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Kontrollbedürfnis, Konkurrenzängste und Parlamentsphobie

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Schon in Mainz hatte der gastgebende Bischof Albert Stohr34 die Laien an ihre Grenzen erinnert. Katholische Aktion bedeute „Laienapostolat, aber nicht Laienregiment“35, es gehe nicht darum, Machtgelüste zu äußern, sondern um den Willen zum Dienen. In Bochum forderten die Laien die betriebliche Mitbestimmung als „natürliches Recht in gottgewollter Ordnung“36. Darauf reagierten die Bischöfe erst recht verärgert, denn die Auslegung des Naturrechts komme allein dem kirchlichen Lehramt zu.37 Offenbar – so hieß es – sei das „Aufsichts- und Ordnungsrecht der Bischöfe“38 nicht zum Zuge gekommen. Die Eigendynamik des freien Gesprächs auf diesen katholischen Generalversammlungen erschien dem Episkopat riskant. In einem Memorandum über die „Koordinierung der Laienarbeit unter hierarchischer Führung“ überlegten die westdeutschen Bischöfe daher, wie die Aktivitäten im gesamten katholischen Raum beobachtet, die Bischöfe darüber informiert und vor allem die „Intentionen und Anweisungen, die sich aus dem Aufsichts- und Ordnungsrecht des Episkopates ergeben, rechtzeitig und wirksam zur Geltung“39 gebracht werden könnten. Der Leiter einer solchen externen Informationsstelle „im Rang eines Prälaten“ sollte das Laienengagement an die Hierarchie binden.40

Eine Neuetablierung des katholischen Verbändewesens war nicht im Sinne der Bischöfe. Sie wollten keine überdiözesanen Großvereinigungen mit geistlichen Funktionären in Verbandszentralen (Generalpräsides), die sie als „Verbandskardinäle“ oder „Überbischöfe“ und damit als Führungskonkurrenz ebenso ablehnten41 wie sie immer wieder Angst hatten, die Katholikentage oder andere Laienorganisationen könnten sich zu einem „Laienparlament“ entwickeln.42 Schließlich hatte Papst Pius XII. erst 1943 erneut betont, die kirchlichen Oberhirten seien

„nicht bloß als die vorzüglicheren Glieder der allgemeinen Kirche anzusehen, weil sie durch ein ganz einzigartiges Band mit dem göttlichen Haupte des ganzen Leibes verbunden und daher mit Recht ‚die wichtigsten Teile der Glieder des Herrn‘ genannt werden. Sondern jeder einzelne in seinem Sprengel weidet und leitet im Namen Christi als wahrer Hirte seine eigene ihm anvertraute Herde. … Deshalb müssen sie als Nachfolger der Apostel zufolge göttlicher Einsetzung vom Volke verehrt werden. Und mehr als von den Regierenden dieser Welt, auch den allerhöchsten, gilt von den Bischöfen, da sie mit der Salbung des Heiligen Geistes versehen sind, das Schriftwort: ‚Vergreifet euch nicht an meinem Gesalbten!‘“43

Für die Bischöfe war daher die entscheidende Frage: Wie konnten sie solche Entwicklungen verhindern, aber dennoch das Laienengagement in ihrem Sinne bündeln, koordinieren sowie strategisch ausrichten und steuern? Denn dieses Potenzial sollte neben der Unionspolitik als zweites Instrument mobilisiert und genutzt werden, um katholische Forderungen in den öffentlichpolitischen Raum zu tragen. Manche Bischöfe favorisierten das Konzept der Katholischen Aktion als römisch vorgegeben und daher konsequent durchzuziehen: unzweideutige hierarchische Führung mit klerikalen Protagonisten als Ansprechpartner für Politik und Gesellschaft, die sich allenfalls von qualifizierten Laien beraten lassen durften.44 Der episkopale Autoritäts- und Führungsanspruch sollte klar und deutlich geltend gemacht werden, denn die Kirche bleibe nun einmal in ihrer Struktur immer dieselbe, nämlich hierarchisch. Sicherlich könnten die Laien „noch weit mehr als bisher zur verantwortlichen Mitarbeit und eigentlichen Führung in der Exekutive“ herangezogen werden. Verantwortbar sei dies aber nur, wenn sie „die gottgewollte Stellung der Hierarchie innerlich bejahen und bereit sind, praktisch dementsprechend zu handeln“45. Katholische Verbände unter einer reinen Laienführung seien gefährlich, eine Zentrale des Laienapostolats müsse im Sinne hierarchischer Unterordnung von einem Bischof geleitet werden.46 Durchsetzen sollte sich in Gestalt des „Zentralkomitees der deutschen Katholiken“ (ZdK) allerdings eine subtilere Variante mit identischer Zielsetzung.

Die Täuschung

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