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Vorwort

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Demokratieverdrossenheit, der Austritt der Briten aus der Europäischen Union, Terroranschläge, die Flüchtlingsproblematik, ungerechte Ressourcenverteilung, wirtschaftliche Probleme, Bankenkrisen, Armut, Arbeitslosigkeit, Orientierungsnot, Überforderung vieler Jugendlicher, Fragen der Bildung, Säkularisierungsprozesse und die Integration von Migranten lassen Europa nicht zur Ruhe kommen. Mehr noch, sie stellen den Kontinent und seine Bürger vor die Aufgabe, sich ihrer selbst bewusst zu werden. Gerade das bei vielen Menschen gegenwärtig vorhandene Gefühl der Bedrohung durch den Islam fordert heraus, sich der eigenen Wurzeln zu besinnen. Manche Menschen haben Angst vor einer „Islamisierung“ Europas. Andersherum fragen Muslime, was das Christentum eigentlich ist. Vielfach bekommen sie darauf kaum Antworten. Christen wissen oft wenig über ihre eigene Religion.

Es gilt, ein neues Bewusstsein dafür zu entwickeln, aus welcher Tradition heraus die Werte einer freiheitlichen Demokratie gewachsen sind. Es besteht die Gefahr, dass der Europäischen Union das geistige Fundament der errungenen demokratischen Werte langsam abhandenkommt. Die Wirtschaft allein kann diese Grundwerte nicht aufrechterhalten. Auch die Rechtssysteme können dies nur bis zu einem gewissen Grad leisten und eine Wirtschaftsgemeinschaft allein genügt nicht als Grundlage. Zum Erhalten des Errungenen bedarf es eines tieferen Verständnisses der geistigen Hintergründe Europas. „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen“,1 heißt es bei Goethe. Der letzte Grund der Werte muss immer neu erschlossen werden, sonst geht das Erworbene langsam verloren.

Immer mehr Menschen stellen sich die Frage nach einem einheitlichen Wertesystem unseres Kontinents. Gleichzeitig suchen sie über eine allgemeine Ethik hinaus nach persönlicher Orientierung, Lebenssinn und Spiritualität. Orientierungslosigkeit, Unübersichtlichkeit, Pluralismus der Meinungen und die allgemeine Beliebigkeit führen dazu, dass viele wieder nach dem „starken Mann“ rufen, der Ordnung schafft.

Das Christentum ist in der Krise, zumindest in Europa. Viele Menschen haben die Kirchen verlassen, nicht wenige sagen, dass es ohne Religionen friedlicher sei, und der Dalai Lama hält Ethik für wichtiger als Religion.2 Allerdings zitiert er oft die Bergpredigt aus dem Neuen Testament und dort ist von Gewaltverzicht (Mt 5,5) und Feindesliebe (Mt 5, 43 – 48) die Rede. Etliche Menschen wissen gar nicht mehr, was das Christentum ist, und es interessiert sie auch nicht. Kaum jemand erhofft sich Antworten aus dem Christentum für das eigene Leben. Man spricht nicht darüber oder schämt sich, ein Christ zu sein. Und doch sind viele auf der Suche nach Spiritualität und Ethik. Das vorliegende Buch versucht diese Lücke zu schließen, das heißt eine Verbindung zwischen Ethik und christlicher Spiritualität herauszuarbeiten und in kurzen Skizzen darzustellen, was das Christentum in seinem Zentrum darstellt. Es soll für den Alltag taugen und gegenüber der säkularen Welt einen Mehrwert darstellen.

Dieses Buch ist keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern der Versuch einer komprimierten Zusammenfassung der wichtigsten Glaubensinhalte des Christentums. Natürlich kann das Buch nicht der ganzen Komplexität des christlichen Glaubens gerecht werden. Aber es will die zentralen Aussagen herausstellen und Anregungen geben, wie der Einzelne weiterdenken und die Inhalte für den Alltag fruchtbar machen kann. Insofern hat es eher eine praktische Ausrichtung.

Jeder Leser hat seine eigenen Erfahrungen mit dem christlichen Glauben. Den einen interessiert er gar nicht. Der andere mag alles schon kennen und das tiefere Eindringen in die Glaubensinhalte vermissen. Ein Weiterer hat mit der Kirche abgeschlossen, sie ist ihm fremd geworden und hat ihm vielleicht sogar Verletzungen zugefügt. Ein Vierter befindet sich in solch einer Krise, dass ihm das alles zu fern und abgehoben erscheint. Der Nächste fühlt sich vielleicht intellektuell unterfordert. Manch einer wird sagen: Das Buch ist fragmenthaft. Ja, das ist es. Es ist nur eine Bauanleitung, das Haus muss jeder selbst bauen. Der rote Faden ist die Reflexion über das Christentum in seiner Auswirkung auf den Menschen und den Staat. Vielleicht kann der Einzelne im Buch Passagen finden, die ihn ansprechen und seine Sehnsucht wecken. Womöglich kann es helfen, sich einzulassen auf die tiefe und revolutionäre Botschaft des Christentums. Sie ist einfach und klar. Sie ist für jeden Menschen da.

Christ sein – was ist das?

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