahrung<<.

Janine ging in die Küche und kam kurz darauf mit einer Kanne Tee wieder.

Danach stellte Janine noch Kuchen und eine Schachtel Kekse auf den Tisch.

>>Clemens, nehmen Sie sich ruhig was Sie essen wollen…<<.

>>Haben Sie den Kuchen selber gebacken?<<.

>>Nein, der ist von meiner Oma<<.

>>Janine, glauben Sie eigentlich an die große Liebe?<<.

>>Oh ja, Sie etwa nicht?<<.

>>Doch schon, jedenfalls Marina war so etwas wie meine große Liebe. Aber wie das Leben eben halt so spielt, ist das Glück manchmal zum Greifen nah, man kann aber nicht daran festhalten<<.

>>Ich glaube, Sie lieben Marina immer noch<<.

Ohne dass ich darauf antworten wollte, fragte Janine einfach weiter.

>>Erzählen Sie mir doch einfach, wie Sie Marina kennengelernt haben?<<.

>>Janine, das ist schon sehr lange her. Ich arbeitete damals beim DLRG an einem Baggersee. Zuerst hatten wir nur Blickkontakt, bis es dann bei einer Begegnung zwischen uns gefunkt hat<<.

Janine überkam plötzlich ein Lachanfall.

>>So schnell ging das mit der Liebe. Und wie ist es dann weitergegangen?<<, fragte Janine voller Übermut.

>>Nun, wir trafen uns dann noch öfter, aber leider hatte Marina dann schon jemand anderes kennengelernt<<.

>>Mark?<<.

>>Nein, jemand vom Gymnasium<<, gab ich zur Antwort

>>Und wie sind Sie dann zu der Anschrift meiner Wohnung gekommen?<<.

>>Vor geraumer Zeit habe ich Marina in der Stadt getroffen. Da hat Sie mir erzählt, dass Sie ab und zu bei Ihnen übernachtet<<.

>>Jetzt waren Sie sicher nur mal neugierig, wo diese Freundin wohnt<<.

>>Sozusagen<<, pflichtete ich ihr bei.

>>Sind Sie jetzt enttäuscht?<<, fragte Janine.

>>Nein im Gegenteil. Mein Besuch bei Ihnen ist für mich eher eine Bereicherung<<.

>>In wie fern?<<.

>>Sie haben mir eine Facette Ihres Lebens offenbart. Das ist wie bei einem philosophischen Akt…<<.

In dem Moment klingelte es an der Wohnungstür. Janine rannte zuerst in die Küche, dann wieder in das Wohnzimmer und schaute dann aus dem Fenster.

Es sah so aus, als wenn noch jemand zu Besuch kommen würde. Ich stand auf und wollte mich gerade verabschieden, als Janine mir entgegentrat.

>>Es ist nur eine Studienfreundin von mir. Clemens bleiben Sie doch noch ein bisschen…<<.

Schließlich konnte ich den Bitten von Janine nichts entgegensetzen und blieb.

Die Freundin von Janine hieß Katharine und war sehr charmant und überaus eloquent.

Ihre sprachliche Ausdrucksweise überraschte mich geradezu.

Den Nachmittag über diskutierten wir über Aristoteles und Alexander den Großen und merkten kaum, dass die Zeit in Windeseile verstrich.

Zuweilen hörte man Tauben über der Wohnung im Dachgeschoß, die ab und an Gurrten und mit den Flügeln schlugen. Jedes Mal, wenn das der Fall war, brachen wir in ein Gelächter aus.

Erst am Abend verabschiedete ich mich von den beiden und hoffte darauf, Marina noch einmal zu begegnen.

Zeitreise auf Abwegen

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