Читать книгу Unsere Anderen - Olesya Yaremchuk - Страница 10

Alles gehört uns, alles gehört allen gemeinsam

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„Oh Gott, die Walnussbäume stehen immer noch da. Ich war seit zehn Jahren nicht mehr hier“, gesteht der Mann.

Wir bahnen uns einen Weg durch das Dickicht zum alten tschechischen Haus, in dem Josyp seine Kindheit verbracht hat, und wo seine Eltern, Mikula und Zuzana Mihalčina, versuchten, ein neues Leben zu beginnen.

„Wir begannen, das Land zu bewirtschaften: vier Hektar Land ... Der Boden war wunderbar im Vergleich zu den Karpaten. Aber es gab eine Hungersnot, eine Dürre im Süden und Osten der Ukraine. Leute baten um Almosen: Sie liefen tagsüber und nachts. Versuchten einzubrechen. Papa zog vom Haus aus zum Birnbaum Glöckchen, um sie kommen zu hören. Denn tagsüber fragten sie und nachts konnten sie stehlen. Und wenn meine Mutter etwas zu essen gab, erwiderten sie: Danke, Stalin, dass wir in den Westen laufen durften. Sie war empört: Warum danke, Stalin? So haben wir gearbeitet, bis die Kolchosen begannen. Die Leute waren nicht sehr dagegen, weil es schwierig war.“

Im September 1949 nahm die Kolchose Neues Leben ihre Arbeit in Hruschwytzja offiziell auf.

„Als sie kamen, um das Eigentum zu übernehmen, mussten wir eine Auflistung abgeben. Die Agitatoren sagten: Das gehört alles uns, das gehört alles allen gemeinsam. Das war unsere erste Lektion in Sozialismus.“

Da die meisten Siedler in arm waren, verstanden sie die Vorteile der kollektiven Landwirtschaft. Wohlhabende Familien, die man Kulaken nennen könnte, gab es unter ihnen nicht. Anträge auf Mitgliedschaft in der Kolchose wurden meist freiwillig gestellt. Die Bauern übergaben Kartoffeln und Getreide zur Aussaat, um die künftige Ernte einfahren zu können. Die Situation mit den privaten Grundstücken war schlimmer. „Die Menschen verstanden nicht, warum der Garten, den sie angelegt und gepflegt haben, zur Kolchose gehört“, schrieb der Wissenschaftler Stepan Kruschko in seinem Buch Optanten. „Es gab Fälle, in denen Bauern Landstückchen säten, die nicht kultiviert wurden, zum Beispiel an mehreren Straßenrändern. Als die Funktionäre der Kolchose davon erfuhren, wurde der Bauer besteuert, das Getreide wurde gemäht, ohne es reifen zu lassen, die Kartoffeln wurden ausgegraben und von den Bäumen schlugen sie die Früchte herunter.“

„Ich habe bei Komsomol-Einsätzen auf unberührten Böden Kasachstans gearbeitet, habe mich dann mit Musik und Kultur beschäftigt. Ich habe ein bisschen an der Musikschule studiert, konnte mir aber kein Bajan – Knopfakkordeon – für die Aufführung kaufen. Das Bajan kostete sechshundertfünfzig Rubel, im Kulturhaus hatte ich aber ein Gehalt von sechsunddreißig. Dann arbeitete ich als Fahrer, dann im Kraftwerk, wo mein Sohn jetzt arbeitet.“

Josyp spielte auch die Domra und sprach auf dem Kongress der fortschrittlichen Kolchosbauern.

„Und dann sah ich einmal die Anzeige in der Zeitung: Rekrutierung für leitende Positionen in der Landwirtschaft. Wie? Werden auf diese Weise Leute für Positionen ausgewählt? Ich konnte das nicht verstehen. So wurde ich vor vierzig Jahren Abgeordneter. Mein Freund war Dorfvorsteher, und er registrierte mich als Stellvertreter. Nun gut, dann sollte es so sein. Ich kam in die Versammlung und sagte als Abgeordneter ein paar Worte über meinen Wahlkreis. Zuallererst sei es nötig, Straßen zu bauen, denn man käme nur mit dem Hubschrauber hierher. Außerdem brauchten wir einen Kultivator. Ich schlug auch vor, den Dorfrat in das Kulturhaus zu verlegen und dort ein Hotel einzurichten. Ich hatte bereits gesehen, dass es dort Fernfahrer gibt. Warum also nicht Geld damit verdienen? Und das sind bereits fünfzig Kollektivbauern, die Arbeit haben würden. Darauf wurde mir gesagt: ‚Ach du, Mychaltschyn, du erzählst eine gute Geschichte.‘“

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