Читать книгу Für immer und ein Vierteljahr - Sonja Roos - Страница 6

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Kapitel 2

Marc stürmte wütend zu seinem Porsche und fuhr danach ziellos durch die Stadt. Während die Welt vor ihm zu einer Kulisse aus Farben und Formen verschwamm, ging er noch einmal die merkwürdige Begegnung mit seiner Frau durch. Mit ihrem Angebot hatte sie ihn kalt erwischt – und nachhaltig verwirrt. Marc schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu ordnen, doch auch das brachte nicht mehr Klarheit in die Situation. Alles, was er wusste war, dass er sich wieder hatte reizen lassen. Mit ihrer unterkühlten Herablassung traf sie jedes Mal einen wunden Punkt in seinem Inneren. Wie sehr er es hasste, wenn Jana so war. Ihr Verhalten kehrte dann auch seine schlechteste Seite nach außen, die gemeine, sarkastische, bittere Seite, sodass sie zusammen ungefähr so gut funktionierten wie ein Streichholz und eine in Benzin getauchte Lunte. Marc brachte den Porsche vor Lydias Haus zum Stehen, doch ließ den Motor laufen. Was zum Himmel sollte er ihr sagen? Dieses Angebot, das Jana ihm da gemacht hatte, war zu verrückt, um es überhaupt laut auszusprechen. Er fuhr mit der Hand über seinen Mund, fühlte die Bartstoppeln, die sich dort seit dem Morgen ausgebreitet hatten. Was zum Henker bezweckte Jana damit? Marc schüttelte den Kopf, denn er konnte sich keinen Reim darauf machen. Sie hatte ihn doch herausgedrängt. Aus ihrer Ehe, aus dem Leben seines Sohnes, aus dem gemeinsamen Haus. Warum wollte sie ihn gerade jetzt wieder zurückholen? Und was sollte diese komische Frist? Ein Vierteljahr? Was würde das ändern?

Fahrig drehte er zunächst das Radio lauter, dann wieder leiser. Danach zog er die Sonnenblende herunter, als ob dort eine Antwort zu finden sei. Dabei fiel ein altes Foto von Juli herunter. Er war darauf vielleicht vier oder fünf und stand neben Marc im Garten. Marc erinnerte sich an den Tag, als das Bild aufgenommen worden war. Juli war kurz zuvor von der Schaukel gefallen. Er und Jana waren zu ihm geeilt und hatten ihn getröstet und Jana hatte ihm ein großes Pflaster mit Bob dem Baumeister auf sein aufgeschürftes Knie geklebt. Danach hatte sie ihn dafür gelobt, wie tapfer er sei und gesagt, dass sie ein Foto von ihrem großen kleinen Mann machen wollte. Marc hatte ihm die letzten, verräterischen Tränen abgewischt, während Jana die Kamera geholt hatte. Und dann, als Juli einfach kein Lächeln gelingen wollte, hatte Marc ihn so lange gekitzelt, bis er kicherte und strahlte und Jana hatte genau in diesem Moment auf den Auslöser gedrückt. Sein Herz zog sich bei der Erinnerung schmerzhaft zusammen. Gleichsam traf ihn die Erkenntnis, wie sehr er seinen Sohn in den letzten Jahren vernachlässigt hatte. Marc seufzte. Er musste dringend etwas gutmachen. Wohin auch immer Janas merkwürdiges Angebot führte, wenn er es annahm, war das vielleicht ein Weg zurück zu seinem Sohn. Marc strich liebevoll über das Foto und steckte es zurück an seinen Platz hinter der Sonnenblende, bevor er mit einem tiefen Seufzer aus dem Wagen stieg, um mit Lydia zu sprechen.

»Das ist doch ein Trick, eine Falle. Sie hat irgendetwas vor.« Lydia ging vor ihm auf und ab wie ein Tiger in Gefangenschaft. Ihre grünen Katzenaugen glühten förmlich vor Wut. »Du willst diesem Irrsinn doch nicht etwa zustimmen?«, fragte sie und ihre Stimme wurde einen Hauch schriller. »Marc?« Sie war stehen geblieben und sah ihn herausfordernd an. Als er nicht antwortete, begann sie erneut, den Raum mit unruhigen Schritten zu durchqueren. »Sie will einen Keil zwischen uns treiben, dieses raffinierte Biest«, schloss Lydia nach einer kurzen Pause.

»Ich habe keine Ahnung, was sie damit bezweckt, Lydia. So verfahren, wie die Situation zwischen Jana und mir zuletzt war, würde es mich wundern, wenn ihr Angebot etwas damit zu tun hätte, unsere Ehe zu retten.« Er hatte barscher geklungen, als beabsichtigt, und Lydia betrachtete ihn nun aus zusammengekniffenen Augen.

»Was war eigentlich der Auslöser dafür, dass eure Ehe den Bach runtergegangen ist?«

»Da kamen mehrere Faktoren zusammen, Lydi. Das würde jetzt zu lange dauern, es zu erklären.« Sie schnaubte kurz und zog missbilligend die Stirn in Falten, weil er nicht mehr dazu sagen wollte. Doch als er begann, mechanisch seinen verspannten Nacken zu massieren, wurden ihre Züge wieder weicher.

»Soll ich?« Lydia war hinter ihn getreten und fuhr sanft über seine Hände. An ihrem Finger spürte er den sündhaft teuren Verlobungsring, den sie am Nachmittag auch ohne seine Hilfe, aber mit seiner Kreditkarte erstanden hatte. Ihm war klar, dass Lydia auch den Luxus liebte, den er ihr bislang hatte bieten können. Doch er nahm es ihr nicht übel, denn er kam ja selbst aus armen Verhältnissen und wusste, wie befreiend es sein konnte, wenn man nicht jeden Groschen dreimal umdrehen musste. Wie gut es sich anfühlte, sich etwas zu gönnen, ohne vorher auf den Preis zu schauen.

»Ist das so angenehm?«, fragte sie und strich seinen Hals entlang bis zum Haaransatz. Doch Marc nickte nur beiläufig, in Gedanken wieder bei Janas merkwürdigem Angebot.

»Ich könnte mir vorstellen, dass es irgendetwas mit Juli zu tun hat«, sagte er mehr zu sich selbst.

Lydia legte den Kopf schief. »Marc, du denkst doch nicht im Ernst darüber nach, dieses absurde Arrangement mit ihr zu treffen, oder?« Sie hatte aufgehört ihn zu massieren und stand jetzt mit in die Hüften gestemmten Händen vor ihm. Ihre grünen Augen blitzten wütend.

Er starrte eine lange Zeit schweigend ins Nichts, bis er den Mut fand, sie anzusehen. »Ich habe keine große Wahl, Lydia«, sagte er resigniert und sah, wie sie sich von ihm abwandte, Enttäuschung und Abscheu im Blick.

»Vielleicht gehst du jetzt besser«, stieß Lydia kalt hervor, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Marc holte Luft, um etwas zu erwidern, besann sich dann aber anders und nickte nur kurz. Er ging in den Flur, wo er seine Lederjacke überstreifte, bevor er wortlos die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ.

Auf halbem Weg durchs Treppenhaus hörte er plötzlich erneut eine Tür und dann hektische, klackernde Schritte. »Marc, warte!«, rief sie atemlos. Er blieb stehen und schaute hinauf, wo er ihre Hand über das Geländer gleiten sah, bis sie vor ihm stand, unschlüssig, verlegen. »Siehst du nicht, dass sie jetzt schon einen Keil zwischen uns treibt? Allein die Tatsache, dass du darüber nachdenkst, mit mir Schluss zu machen, um ein Vierteljahr mit ihr heile Welt zu spielen, macht mich verrückt vor Wut – und Angst«, fügte sie bitter hinzu.

»Komm her«, sagte er und zog sie in seine Arme, wo sie hörbar und nicht gerade damenhaft die Nase hochzog. »Es geht ja nicht darum, mit dir Schluss zu machen. Es ist eine Pause. Vielleicht sollten wir es so sehen, wie einen Job, den ich annehme, um danach mit viel besseren Karten wieder zu dir zurückzukehren«, sagte er dicht an ihrem Ohr. Ihr Haar kitzelte ihn dabei an der Nase. Ihr Körper war so warm und weich, ihre Hand fuhr fordernd seinen Rücken herab bis zu seinem Hintern. »Können wir die Diskussion verschieben?«, fragte er heiser, während er sich enger an ihre willigen Kurven presste.

»Okay«, hauchte sie, bevor sie ihn wieder die Treppe hinauf und hinter sich her ins Schlafzimmer zog.

Für immer und ein Vierteljahr

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