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Metatheoretische Aussagen zum partnerschaftlichen Beziehungskonzept

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Wertvorstellungen

Im Rahmen des Gordonschen Beziehungskonzepts geht es um Lösungen bestimmter Probleme. Es lassen sich dabei im Prinzip Lösungen (im Sinne von wünschenswerten zukünftigen Zuständen, d. h. Zielen) mittels verschiedener Handlungen (Methoden) herstellen lassen. Dieses ist ein wichtiger Grundsatz der Handlungstheorie. Es stellt sich dann die Frage, welche von den möglichen Handlungen (Methoden) ausgewählt werden soll. Auswahlkriterien können einmal Nutzen-, Kosten- und Wirksamkeitserwägungen sein:

- Verschiedene Handlungen können zwar zum gleichen Ziel führen, jedoch mit unterschiedlichen Kosten (Aufwendungen, unerwünschten Nebenwirkungen) verbunden sein.

Wenn Sie Vollzeit studieren, müssen Sie sich zeitlich weniger einschränken, als wenn Sie versuchen, einen Studienabschluss neben Ihrer Arbeit übers Fernstudium zu erhalten.

- Zudem können bestimmte Handlungen noch einen zusätzlichen Nutzen erbringen.

Um Einkäufe bei einem 3 km entfernten Discounter zu erledigen, kann ich ein Auto oder ein Fahrrad benutzen. Das Fahrrad ermöglicht mir zudem, Sport zu treiben, was für mich eine hohe Bedeutung hat.

- Möglicherweise sind verschiedene Handlungen auch in unterschiedlichem Ausmaß dazu geeignet, ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

Die Wahrscheinlichkeit, ein Studium in Vollzeit abzuschließen, dürfte als höher einzuschätzen sein, als ein solches neben dem Beruf.

Die vorgenannten Faktoren entsprechen dabei denjenigen, die von der Wert-Erwartungstheorie generell dem Handeln von Menschen zugrunde gelegt werden (vgl. z. B. in der Soziologie Langenheders Theorie menschlicher Entscheidungshandlungen, in der Psychologie z. B. die Handlungstheorie von Kurt Lewin, u. a. Lewin, Kurt:”The Conceptual Representation and the Measurement of Psychological Force”)

Neben den genannten Auswahlkriterien lässt sich dabei eine Handlungsauswahl auch von Wertvorstellungen leiten.

Wenn ich in einem Geschäft bin, um ein begehrtes Kleidungsstück zu bekommen, so könnte ich versuchen, in einem unbeobachteten Moment dieses Teil an mich zu nehmen und damit unverzüglich das Geschäft zu verlassen. Ich entschließe mich jedoch, es zu bezahlen, da ich es wichtig finde, für eine Leistung eine Gegenleistung zu erbringen.

Hierauf weist im Rahmen der Soziologie insbesondere Talcott Parsons hin, u. a. Parsons, Talcott et al: “Toward a General Theory of Action”. In der psychologischen Handlungstheorie im Sinne der Wert- Erwartungstheorie sind Werte Bestandteil verschiedener Motivtheorien, jedoch nicht eigenständiges Element der allgemeinen Theorie (vgl. z. B. Heckhausen, „Motivation und Handeln“, 1980).

So werden Werte u. a. als wirksam angesehen beim Hilfehandeln oder aber auch beim Konsum von bestimmten Lebensmitteln in bestimmten Kulturen.

Wissenschaftliche Theorien zur Veränderung von Verhalten orientieren sich an der Wirksamkeit von Methoden (vgl. in diesem Sinne u. a. die Klassische Verhaltenstherapie, die sich u. a. orientiert an der Skinnerschen Verhaltenstheorie). Nachrangig ist dabei die Beschäftigung mit der Frage, ob bestimmte Methoden bestimmten Werten entsprechen. Im partnerschaftlichen Beziehungskonzept von Thomas Gordon hingegen hat die Begründung der Methodenauswahl durch Werte eine Priorität. Gleichwohl unterstellt er, dass seine Methoden auch wirksam sind, keine höheren Kosten als andere Interventionen verursachen und zudem ein zusätzlicher Nutzen im Sinne einer erhöhten Beziehungsqualität entsteht.

Thomas Gordon vergleicht häufig seinen partnerschaftlichen Stil der Problemlösung in Beziehungen mit einem machtorientierten und zieht bei diesem Vergleich Wirksamkeits-, Nutzen- und Kostenüberlegungen mit ein. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass der partnerschaftliche Stil in allen vorgenannten Dimensionen dem machtorientierten überlegen ist (vgl. insbesondere Gordons „Neue Familienkonferenz“).

Wertaussagen macht Gordon einmal direkt in Bezug auf Problemlösungsmethoden, zum anderen lassen sich diese erschließen über die verwendeten Methoden.

So sind Werte wie Hilfsbereitschaft, Eigenständigkeit, Einfühlungsvermögen, Offenheit, Rücksichtnahme, Vertrauen, Gerechtigkeit, Toleranz, Selbstkontrolle, Gleichberechtigung, Verantwortlichkeit und Respekt Bestandteile des Beziehungskonzepts. Hierzu nun einige Präzisierungen:

- Personen sollen bei der Befriedigung ihrer Bedürfnisse auch diejenigen von anderen Personen achten.

- Probleme sollen gelöst werden unter Beachtung der Selbstbestimmung von Personen: Bereitet mir jemand ein Problem mit seinem Verhalten, so soll ich ihm die Freiheit lassen, sein Verhalten zu ändern. Im Vordergrund steht damit die Selbstkontrolle des Verhaltens im Vertrauen darauf, dass der andere schon sein Verhalten ändern wird, wenn ihm seine Bedürfnislage dies ermöglicht. Gleichzeitig gilt jedoch: So wie ich dem anderen die Freiheit lasse, sein Verhalten zu ändern, muss er mir ebenfalls zugestehen zu entscheiden, ob seine Problemlösung für mich angemessen ist. Die Selbstkontrolle des Verhaltens ist auch Thema, wenn andere ein Problem haben und ich nur dabei behilflich sein soll, dass der andere sein Problem selbst löst.

- Auch wenn das Verhalten des anderen für mich unannehmbar ist, sollte ich ihn achten. Damit scheiden bestimmte Formen der Auseinandersetzung aus wie beleidigen, beschämen, bedrohen etc. Jedoch gilt zugleich: Ist mir ein Verhalten von anderen unannehmbar, so soll ich dies in aller Offenheit mitteilen.

- Ich sollte mir und anderen gegenüber bei Problemen einfühlsam sein, d. h. mir klar darüber werden, was in mir und im anderen vorgeht.

- Hat der andere ein Problem, so sollte ich ihm helfen, sofern er es wünscht und ich zur Hilfe fähig bin.

- In Beziehungen sollten die Partner gleichberechtigt sein: Hieraus folgt dann z. B., dass zu einer Konfliktlösung die Zustimmung aller am Konflikt Beteiligten erforderlich ist.

- In Beziehungen sollte Gerechtigkeit vorherrschen. Hieraus folgt dann z. B., dass eine für alle Konfliktparteien zufriedenstellende Lösung anzustreben ist.

- In Beziehungen sollten die Partner andere Einstellungen und Werte akzeptieren. Dies hat dann zur Folge, dass bei Vorliegen von Wertkonflikten nur bestimmte Lösungsmöglichkeiten in Betracht kommen.

Einige wesentliche Wertvorstellungen von Thomas Gordon finden sich in seinem Beziehungs-Credo (siehe u. a. Gordon, „Die neue Beziehungskonferenz“, 12 f.).

Vergleich des Partnerschaftlichen Beziehungskonzepts mit der Klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie

Wie schon erwähnt ist Carl Rogers der Vater der Gesprächspsychotherapie und Thomas Gordon ein Rogers-Schüler. Es liegt deshalb nahe, die vorgenannte Therapieform mit dem partnerschaftlichen Beziehungskonzept zu vergleichen.

Gegenstand

Die Gesprächspsychotherapie ist eine Gesprächsmethode, die unter Wahrung der Selbstbestimmung des Klienten und mittels bestimmter Therapeutenhaltungen (siehe hierzu im Einzelnen weiter unten) versucht, die für eine Person als belastend angesehenen Personenmerkmale zu verändern. Erwähnt seien hier geringe Selbstachtung, ungünstiges Selbstkonzept, geringes Selbstvertrauen, Angst, Neigung zur Selbstbestrafung und starke Abhängigkeit vom Urteil anderer (vgl. u. a. Tausch, Gesprächspsychotherapie). Das partnerschaftliche Beziehungsmodell stellt schwerpunktmäßig, d. h. mit Ausnahme der Veränderung der Umwelt, Gesprächsmethoden zur Verfügung und vermittelt Haltungen, die es Personen ermöglichen sollen, unter Wahrung der Selbstbestimmung von Interaktionspartnern,

- Einfluss auf das Verhalten von Dritten zu nehmen, das als unannehmbar angesehen wird,

- wechselseitig als problematisch angesehenes Verhalten zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu verändern,

- Dritten bei der Lösung von deren Problemen zu helfen.

Die mangelnde Selbstverwirklichung als gemeinsames Thema

Eine allgemeine Zielsetzung von Rogers ist die freie Entwicklung von Menschen. In der Sozialisation wird dieses durch Erzieher verhindert, so wenn Eltern Kindverhalten, das nicht in Übereinstimmung mit ihren Wertvorstellungen steht, missbilligen und ein nachfolgendes Elternverhalten mangelnde Empathie, Wertschätzung, Akzeptanz und ein erhebliches Ausmaß an Dirigierung aufweist. Dies führt dann dazu, dass Elternwerte vom Kind verinnerlicht werden. Auf diesem Hintergrund erfolgt dann ein Leugnen von Körper-/Sinneserfahrungen, die im Widerspruch zu elterlichen Werten stehen und damit auch eine unzureichende Bedürfnisbefriedigung zur Folge haben (vgl. hierzu Rogers, „Die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie“). Im Rahmen des partnerschaftlichen Beziehungskonzepts machen Adams/Lenz auf den Sachverhalt aufmerksam, dass Personen sich ihrer Bedürfnisse nicht bewusst sein müssen und dass solche, die bewusst sind, ggfs. nicht befriedigt werden, weil eine motivationale Orientierung an Dritten erfolgt, u. a. im Sinne von Belohnung und Bestrafung (Adams/Lenz, „Beziehungskonferenz“, Kapitel 1-3). Auf die Beeinflussung durch Dritte mittels Belohnung und Bestrafung verweist auch Gordon (vgl. hierzu u. a. Gordons „Neue Familienkonferenz“). Derartige Machtstrategien führen dann dazu, dass Bedürfnisse des Machtunterlegenen unzureichend befriedigt werden. Wird in beiden Konzepten die mangelnde Selbstverwirklichung von Personen negativ bewertet, so ergibt sich hieraus die gemeinsame Zielsetzung, dass zu verwendende Methoden zu einer Selbstbestimmung führen sollen.

Das Herbeiführen von Veränderungen im Rahmen der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie und des partnerschaftlichen Beziehungskonzepts

Bei der Gesprächspsychotherapie werden folgende Beratereinstellungen als notwendige und hinreichende Bedingungen für eine helfende Beziehung erachtet (u. a. Rogers, „Therapeut und Klient“):

- Echtheit/Kongruenz des Therapeuten

- Vollständiges und bedingungsloses Akzeptieren des Klienten und Wertschätzung ihm gegenüber

- Sensibles und präzise einfühlendes Verstehen des Klienten

Als Wirkungen derartiger Beratereinstellungen werden u. a. Selbstöffnung und Selbstauseinandersetzung des Klienten angeführt, die dazu führen, dass er besser mit sich und anderen leben kann (u. a. Tausch, „Gesprächspsychotherapie“). Im Rahmen des partnerschaftlichen Beziehungskonzepts soll u. a. Dritten dazu verholfen werden, ihre Probleme selbst zu lösen. Hierbei werden mit dem Passiven und Aktiven Zuhören Methoden genannt, die auf die Dimension Empathie der Gesprächspsychotherapie rekurrieren. Als primäre Methode wird dabei das Aktive Zuhören angesehen, das dem Ratsuchenden ermöglichen soll, tiefer in sein Problem einzudringen und eine eigenständige Problemlösung zu erreichen. Als eine weitere Voraussetzung für Hilfe wird genannt, dass der Berater den Ratsuchenden mit seinem Problem annimmt. Dies fördert die Selbstöffnung. Die „Annahme“ des Ratsuchenden mit seinem Problem entspricht der Dimension „Akzeptanz“ der Gesprächspsychotherapie. Im Rahmen des partnerschaftlichen Beziehungskonzepts wird eine falsche Annahme thematisiert (u. a. Gordon, „Familienkonferenz“, 2000, 33ff): Der Berater kann den Ratsuchenden mit seinem Problem nicht annehmen, signalisiert jedoch Annahme. Dieser Aspekt entspricht der Dimension (mangelnder) Echtheit von Rogers. Das partnerschaftliche Beziehungskonzept nimmt auf Ich-Botschaften Bezug, u. a. um das Eintreten eines erwünschten Verhaltens Dritter in der Zukunft sicherzustellen oder unerwünschtes Verhalten zu verändern. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass derartige Botschaften dem entsprechen sollen, was eine Person fühlt und denkt. Damit wird auf die o. a. Dimension Echtheit/Kongruenz Bezug genommen.

Miteinander statt gegeneinander-Partnerschaftliches Problemlösen

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