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I.7

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Die analytische Philosophie hat des Weiteren ihren Namen von der Analyse. Es ist, so sagt man in Kreisen der analytischen Philosophie, nicht die Aufgabe derselben, neue Erkenntnisse hervorzubringen. Man besann sich im 19./20. Jahrhundert darauf, »dass die Philosophie am besten beraten sei, wenn sie die Sprache analysiere, mit deren Hilfe wir uns auf Dinge und Begriffe beziehen« (E. Kanterian, Analytische Philosophie, Frankfurt 2004, S. 51).

Die sogenannte Begriffsanalyse, die den Kern der analytischen Philosophie ausmacht, dient der Rekonstruktion unserer Erkenntnis und der Klärung sprachlogischer Probleme, kann sich jedoch leicht in einen infiniten Regress verlieren.

Auch Mathematik und Logik sprechen, der analytischen Philosophie zufolge, nicht von Gegenständen. »Sie sagen gar nichts über Gegenstände aus, von denen wir sprechen wollen, sondern sie handeln nur von der Art, wie wir über Gegenstände sprechen wollen« (H. Hahn, Empirismus, Logik, Mathematik, Frankfurt 1988, S. 150). Die Mathematik, insofern sie nach Erklärungen des bereits Gesagten strebt, beruht auf Beweisen, die die Äquivalenz von Prämisse und Schlussfolgerung zum Ausdruck bringen, und die ganze Mathematik stellt somit eine unendliche Tautologie dar (Hahn 1988, S. 155). Anders lasse sich die Mathematik nicht mit der Erfahrung ins Verhältnis setzen, wie Hans Hahn, ein prominenter Vertreter des Wiener Kreises meint.

Analog handelt es sich bei der philosophischen Analyse des Begriffs »um die Strategie einen Begriff oder einen Satz durch einen anderen informativ zu erläutern. […] Doch wenn korrekte Begriffsanalysen nur begrifflich wahre Aussagen zulassen, so besteht der Verdacht, dass diese […] nicht informativ sind«, ganz einfach deshalb, weil eine solche Analyse nur vollständig ist, sobald die involvierten Begriffe synonym sind (A. Newen, Analytische Philosophie, Hamburg 2005, S. 15).

Die Analyse, die hier gemeint ist, entwickelte sich, wie gesagt, zuerst innerhalb der Mathematik und bezog sich vor allem auf mathematische Beweise, die auf logisch sowohl notwendigen wie hinreichenden Bedingungen beruhen sollten, was Prämissen und Konklusion als logisch äquivalent ausweist. Dadurch wird unerfindlich, was ein Beweis eigentlich erklärt, und wir haben ein »Paradox des Beweises« (vgl. Kapitel II.), und Newen schließt ähnlich auf ein »Paradox der Analyse«. Nicht nur das, die Analyse und die Argumentation belaufen sich, so sagt man, auf nicht mehr als ein logisch-mechanisches Rechnen.

»Die Stellung der Mathematik«, schreibt Hahn, »hat seit jeher dem empirischen Standpunkt große Schwierigkeit bereitet; denn die Erfahrung kann uns kein allgemeines Wissen verschaffen, die Mathematik aber scheint allgemeines Wissen zu sein; jedes der Erfahrung entstammende Wissen bleibt mit einem Koeffizienten der Unsicherheit behaftet, an der Mathematik bemerken wir keinerlei Unsicherheit« (a. a. O., S. 55). Die Mathematik ist ein Teil der Logik, und die Logik entsteht erst dadurch, »dass die Symbolik, die wir verwenden […] es gestattet, dasselbe auf verschiedene Arten zu sagen (a. a. O., S. 57).

Hier taucht nun das Problem der Bedeutung (des Sinns) auf, und das ist kein rein objektives Problem. Zum einen versteht man die Bedeutung (den Sinn) als mögliche Relation und als Transformation und Übersetzung. Die Bedeutung ist das bei Übersetzung invariant Erhaltene. Zum anderen kann jedoch die Bedeutung an die Referenz gebunden und ihr untergeordnet erscheinen, im Sinne einer Perspektive (unter anderen möglichen) auf einen Gegenstand als, wie Frege sich ausdrückt, Art des Gegebenseins eines Gegenstandes. Anders gesagt, der Begriff des Semantischen hat zwei sehr unterschiedliche Bedeutungen in der Linguistik und Logik einerseits und in der Mathematik andererseits (vgl. Kapitel I.5.).

In diesem Zusammenhang scheinen Frege und Husserl beispielsweise »sowohl Gegensätze wie auch einander sehr nahe zu sein« (M. Dummett, Ursprünge der analytischen Philosophie, Frankfurt 1992, S. 37; vgl. auch M. Kusch, Language as Calculus vs. Language as universal Medium, Dordrecht 1989), was dadurch plausibel wird, dass eben eine verabsolutierte Hypostasierung des Sinns (Husserl) am Ende von einer vollständigen Reduzierung desselben auf die Referenz (Frege) nicht mehr zu unterscheiden ist. Wenn man die Komplementarität von Bedeutung (Sinn) und Referenz nicht akzeptiert und stattdessen nach absoluten Grundlagen, entweder im Subjekt oder im Gegenstand der Erkenntnis, sucht, dann geht die Epistemologie den Bach hinunter.

»Sobald Husserl den Unterschied hervorgehoben hat, der zwischen der gegenständlichen Beziehung eines Ausdrucks und […] seinem Sinn besteht, sagt er über die gegenständliche Beziehung nur wenig. Im Folgenden betrifft seine Erörterung lediglich den Sinn. Hierin liegt der […] grundlegende Unterschied zwischen Frege und Husserl. Freges Theorie der Referenz (der Bedeutung) ist die Grundlage seiner Theorie des Sinns. In allen Fällen ist der Sinn eines Ausdrucks die Weise, in der sein Bezug (seine Referenz) gegeben ist« (Dummett, a. a. O., S. 48).

Dadurch wird der Sinn zu einer so untergeordneten Stellung herabgedrückt, dass man sich fragt, wozu er überhaupt dienen könnte (vgl. J. J. Katz, Sense, Reference, and Philosophy, Oxford 2004).

Beide, Husserl wie Frege, kommen zu ihren komplementären Auffassungen in der Verfolgung anti-psychologistischer Positionen. Über Freges reduktionistische Konzeption des Sinns werden wir im nächsten Kapitel und später noch sprechen. Was Husserls Phänomenologie angeht, kurz das Folgende. Jede Phänomenologie wird auf irgendeine Weise auf das Problem der Gegenständlichkeit der Abstraktionen oder Ideen stoßen, oder anders gesagt: auf das Problem des infiniten Regresses der Abstraktion und Verallgemeinerung.

»Sind A und B hinsichtlich des Rot ähnlich, und sind A und C hinsichtlich der Dreieckigkeit ähnlich, so sind diese Ähnlichkeiten verschiedenartige. Aber da stoßen wir ja wieder auf Arten. Die Ähnlichkeiten selbst werden verglichen und bilden Gattungen und Arten, wie ihre absoluten Glieder. Wir müssten also wieder auf die Ähnlichkeiten dieser Ähnlichkeiten zurückgehen und so in infinitum« (Husserl 1928, a. a. O., S. 116). Husserl sieht den infiniten Regress zur Ruhe kommen im Subjekt, im »letztlich fungierenden Ego« (Krisis § 53 ff.).

Frege dagegen sucht den Regress zu vermeiden durch Postulierung eines Bereichs von Grundobjekten oder logischen Gegenständen, die als Begriffsextensionen fungieren. Beide Auffassungen sind also komplementär. Ein Ansatz dieses Buches besteht darin, eine solche Komplementarität dynamisch zu sehen und damit zu arbeiten, indem man Referenz und Wahrheit als kontextuell versteht.

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