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Ärgerkontrolle

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Wenn Ärger zu spontanen Du-Botschaften führen kann, stellt sich die Frage, wie sich dieses vermeiden lässt. Es lassen sich hierzu einige Vorgehensweisen benennen:

Änderung von Verhaltensweisen

- Dem anderen wird mittels einer Ich-Botschaft mitgeteilt, dass ein Gespräch später erfolgt.

Beispiel:

Die Mutter kann zu ihrem Sohn, der die Musikanlage laut aufgedreht hat, sagen: „Ich bin jetzt sehr ärgerlich darüber, dass Du die Musik so laut hast, obwohl ich lese. Ich möchte jedoch nicht in der Verfassung mit Dir jetzt ein Gespräch führen, sondern heute Nachmittag.“

- Tritt Ärger auf, ist es ratsam, sich schnell aus der Situation zu entfernen und sich dafür selbst zu belohnen.

Beispiel:

Die Mutter könnte, sofern sie momentan Zeit hat, die Wohnung verlassen und in der Stadt shoppen.

- Zukünftige Situationen, in denen ein unannehmbares Verhalten auftreten kann, vorwegnehmen und sich überlegen, wie man angemessen reagieren kann.

Beispiel:

Sie haben bei Ihrem Verkehrsunternehmen telefonisch um eine Bescheinigung Ihres Abonnements für das vergangene Jahr gebeten, die Sie für Ihre Einkommenssteuererklärung benötigen. Als nach einer Woche noch keine Bestätigung vorliegt, beschließen Sie, noch einmal telefonisch nachzufragen. Aufgrund von Erfahrungen halten Sie es für möglich, dass Sie eine negative Antwort erhalten (so etwa: „Das Ausstellen von Bescheinigungen ist für uns nicht so dringlich. Ich kann Ihnen auch nicht sagen, wann Sie Ihre erhalten. Gedulden Sie sich ein wenig.“) und versuchen, sich hierauf mittels der Vorwegnahme einer Konfrontierenden Ich-Botschaft einzustellen.

Maßnahmen zur Verringerung bzw. Vermeidung des Ärgers

- in allgemeiner Weise die Einstellung zu unannehmbarem Verhalten ändern

Unannehmbares Verhalten von anderen als etwas im mitmenschlichen Umgang Unvermeidliches betrachten

- veränderte Sichtweisen spezifischen unannehmbaren Verhaltens über ärgerreduzierende Kognitionen

keine Absicht, Verantwortlichkeit oder Gerechtfertigtsein unterstellen

Die handlungstheoretische Aggressionstheorie von Kornadt unterstellt, dass vorgenannte Kognitionen einen spontan auftretenden Ärger reduzieren können.

Beispiel:

Die Eheleute Müller haben sich darauf geeinigt, dass der Ehemann einkauft, da er früher von der Arbeit kommt. Als Frau Müller nach Hause kommt, sind keine Lebensmittel da. Herr Müller sagt zu ihr, dass er heute länger arbeiten musste und darüber auch vergessen habe, noch einzukaufen. Dadurch, dass Frau Müller Gründe für ein deprivierendes Verhalten erhält, verringert sich ihr Ärger: Sie erfährt, dass ihr Ehemann versehentlich nicht eingekauft hat. Sie kann darüber hinaus seinem Verhalten auch eine verminderte Verantwortlichkeit aufgrund von Überlastung zuschreiben.

sich fragen, ob das Ausmaß der Schädigung den Ärger rechtfertigt

Beispiel:

Ist es wirklich so schlimm, wenn der Partner einmal das Einkaufen vergisst?

sich positive Verhaltensweisen des Partners vor Augen führen

Beispiel:

sich sagen, dass der Partner normalerweise ja immer einkaufen geht

- zu einer optimalen eigenen Bedürfnisbefriedigung gelangen

Ist man selbst zufrieden, so erlebt man ggfs. das unannehmbare Verhalten einer anderen Person als nicht so unangenehm.

- mit anderen reden

Ergibt sich die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Dritten, so kann dieses eine Möglichkeit darstellen, sich seines Ärgers zu entledigen.

- Kontrolle des Ärgers durch Selbsteinfühlung: Ermittlung von primären Emotionen

zu den hinter dem Ärger liegenden primären Gefühlen gelangen

- Kontrolle des Ärgers durch

tiefes Durchatmen und bis zehn zählen

spezifische Entspannungstechniken, z. B. autogenes Training

Beeinträchtigungen sofort anmelden und nicht anhäufen

Beispiel:

Wenn die Unzuverlässigkeit des Partners hinsichtlich des Einkaufens stört, dann sollte eine Botschaft hierüber möglichst bald erfolgen. Häufen sich hingegen Beeinträchtigungen, so hat das zur Folge, dass der Ärger sich erhöht.

(4) Nicht erfolgreiche Konfrontierende Ich-Botschaft: Das Umschalten

Wenngleich es gute Gründe dafür gibt, dass eine Konfrontierende Ich-Botschaft wirksam ist, so kann sie gleichwohl auch nicht erfolgreich sein. Hierbei lassen sich zwei Sachverhalte unterscheiden:

- Eine Konfrontierende Ich-Botschaft ruft Widerstand hervor.

- Dem unannehmbaren Verhalten liegt ein starkes Bedürfnis zugrunde. Gleichzeitig werden keine Handlungsalternativen zur Bedürfnisbefriedigung wahrgenommen.

An dieser Stelle soll zunächst dem Sachverhalt des Widerstands Aufmerksamkeit geschenkt werden (vgl. u. a. Gordon, „Die neue Beziehungskonferenz“, 2001, 106ff)

Eine Konfrontierende Ich-Botschaft ruft Widerstand hervor

Reagiert eine Person mit Einwänden auf die Konfrontierende Ich-Botschaft, so wird davon gesprochen, dass sie Widerstand zeigt. Hierfür können unterschiedliche Gründe verantwortlich sein („Handbuch für Kursleiterinnen und Kursleiter im Gordon-Familientraining“, Hg. Karlpeter Breuer, V 19):

- Der andere stimmt mit der Häufigkeit des angesprochenen Verhaltens nicht überein, d. h. die Verhaltensbeschreibung wird nicht akzeptiert.

- Das Ausmaß der Schädigung wird nicht akzeptiert.

- Der andere zeigt auch ein nicht akzeptables Verhalten: Die Ich-Botschaft wird als nicht legitim angesehen.

- Obwohl die Ich-Botschaft dem anderen keine Lösung vorschreibt und auch diesen nicht herabsetzt, so drückt sie doch eine negative Bewertung seines Verhaltens aus mit der Folge, dass dieser ggfs. Scham empfindet.

Im Gordon-Modell wird nun der Widerstand so interpretiert, dass der andere aufgrund der Ich-Botschaft ein Problem hat. Wie Sie sich vielleicht noch erinnern, soll auf Probleme von anderen mit Aktivem Zuhören reagiert werden. Und dies wird auch hier empfohlen. Mittels dieser Gesprächsform werden die aufgrund der Konfrontierenden Ich-Botschaft hervorgerufenen Gedanken und negativen Gefühle (Empörung, Scham, Angst, Entsetzen, Schreck, Enttäuschung etc.) widergespiegelt. Zugleich erfolgen weitere Konfrontierende Ich-Botschaften. Wird mit dem Aktiven Zuhören der Erlebnissituation des anderen Rechnung getragen, so soll mit den genannten Ich-Botschaften zugleich die eigene Bedürfnislage berücksichtigt werden.

Betrachten wir noch einmal das Beispiel mit den schmutzigen Schuhen. Das Kind könnte auf die o. a. Konfrontierende Ich-Botschaft der Mutter antworten: „Meine Schuhe sind ja gar nicht so schmutzig.“ Die Mutter reagiert hierauf wie folgt: „Du meinst, ich übertreibe, es stört mich aber trotzdem, wenn auf dem Fußboden Fußabdrücke zu sehen sind, nachdem ich gerade geputzt habe.“

Wie wirkt sich nun das Umschalten auf die Erlebnissituation des anderen aus? Führt die erste Konfrontierende Ich-Botschaft zu einer höheren negativen emotionalen Erregung, so senkt das Aktive Zuhören das Erregungsniveau. Eine nachfolgende Konfrontierende Ich-Botschaft lässt die Emotionen wieder ansteigen und durch Aktives Zuhören wieder senken. Im Verlauf des Umschaltens schwächen sich jedoch die Emotionen zusehends ab, und der andere wird dann fähig, sich mit seinem unannehmbaren Verhalten und möglichen Handlungsalternativen zu seinem bisherigen Verhalten zu beschäftigen. Das Umschalten wird zum Abschluss noch einmal anhand eines Fallbeispiels aus der Paarbeziehung demonstriert:

Die Ehefrau dreht das Fernsehen laut auf. Der Ehemann hat noch Arbeit mit nach Hause gebracht, mit der er sich gerade beschäftigt. Er geht ins Wohnzimmer zu seiner Frau, da er sich gestört fühlt.

Ehemann:

Wenn Du das Fernsehen so laut machst, dass ich alles im Arbeitszimmer gut verstehe, dann kann ich mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren, zumal ich schon müde bin. Habe ich die Arbeit bis morgen früh nicht erledigt, dann kann ich einen für die Firma wichtigen Termin nicht wahrnehmen. Ich befürchte dann, einen Verweis zu erhalten, und das beunruhigt mich.

Ehefrau:

Dass Du aber auch immer zu Hause arbeiten musst! Ich bin es leid, immer Rücksicht nehmen zu müssen.

Ehemann:

Du bist stark darüber verärgert, Dich öfters einschränken zu müssen?

Ehefrau:

Du hast nie Zeit für mich, hast immer nur Deine Arbeit im Kopf!

Ehemann:

Du möchtest auch mehr mit mir zusammen sein. Wir können gerne einmal darüber sprechen. Es ist nur so, dass ich jetzt unter Zeitdruck stehe, die Arbeit bis morgen fertig zu haben.

Ehefrau

In Ordnung. Ich bin bereit, mich noch einmal einzuschränken. Aber wir müssen in den nächsten Tagen einmal ein klärendes Gespräch führen.

Ehemann:

Vielen Dank für Dein Verständnis.

Der Prozesscharakter des Umschaltens: Gesamtbetrachtung

Umschalten als Reaktion auf den Widerstand einer anderen Person stellt einen Prozess dar, an dessen Ende die Bereitschaft vorliegen kann, ein unannehmbares Verhalten zu verändern:

- Zu Beginn des Umschaltens hört die geschädigte Person verstärkt aktiv zu. Eine mögliche Erregung des anderen, ausgelöst durch eine vorangehende Ich-Botschaft, wird so allmählich abgebaut.

- Besteht das Umschalten aus einem Wechsel von Aktivem Zuhören und Ich-Botschaften, so wird die schädigende Person durch den Abbau der Erregung in die Lage versetzt, sich vorbehaltloser mit dem Inhalt der Ich-Botschaft auseinanderzusetzen, d. h. sie bekommt Einblick in die Befindlichkeit der geschädigten Person und „lernt“ so, diese besser zu verstehen.

- Gleichzeitig führt eine geringere emotionale Erregung dazu, dass die Aufmerksamkeit auch darauf gelegt wird zu ergründen, wie sich die hinter einem unannehmbaren Verhalten liegenden Bedürfnisse auch anderweitig befriedigen lassen.

- Nennt die schädigende Person Lösungen, so überprüft die geschädigte Person, ob sich die Lösungen mit ihren Bedürfnissen vereinbaren lassen. Sie teilt das Ergebnis dann mittels einer Ich-Botschaft mit.

Es kann sein, dass die schädigende Person keine Verhaltensalternativen benennt, sondern nur fortwährend Widerstand leistet. Es ist dann die Verlockung für die geschädigte Person groß, selbst Lösungen zu benennen. Hiervon wird jedoch abgeraten, da dadurch der Widerstand der schädigenden Person vergrößert werden kann. Stattdessen kann dann festgestellt werden, dass ein Konflikt vorliegt. Im Rahmen eines dann nachfolgenden Konfliktlösungsgesprächs kann auch die geschädigte Person Lösungen präsentieren (siehe den nachfolgenden Abschnitt „Niederlagelose Methode der Konfliktlösung“).

- Wird eine Lösung angenommen, dann wird ein Konflikt vermieden. Ein Konflikt liegt hingegen vor, wenn für die geschädigte Person keine Lösung akzeptabel ist oder wenn die schädigende Person keine Lösungen präsentiert.

Es liegt ein starkes Bedürfnis vor, und gleichzeitig werden keine Handlungsalternativen zur Bedürfnisbefriedigung gesehen.

In einem solchen Fall liegt ein Bedürfniskonflikt vor, d. h. wir haben wechselseitig ein Problem miteinander, und es wird dann empfohlen, die Methode der Niederlagelosen Konfliktlösung anzuwenden. Diese soll nun dargestellt werden. Doch zuvor soll noch einmal ein Vergleich erfolgen zwischen dem zuerst behandelten Sachverhalt, dass eine andere Person ein Problem hat, und dem hier dargestellten, dass ich selber mit dem anderen ein Problem habe (vgl. hierzu Gordon, „Familienkonferenz“, 2000, 120).

Die andere Person hat ein Problem:

- Ich bin primär an dem Anliegen des anderen interessiert

- Ich höre zu

- Ich berate

- Dem anderen zu einer eigenen Lösung verhelfen

- Ich akzeptiere die Lösung des anderen

Ich habe ein Problem mit einem anderen:

- Ich bin primär an meinem Anliegen interessiert

- Ich rede

- Ich beeinflussse

- Ich finde selbst eine Lösung

- Ich muss selbst mit der Lösung zufrieden sein

Deutlich wird, dass ich eine eher passive Rolle einnehme, wenn der andere ein Problem hat, und eine eher aktive, wenn ich ein Problem habe.

Miteinander statt gegeneinander-Partnerschaftliches Problemlösen

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