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2. Braucht der Mensch Religion?

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Wie eingangs erwähnt, glauben manche Menschen, Ethik sei wichtiger als Religion, da religiöse Überzeugungen oft zu Aggressionen führten. Es wird gesagt, monotheistische Religionen neigten wegen ihres Absolutheitsanspruches zur Gewalt. Umgekehrt ist vermerkt worden, der Mensch brauche Religion, da er sonst mit dem Leben nicht zurechtkomme. Er schaffe sich Götter als Erklärung für das Unerklärliche, die er dann anbeten und gnädig stimmen könne.4 Hier soll es um etwas anderes gehen, nämlich um die Frage, ob der Mensch nicht „von Haus aus“ schon auf das Absolute ausgerichtet ist.

Offensichtlich steht der Mensch als Wesen des Geistes immer schon im Raum des Absoluten. Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 – 1831) hat formuliert, dass der Mensch das Relative überhaupt nur als relativ erkennen könne, weil er immer schon im Raum des Absoluten stehe. Stünde er nicht in diesem Raum des Absoluten, könnte er das Relative nicht als relativ und das Endliche nicht als endlich erkennen. Dieses Absolute zeigt sich indirekt als „Hintergrund“ und Horizont, der in allem ganz still „da“ ist. Es ist der Horizont des Seins.

Etwas konkreter: Überall dort, wo der Mensch nach Wahrheit sucht oder die Lüge als Abweichung von der Wahrheit erkennt, hat er eine Ahnung von Wahrheit. Dort, wo er etwas als ungerecht bezeichnet, hat er eine Ahnung von Gerechtigkeit, ohne diese womöglich genau definieren zu können. Wo er Unglück als Unglück wahrnimmt, hat er eine Ahnung von Glück. Er spürt auch, dass in der irdischen Welt in allem ein Zuwenig ist. Er will über die Welt hinauswachsen. Im Sport heißt es: höher, schneller, weiter! Er will auch mehr als das irdische Glück, da dieses immer wieder entschwindet. „Alle Lust will Ewigkeit“, heißt es im „Zarathustra“ von Friedrich Nietzsche (1844 – 1900). Und Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832) lässt seinen „Faust“ ebenfalls nach einer tieferen Erkenntnis streben: „Werd’ ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehn!“5

Die Sehnsucht des Menschen geht über das Endlich-Relative hinaus. „Der Mensch übersteigt unendlich den Menschen“, heißt es bei Blaise Pascal (1623 – 1662).6 Selbst der Rauschgiftsüchtige sucht etwas, was sein innerweltliches Erleben übersteigt. Allerdings findet er auf Dauer nicht das Absolute und das Glück, sondern das Endliche und Tötende. In mancher Suche nach dem besonderen „Kick“ steckt eine richtige Sehnsucht nach dem „Mehr“. Wenn aber die falschen Mittel angewendet werden, zeigt sich nicht das Große, sondern der Untergang.

Das Stehen im Raum des Absoluten und die Suche nach dem ganz anderen gehört zum Wesen des Menschen. Es abzuschneiden hieße, ihn nicht in seiner Ganzheit zu erfassen. Dieses Absolute kann es-haft sein wie ein Schicksal, a-personal wie vielfach in Asien, aber auch ganz explizit Du-haft wie in den monotheistischen Religionen. Aus deren Sicht hat das Absolute die Gestalt eines personalen Gegenübers. Dieses nennen die Juden Jahwe, die Christen Gott und die Muslime Allah. Ob es ein und derselbe Gott ist, bleibt zu hinterfragen, zumindest haben die Religionen unterschiedliche Gottesbilder.

Wenn es diesen Gott „gibt“, stellt sich die Frage, ob es sich um einen fernen Gott handelt, von dem man sich kein Bild machen und dessen Namen man nicht nennen darf, oder um einen nahen Gott, der mit dem Menschen nahezu auf Augenhöhe kommunizieren will. Ist es ein jenseitiger Gott, dem man sich blind unterwerfen muss, ohne ihn zu kennen, oder ist es ein gütiger, liebender und barmherziger Gott, den der Mensch kennenlernen kann? Ist er ein strenger Richter, der den Menschen beobachtet, klein macht und aburteilt, oder ein Gott, der den Menschen groß machen und zum Leben verhelfen will. Wenn der Mensch sich auf diesen Gott einlassen will, sollte er ungefähr wissen, welche „Eigenschaften“ er hat. Bevor auf diese Fragen eingegangen wird, sollen zunächst einige philosophische Fragen zum Leben beantwortet werden.

Christ sein – was ist das?

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