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GOTT HAT MICH HERGEFÜHRT, ODER?

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Ganz links an der Wand beziehe ich das einzige Stockbett und nehme die untere Liege. Die Regeln hier sind klar. 18:30 Kirche anschauen, an die die Herberge drangebaut ist. Um 19:30 gemeinsames Abendessen. 20:30 Pilgersegen und „Sharing“. Punkt eins in meinem Programmheft ist aber eine wohlverdiente Dusche. Ich bekomme langsam ein gutes Gefühl wie ich am besten mit meinen Crocs dusche, um keine der Badematten und Duschtassen berühren zu müssen. Ganz viel will ich mir vom Camino mitnehmen, doch eine gemeine Fussmykose… nein, danke! Die Crocs haben den riesigen Vorteil, dass sie fast sofort wieder trocken sind wenn du der Dusche entsteigst. Der Balanceakt einen Fuß aus dem Schuh auszufädeln und während des Einseifens in der Luft zu halten, will allerdings geübt sein.

Wunderbare Erfahrungen mache ich hier. Ich verstehe ein wenig mehr was es heißt Pilger zu sein. So sitze ich abends in der Kirchenbank und bin berührt. Tränen fließen. Mein Wunsch und meine Intentionen auf den Camino zu gehen sind klar. Ich möchte Gott näher kommen, meine „volle Tasse“ leeren und eine neue Vision für mein Leben entwickeln. Eine Frage taucht in mir auf. Wird das nur über Entbehrungen erreichbar sein?

Beim anschließenden Abendessen spreche ich mit Menschen aus aller Welt. Am Tisch vertreten sind Canada, Korea, Italien und Deutschland.

Diese Gemeinschaftsabendessen sind überaschenderweise eine inspirierende Sache. So bin ich automatisch viel mehr im Kommunikationsmodus als zuhause. Spreche viel Englisch und wenig Deutsch. Höre und staune über fremde Kulturen.

Doch trotz der guten Stimmung fühle ich mich ein wenig krank da ich heute an meine Konditionsgrenze gestoßen bin.

Das Sharing, ein Beisammensitzen auf der Kirchenempore ist wirklich ein besonderes Erlebnis.

Die Atmosphäre, die die Herz-Jesu-Schwestern hier im Beisammensein herstellen ist stimmig und wertvoll.

Wir setzen uns im Kreis auf Sesseln, manche auf den Boden und werden still. Eine Schwester stellt eine Frage. Ich traue mich als erster im Kreis das Eis zu brechen und spreche von meinen Motivationen meiner Pilgerschaft. Es ist ein schönes Gefühl die eigenen Vorsätze laut vor anderen auszusprechen. Sie gewinnen dadurch an Kraft und ich fühle mich angenommen. Danach stimmen auch Andere in den Reigen ein. Ein junger Mann sagt, dass er es nicht akzeptieren kann, dass seine Beziehung gescheitert ist und seine Frau nun einen anderen Mann hat. Ein anderer gutverdienender Geschäftsmann zweifelt, dass Geld alles an Wert sein kann den er in seinem Leben hat. Seine Familie sieht er nicht besonders oft. Er hadert. Soviele Pilger, soviele Schicksale und Motivationen.

Wir bekommen einen Zettel ausgehändigt auf dem „Der Weg: Gleichnis und Wirklichkeit“ und „Seligpreisungen des Pilgers“ aufgedruckt sind.

Es sind Worte der Weisheit. Es steht da geschrieben, dass der Weg mich durchdringt, mich ändert und mich zu einem Pilger macht. Dass er mich einfacher macht. Ja, dass wünsche mich mir.

Diese Formung und Reflektion empfinde ich am Anfang des Jakobweges als überaus wichtig.

Vor dem endgültigen zu Bettgehen bitte ich noch um eine Banane, da ich das Gefühl habe, das durch meine körperliche Überanstrengung mein Elektrolythaushalt entgleist ist und mein Herz dringend um Kalium bittet. Es stolpert spürbar. Danach bin ich erschöpft eingeschlafen. Oh Wunder, nur ein moderater Schnarcher war nächtens zu vernehmen. Ich kann, besser gesagt darf, schlafen. Ich sag es ja: Er hat mich hergeführt.

27.9. Pamplona

Selig bist Du, Pilger, wenn Du entdeckst, dass der „Weg“ ein Weg der Stille und des Gebetes ist und, dass das Gebet Dich den Vater finden lässt, der auf Dich wartet“ (Seligpreisung aus Zabaldica)

Aufgewacht und aufgestanden… und leider bei der morgendlichen Fußinspektion aufgrund des gestrigen „Übermarsches“ eine Blase im Anfangsstadium entdeckt. Auf der rechten Innenferse. Daumennagelgroß. Erstmal abgeklebt. Hallo, ich bin der Krankenpfleger hier, ich weiß was ich tue. Über Nacht habe ich mich wieder etwas regeneriert, habe aber schon als Plan im Kopf, meinem geschundenen Körper heute mehr Ruhe zu geben. Und wie geht das am besten? Weniger hatschen und ein Einzelzimmer nehmen. Mein Körper ist so ein Pensum einfach nicht gewöhnt.

Der Einzug in Pamplona führt nach einem Tagesmarsch über lange, geteerte Straßen der Vorstädte. Die Magdalena Brücke über den Fluss Arga stellt den Punkt dar, an dem ich die erste größere Stadt erreiche. Gleich links geht’s zur Herberge der sogenannten „Pilgerfreunde aus Paderborn“. Dort erbitte ich Einlass da ich ein dringendes Bedürfnis habe, ernte aber ein nassforsches „Geht nicht, da wird gerade sauber gemacht“. Wer`s glaubt wird selig. Die wollen nur nicht aufmachen. Mach ich halt wieder „wild“. Mir ist schon aufgefallen, dass der Rucksack und mein Gesamtbild mir eine Art Legitimation dafür geben. Natürlich nicht überall. Mit der Ausrede auf der Zunge „Sehen Sie nicht, dass ich Pilger bin und kein Zuhause habe?“ falls ich doch einmal schief angesprochen werde. Das ist übrigens auf dem ganzen Weg nicht einmal vorgekommen.

Trotzdem. Für den zivilisierten Menschen ist das eine neue und eher unangenehme Erfahrung nirgends zu wohnen oder „hinzukönnen“. Man gehört hier nirgends wirklich hin.

Im Zentrum von Pamplona angekommen gehe ich sogleich in`s Tourist office, wo mir eine Mitarbeiterin ein paar Unterkunftsadressen in gewünschter Qualität am Stadtplan anstreicht. Da sollte ich die Spanier ein weiteres Mal in ihren Eigenheiten kennenlernen. Ohne vorher anzurufen, machen die dir nämlich oft gar nicht erst die Türe auf. So bin ich, bei inzwischen kühlem Wind bibbernd, leicht frustriert klingelnd kreuz und quer durch die Innenstadt unterwegs. Bis ich endlich eine ganz nette kleine Pension finde, welche ihre Pforte auch tatsächlich auftut. Ein einziges Zimmer ist hier noch frei.

45,- ohne Frühstück, naja, passt schon. Rucksack abstellen. Zuerst Obst und Gemüse einkaufen und danach ein Schläfchen halten, ist vorerst geplant. Alle Speicher des Körpers wieder auffüllen.

Das längere Gehen in den Crocs, auf die ich unterwegs gewechselt habe, tut der Blase allerdings auch nicht besonders gut. Ich hinke durch Pamplona. Doch keine Sorge, ich bin in guter Gesellschaft. Humpeln gehört hier zum Stadtbild. Ich hoffe natürlich, dass ich morgen wieder fit bin, denn ich sorge mich bereits ein wenig um mein Tempo und mein Budget.

Kann ich es schaffen? Auch hier, am Weg, entsteht also Druck. Nicht nur Zuhause. Wär ja noch schöner. Auch der Druck meine Klamotten zu waschen überfällt mich. Super, es gibt einen zentral gelegenen Waschsalon. Ich gehe hinein und reime mir zusammen was auf dem Schild über den Waschtrommeln steht. Irgendwas mit „Suivizante“. Es wird also automatisch Weichspüler zugeführt? Na toll, dann kann ich hier nicht waschen, da der Waschzusatz meine High-Tech Fasern in Hose und Hemd außer Funktion setzen. Ich gehe wieder.

War ich damals naiv. Später hab ich gelernt, dass ich mich über jeden Waschsalon gefreut habe und es mir egal war ob da was dazugespült wird oder nicht. Die Klamotten stinken. Oder wasch mal dauernd die Sachen selber im Waschbecken.

Da ich in Kayola meine nagelneue High-tech Wanderunterhose habe liegenlassen muss ich nun für Ersatz sorgen. Es gibt hier glücklicherweise ein Geschäft mit allem was der Pilger so braucht.

Aha, Leibwäsche hat der gute Mann auch im Angebot. Für 5 Euro? Das kann nichts tolles sein, wenn meine verlorene 20,- gekostet hat. Wurscht. Es sind keine anderen verfügbar, deswegen kaufe ich jetzt dieses Modestück aus Plastik und aus.

Pamplonas Innenstadt sticht hervor mit seinen engen, mittelalterlichen Gassen. Ich kann mir richtig vorstellen was los ist, wenn der „Encierro“, das weltbekannte Bullenrennen stattfindet. Zurück in die Pension gewatschelt, wasche ich dann das nötigste im Waschbecken selber. Währenddessen überlege ich hin und her was in meinem Rucksack unnötig sein könnte. Gewicht sparen wäre schon gut, aber bis auf den aufblasbaren Polster und mein winziges Wörterbuch scheine ich alles zu brauchen.

Ich lasse also mal alles drin. Vielleicht brauche ich auch die zwei Sachen noch irgendwann. Es sind ja schließlich noch 730 Kilometer!

Beim abendlichen Reflektieren spüre ich folgendem nach: Heute bin ich also das erste Mal durch eine Stadt gepilgert. Da ist eine deutlich andere Energie spürbar. Die Menschen sehen mich anders an als sonst. Bin ich mit meiner Erscheinung in deren Augen ein Obdachloser? Ich merke, dass es mir schwerfällt „bei mir zu bleiben“ und nicht sofort wieder der Geschwindigkeit der Großstadt zu erliegen und in derem Takt mitgerissen zu werden. Das fühlt sich ungut an, denn genau dieser beschleunigten Welt wollte ich entfliehen.

Ach ja, heute bin ich das erstes Mal umgeknickt. Einmal kurz nicht aufgepasst und einfach in ein Loch im Asphalt getreten. Knöchel und Knie knackten schauderlich. Schock lass nach! Kurze Bestandsaufnahme. Ok, nix passiert. Geht wieder. Puuh. Die hohen Trekkingschuhe verursachen zwar Blasen, retten mich aber vor einem Bänderriss! So was. „So schnell kann det janze vorbei sein“, würden Berliner sagen.

28.9. Muruzabal

Gut geschlafen und gut erwacht. Da ich ein Foto der Skulptur des Stierrennens machen will, welche abseits des offiziellen Pilgerweges ist, muss ich anschließend den markierten Weg suchen. Ohne die üblichen, gelben Wegweiser, welche bisher immer gut sichtbar waren fühle ich mich etwas verloren. Das lange Gehen ist anstrengend genug und nach dem Weg Ausschau halten zu müssen ist einfach nur nervig.

Heute gibt’s zuvor noch eine Premiere der anderen Art: Es ist der erste Tag, den ich mit Schmerzen beginne. Im rechten Fuß. Es ist die bereits erwähnte Blase. Ich habe sie bisher geschont und verbunden was möglich war, trotzdem spüre ich nun Schmerzen bei jedem Schritt. Ich versuche Schonhaltungen beziehungsweise Schongänge anzuwenden, merke aber bald, dass der hierfür zu bezahlende Preis Schmerzen in anderen Regionen des Körpers sind.

Auffällig durch die Gegend humpelnd frage ich mich, wieviel Meter es wohl so werden können und was zu tun sei. Mir fällt die Geschichte einer Frau ein, deren Sohle eine einzige Blase gewesen sein soll. Diese musste im Krankenhaus versorgt werden und sie bekam eine mehrtägige Pause verordnet. Ein Gedanke den ich nur verdrängen kann.

Der Pulk an Pilgern schlängelt sich zahlreich aus Pamplona heraus, vorbei an Universität und Klinik. In Pamplona selbst starten auch einige Pilger ihren Weg, deswegen die zahlenmäßig unerwarteten Scharen. Das Wetter ist warm und angenehm, wären da nicht diese Schmerzen. Es ist mir kein Trost einen jungen Mann vor mir zu sehen, der auch ordentlich hinkt.

An einer Stelle wo der Asphalt der Stadt den steinigen Wegen des Umlandes weicht, sitzt am Wegesrand ein gebräunter, junger Mann mit langen Dreadlocks und macht Pause. Und die kann ich ihm nicht verdenken denn er… geht barfuß! Ich traue meinen Augen nicht. Ok, in der Stadt von mir aus, aber auf den mit spitzen Steinen gespickten Wegen? Ich frage mich wie das geht und was ihn antreibt. Lustig ist das wohl nicht. Doch er macht einen relativ zufriedenen Eindruck und grüßt sogar.

Beim nächsten Stopp treffe ich den Deutschen wieder, mit dem ich in so schöner Runde in Zabaldica zusammengesessen bin. Wir sprechen über die gemeinsame Erfahrung und er sagt mir, dass er nicht die Zeit hat den ganzen Camino zu gehen und außerdem nur wenig Geld habe. Ich gebe ihm von meinem Essen und wir sitzen da und schauen dem Kommen und Gehen der anderen Pilger zu. Auch der Barfuß-Mann kommt vorbei. Der ist natürlich die Attraktion. Eine Chinesin fordert ihn ganz aufgeregt auf sein T-Shirt auszuziehen um seinen, zugegebenermaßen, muskulös trainierten Oberkörper zu fotografieren. Er kommt ihrem Wunsch nach, was diese ganz verzückt aufquietschen lässt. Dem Typ traue ich sogar zu im Handstand weiterzugehen, so wie der aussieht.

Unser aller nächstes Ziel ist von hier aus sichtbar. Ein Bergrücken mit riesigen Windrädern zur Stromerzeugung. Da müssen wir rauf. Steil rauf. Auf klotziger Steinpiste bis zum „Puerte del Perdon“. Ja, Perdon. Entschuldige dich ruhig für die Strapazen die du uns bescherst.

Endlich oben angekommen, schlürfe ich genüsslich ein Doserl Energydrink und lasse ein Foto von mir machen. Der Bergrücken ist sehr schmal, dementsprechend können wir alle direkt sehen was auf uns zukommt. Es geht über eine Geröllpiste steil auf der anderen Seite wieder hinunter. Der Reiseführer warnt davor, dass es hier bereits einige gefährliche Stürze gab. Na super. Beruhigenderweise geht es meinen Knien gut, aber inzwischen tut mir auch die rechte Achillessehne weh. „Ja, Leckamino“ (ein neues Wort ward geboren, dass ich noch häufiger in schwierigen oder lustigen Situationen laut vor mich hinsprechen werde). Das interessante ist, dass ich den Schmerz gerade relativ gut ausblenden kann. Nur stehenbleiben darf ich nicht, denn das wieder losgehen tut komischerweise besonders weh.

Mitten am Schutthang kommt mir vom Fuße des Berges ein sympathisch aussehender Mann entgegen der mich freundlich anspricht „ob ich denn schon eine Bleibe hätte“? In astreinem Englisch. Ich sage überrascht „No“ und er drückt mir eine Visitenkarte in die Hand. Schaut gut aus das Haus, weiter als zum nächsten Ort wollte ich sowieso nicht gehen. So verhandle ich noch preislich und frage ob sie auch Einzelzimmer haben um ihm schließlich zuzusagen. In freudiger Erwartung hatsche ich also tapfer Kilometer für Kilometer weiter in Richtung der angegebenen Adresse. Der Weg hat sich steinetechnisch inzwischen beruhigt, als ich drei Männer von hinten höre, die mit lauter Techno Musik unterwegs sind und den Camino 200 Meter vor und hinter sich beschallen. Ich ärgere mich. Die entweihen doch den Weg mit ihrem Krach, denke ich mir und bleibe stehen um sie vorbeizulassen. Als sie mich passieren und meinen völlig verdutzt-ärgerlichen Gesichtsausdruck bemerken grinst mich der eine an und meint: „walking music“. Aha. Danke für die Information. So ein Pfosten. Mir fällt überhaupt auf, dass ich heute den ganzen Tag über immer wieder Ärger und Aggressionen empfinde. Das ist neu. Hat vielleicht mit meinen unterdrückten Schmerzen zu tun?

Nach anspruchsvollen 20 Kilometern erreiche ich stöhnend und immer wieder spitze Schmerzensschreie ausstoßend die superschöne und erst zwei Jahre alte Herberge „El Jardin“. Die Werbung hat gestimmt. Ein kleines Paradies. Hier kehre ich gerne ein. Viel weiter hätte ich allerdings sowieso nicht gehen können. Autsch. Rein ins Einzelzimmer. Costa quanta nur 35,- inklusive Frühstück und einer Kleiderwäsche in einer respektablen Miele Waschmaschine. Gibt’s den sowas? Ich krieg von der Hausherrin zwar nur das Expressprogramm zugestanden, handle mir aber einen Extra Spülgang heraus.

Ich kann es kaum erwarten die frische Wäsche selber auf die Leine im Garten in die Sonne zu hängen. So duftend. Dann ganz gemütlich duschen. Und wer sitzt beim super leckeren Abendessen neben mir? Terry, der Typ aus dem Flugzeug, der mir mit seiner Frage „You go the camino?“ gut in Erinnerung geblieben ist. Gespräche am Tisch führe ich nach links auf Englisch, nach rechts und nach vorne auf Deutsch. Hier lerne ich Resi und Maria kennen. Anscheinend schreibt sie sich mit drei „M“, da sie sich mir mit „MMMaria!“ vorstellt. Sie meint wohl, wenn sie mir ihren Namen erstmalig in dieser Art und Weise vermittelt, dass ich ihn mir besser merke. Hat funktioniert. „Resi“ ist auch so außergewöhnlich genug. Zwei Frauen in reiferem Alter aus Bayern. Die Bayern mag ich sowieso. Humorvoll, erdig und unkompliziert. Wir sind uns auf Anhieb sympathisch.

Am Tisch vis-à-vis eine Frau, geschätzt in den Vierzigern, die mir einreden will, dass die „Faden-durch-die-Fußblase-ziehen-Methode“ eine tolle Sache wäre um weitergehen zu können. Duktus ist die ewige Wanderfrage des Blasenaufstechens oder nicht. Die Methode besagt, dass das Öffnen der Blase an zwei Punkten in Gehrichtung dafür sorgt, dass das Sekret über einen eingezogenen, dünnen Faden ablaufen kann. Mir hat schon damals nicht eingeleuchtet, wie die Sterilität im Wundgebiet gewahrt bleiben soll. Meinen Einwand der Gefahr einer Infektion wischte die Gute mit einem „das ist Blödsinn“ vom Tisch. Beide sagen wir uns, dass wir das gelernt hätten und daher wüssten was wir sagen. Keiner von uns möchte sich aber scheinbar outen was genau er von Beruf ist. In diesem Gespräch lerne ich, dass am Camino unheimlich viele selbsternannte Profis in Sachen Medizin unterwegs sind. Jeder mit seinen eigenen guten Tipps. Meine krankenpflegerischen Künste waren übrigens von Anderen am ganzen Weg kaum gebraucht worden. Für mich selber hab ich diese allerdings häufig nutzen können.

Egal wie, ich habe mich damals über diese, in meinen Augen rechthaberische und aggressive Frau geärgert. Sie hatte etwas total Negatives an sich, das mich klar werden ließ aufzupassen mit wem ich am Camino meine Zeit verbringe.

Als ich den Tag Revue passieren lasse, fällt mir auf, dass ich bei Dingen die mir begegnen innerlich besonders aufmache. Ich bin offener als sonst. Deshalb spüre ich intensiver. Lektion des Tages ist für mich auch, dass ich Schmerzen bemerken soll aber nicht darin verhaftet bleiben muss. Ich bin schon ein wenig stolz auf mich.

Eines muss ich aber, wie schon in Roncesvalles, feststellen. Diese Unterkunft mit all ihrem Überfluss ist für den Camino fast zu viel des Guten. Jedenfalls für mich. Bringt mich Verzicht nicht doch weiter als Komfort? Ich schüttle den Kopf über gerade geschriebenes…das muss ein neues Ich in mir sein…

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