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1. Erster Zugang

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Vom Judentum ausgehend war vom Sprechen und Handeln Jahwes die Rede. Dieses Sprechen und Handeln wird im Hebräischen mit dem Wort dabar bezeichnet. Dabar wird ins Griechische übersetzt mit logos und dann ins Deutsche mit „Wort“. Dabei findet ein mehrfacher Bedeutungswandel statt. Der erste ist jener von dabar, das „Sprechen“ und „Handeln“ bedeutet, hin zu logos, was eher ein abstrakter Begriff ist und auf „Denken“, „Geist“, „Logik“, „Sinn“, „Vernunft“ hinweist. Von dort findet ein zweiter Bedeutungswandel statt zur deutschen Übersetzung „Wort“.

So kommt es zu der eigenartigen Formulierung: „Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). Anders ausgedrückt: Der göttliche Logos wird Mensch, er ist ganz menschlich. Der göttliche Logos kommt dem Menschen ganz nahe, er wird verständlich und „begreifbar“. Man kann ihn be-greifen im Sinne von anfassen. Geistig begreifen kann man ihn nicht immer, aber man kann sich ihm annähern. Zum Aushalten dieser Annäherung und der Nähe Gottes musste der Mensch sich auch weiterentwickeln.

Bei der Übersetzung von dabar mit logos kann der Satz „Im Anfang war der Logos“ (Joh 1,1) so interpretiert werden, dass dieser Logos Gottes nicht nur in Jesus Christus Mensch geworden ist, sondern sich auch in der Natur sowie in jedem Menschen zeigt. In der Natur zeigt er sich in der „Logik“ des Kosmos, der Organismen sowie den Naturgesetzen. Im Menschen zeigt er sich zusätzlich auf andere Weise. Auch hier ist es die Logik des Denkens und die Logik der Physiologie des Organismus, aber auch die Logik des Wortes und der Verantwortung. Hier ist die deutsche Übersetzung mit „Wort“ hilfreich. Das innere göttliche Wort ist in jedem Menschen anwesend. Auf dieses Wort soll der Mensch ant-worten, also gegen-worten. Gott spricht den Menschen von innen her durch den göttlichen Geist sowie das göttliche Wort an und von außen durch das Mensch gewordene Wort Gottes sowie die Ereignisse und Begegnungen. Diesem An-spruch soll der Mensch antworten. Die Übersetzung von dabar mit logos weist auf die geordnete Grundstruktur der Welt hin und jene von logos mit „Wort“ auf die letzte Ver-ant-wortung des Menschen.

Es heißt ausdrücklich „Im Anfang“ und nicht „Am Anfang“. Es geht darum, dass dieser Logos in allem, was ursprünglich aufspringt und ins Sein tritt, gegenwärtig ist. „(…) allem Anfang wohnt ein Zauber inne“,18 heißt es bei Hermann Hesse (1877 – 1962). Bei Hesse geht es um den irdischen Neubeginn in den unterschiedlichen Lebensstufen, diesem „Neubeginnen“ liegt aber als Bedingung der Möglichkeit (Kant) das je neue und ursprüngliche Wirken des Göttlichen zugrunde.

Die Übersetzung von dabar mit logos und der Verweis auf das Anfanghafte in allem weist hin auf eine innerweltliche „Logik“, die sich auch im Wortstamm von Wissenschaften wie Bio-logie, Psycho-logie, Sozio-logie und Theo-logie zeigt. Alle diese Wissenschaften können die Welt nur anfanghaft und bruchstückhaft erfassen. Gemeinsam können sie in komplementären Zugängen mehr begreifen als jede allein. Logos ist aber auch Vernunft, Sinn, Geist und verweist auf den göttlichen Geist im Menschen sowie auf dessen Spiritualität. Die Übersetzung mit „Wort“ weist schließlich hin auf Ver-ant-wortung und Ethik. So ist das Christentum keine irrationale Religion, sondern eine höchst vernünftige, „logische“, spirituelle und ethische. Dabei partizipiert die innerweltliche Logik und Vernunft an der göttlichen, die die menschlichen Dimensionen übersteigt. Durch die Ausrichtung des Menschen auf die göttliche Vernunft wird der Mensch erst in seiner Ganzheit erfasst.

Im Christentum bekommt der Logos Gottes ein Gesicht. Man darf sich ein Bild von ihm machen, allerdings nicht so, als wenn man alles verstünde. Aber Jesus Christus ist das Bild Gottes. Er ist ganz durchsichtig auf Gott hin und sagt: „Wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat“ (Joh 12,45). Er ist ganz transparent auf Gott hin, er ist Gott. Und gerade durch diese innere Ausrichtung und Anbindung ist er ganz Mensch. Er ist ganz menschlich, kommt dem Menschen entgegen und lebt vor, wie das Leben gemeint ist. Der Gott, der dem Volk Israel nur aus der Ferne begegnet ist, tut es jetzt aus der Nähe. Aber auch ihm bleiben als Mensch Fragen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Mk 15,34)

Christ sein – was ist das?

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