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Kathrin schlug die Augen auf. Ein älterer Herr mit Nickelbrille und weißem Kittel beugte sich über sie. „Schön, dass Sie wieder bei uns sind.“ Er lächelte sie freundlich an.

„Was ist passiert?“ Kathrin versuchte sich aufzurichten.

„Ganz langsam.“ Der Arzt drückte sie sachte zurück aufs Bett. „Wie viele Finger zeige ich?“ Er streckte ihr seine Hand entgegen.

„Vier.“

„Sehr gut. Welches Datum ist heute?“

Sie nannte es ihm und er lächelte abermals.

Kathrin suchte die Wand nach einer Uhr ab, konnte aber keine entdecken. „Wie spät ist es?“

„Kurz nach neun. Sie wurden heute Morgen in aller Früh eingeliefert.“ Der Arzt warf einen Blick in seine Unterlagen. „Sie haben eine leichte Kopfverletzung, aber sonst scheint alles in Ordnung. Wir machen sicherheitshalber noch ein CT, sollte das unauffällig sein, können Sie heute noch entlassen werden.“

„Gut.“ Kathrin atmete auf. Sie mochte keine Krankenhäuser. Allmählich kehrten ihre Erinnerungen zurück. Jeremy, schoss es ihr durch den Kopf. „Wo ist mein Freund? Geht es ihm gut?“

„Ja, mir geht’s gut.“ Erst jetzt bemerkte Kathrin die Person, die auf dem Stuhl hinter dem Arzt saß.

„Jeremy!“, rief sie begeistert. Eine Welle der Erleichterung durchfuhr sie.

Er stand auf und fiel ihr sogleich um den Hals. „Endlich bist du wach. Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt!“ Er setzte sich zu ihr ans Bett, während der Arzt den Raum verließ.

„Ich dir? Eher du mir.“

Jeremy schaute sie verwirrt an. „Wieso?“

„Ich dachte, jemand hätte dich entführt.“

Er blickte sie fragend an. „Nicht, das ich wüsste.“

Kathrin berichtete ihm mit knappen Sätzen von dem Anruf. Sie wusste nach wie vor nicht, was es mit der Drohung auf sich hatte, war aber froh, dass Jeremy offensichtlich zu keiner Zeit in Gefahr gewesen war.

„Woher weißt du überhaupt, dass ich hier bin?“

„Kern.“ Jeremy schmunzelte. „Ich hab deinen Anruf gesehen und gleich zurückgerufen. Allerdings ging nur deine Mailbox ran. Dann hab ich es bei dir im Büro probiert, wo ich erfahren habe, dass du ins Katharinenhospital gebracht worden bist. Also bin ich sofort losgefahren.“

Er lächelte ihr aufmunternd zu und sie erwiderte sein Lächeln. Sie war froh, so einen fürsorglichen Freund wie ihn zu haben, und erleichtert, dass er nicht entführt worden war.

„Wie fühlst du dich?“ Er blickte sie besorgt an.

„Ganz ok.“ Sie betastete die Stelle, wo der Schlag sie getroffen hatte. „Hab etwas Kopfschmerzen, aber sonst fühle ich mich einigermaßen gut.“

„Wie ist das passiert?“

„Das wüsste ich auch gern.“ Jeremy wirbelte herum, als Kern den Raum betrat.

„Hallo Jeremy. Kathrin.“ Er nickte beiden zu.

Kathrin und Jeremy erwiderten die Begrüßung.

„Ein Doppelzimmer ganz für dich allein.“ Kern ließ den Blick schweifen. „Nicht schlecht.“ Er nahm den Stuhl, auf dem zuvor Jeremy gesessen hatte und zog ihn näher an Kathrins Bett.

„Manchmal denke ich, du stalkst mich. Sobald es um dich geht, stehst du plötzlich in der Tür.“ Kathrin grinste.

„Siebter Sinn.“ Kern schmunzelte, wurde aber schnell wieder ernst. „Erzähl mir, was passiert ist!“

„Ich hab einen Anruf erhalten, jemand schien in Not, und angeblich hatte er dich in seiner Gewalt.“ Sie schaute zu Jeremy.

„Ich lag die ganze Zeit in meinem Bett.“ Er sah sie völlig perplex an. „Fiel ein Name?“

Kathrin ließ ihren Blick zu Kern wandern. Dem schien es sichtlich unangenehm, Jeremy polizeiliche Ermittlungsergebnisse mitzuteilen, zumal das gegen die Dienstvorschrift war, sah aber ein, dass es in diesem Fall notwendig war.

„Von wem der Anruf stammt, wissen wir natürlich nicht, aber wir haben eine Leiche gefunden.“ Er warf Kathrin einen Blick zu, die ihn verwundert ansah.

„Der Tote heißt Palmer. Dr. Joachim Palmer, ein niedergelassener Psychiater. Er hat eine Praxis in der Augustenstraße in der Nähe vom Feuersee. Wir haben ihn heute Morgen zusammen mit dir in seiner Wohnung gefunden. Die Spurensicherung hat die Kleidung des Opfers einen Raum weiter entdeckt, sodass wir die Identität, anhand der Personalien, schnell klären konnten. Sagt dir der Name irgendwas?“ Kern schaute Jeremy erwartungsvoll an.

Jeremy dachte einen Moment nach, schüttelte dann aber den Kopf. „Nee, nie gehört.“

Kern wandte sich Kathrin zu.

„Nicht, dass ich wüsste.“ Sie schüttelte ebenfalls den Kopf.

„Gut, also jemand, der Jeremy als Lockvogel benutzt und Palmer tötet. Weiter?“

„Ich hab mir Sorgen gemacht“, sie warf Jeremy einen Blick zu, „und bin deswegen, nachdem ich ihn nicht erreichen konnte, direkt losgefahren. Auf dem Weg habe ich dich informiert. Zehn Minuten später war ich bei der genannten Adresse.“

Kern wirkte verärgert. Vermutlich erwartete sie eine Standpauke, weil sie sich wieder einmal über seine Anweisungen hinweggesetzt hatte. Sie war froh, die Auseinandersetzung nicht vor Jeremy führen zu müssen.

„Das heißt, du standst vor dem eckigen Backsteingebäude und hattest keine Ahnung, wo du klingeln musstest.“

„Nein, ich war für einen Moment völlig planlos.“

„Und dann?“

„Die Haustür war offen und ich ging ins Treppenhaus. Ich habe mehrmals gerufen und dann die einzelnen Etagen abgesucht, bis ich schließlich im zweiten Stock eine ebenfalls offene Wohnungstür gefunden habe.“

„Du bist also hineingegangen und …?“ Kern führte den Satz nicht zu Ende.

„Ein Mann lag auf dem Bett, mit Handschellen an den Bettpfosten gefesselt, leise wimmernd.“ Sie warf einen Blick zu Jeremy und beschloss, nicht ins Detail zu gehen. „Er trug keine Kleidung und wies Verletzungen auf.“

„Aber er lebte?“ Kern zog die Augenbrauen hoch.

„Ja“, flüsterte Kathrin. „Dann ein Schlag auf meinen Kopf und es wurde dunkel. Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich auf dem Boden lag und du mich irgendetwas gefragt hast.“

Kern nickte. „Während der Zeit, in der du bewusstlos warst, hat der Täter Palmer mit einer Pistole in den Kopf geschossen.“

„Oh mein Gott“, flüsterte Kathrin und auch Jeremy blickte Kern entsetzt an.

Kern wartete einen Augenblick, ehe er sich Jeremy zuwandte. „Kannst du uns für einen Augenblick alleine lassen?“

„Klar.“ Jeremy stand auf und verließ den Raum.

Kathrin wartete mit ihrer nächsten Frage, bis ihr Freund die Tür geschlossen hatte. „War es meine Waffe?“

„Das wird im Moment untersucht. Wir haben noch keine Ergebnisse.“

„Ok.“ Kathrin fuhr sich durch die Haare.

„Kathrin.“ Kern beugte sich näher zu ihr. „Ist dir, außer dem gefesselten Dr. Palmer, irgendetwas aufgefallen? Hast du dort noch jemanden gesehen? Oder hat Palmer etwas zu dir gesagt?“

Kathrin schaute auf die Bettdecke, dann schüttelte sie den Kopf. „Ich glaube nicht. Es war komplett dunkel, als ich den Raum betrat. Ich habe den Lichtschalter betätigt, aber es geschah nichts. Dann hörte ich wimmernde Geräusche aus dem Nebenzimmer. Palmer sah mich völlig verängstigt an, aber ehe ich etwas sagen konnte, traf mich der Schlag.“

„Und bei deiner Ankunft im Treppenhaus, bist du dort jemandem begegnet oder hast etwas gehört?“

Sie überlegte abermals. „Nein, nichts.“

Kern seufzte. „Wieso hast du nicht auf mich gehört? Ich habe dir gesagt, du sollst nicht auf eigene Faust losziehen. Und das nicht zum ersten Mal.“

Kathrin hörte den vorwurfsvollen Ton in seiner Stimme.

„Es tut mir wirklich leid. Ich dachte, es ginge um Jeremy, und dass er in Gefahr sei.“ Sie blickte kurz zur Tür, hinter der sie ihren Freund vermutete.

„Das verstehe ich, aber…“ In diesem Moment wurde er vom Klingelton seines Handys unterbrochen. „Kern?“

Kathrin beobachtete Kern während des Gesprächs aufmerksam. Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich zunehmend. „In Ordnung. Halten Sie mich auf dem Laufenden.“ Kern beendete das Gespräch. Er wandte sich Kathrin zu.

„Die vorläufigen Ergebnisse der Ballistik sind da. Palmer wurde mit deiner Waffe getötet. Außerdem wurde die Pistole auf Fingerabdrücke untersucht und deine gefunden. Und zwar nur deine.“ Kern sah seine Kollegin eindringlich an.

„Du warst die letzte Person, die Palmer lebend gesehen hat. Du steckst ganz schön in der Scheiße!“



Ohnmacht

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