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2 Frauen verdienen weniger – Status quo oder selbsterfüllende Prophezeiung?

Alle Jahre wieder wird mit dem →Equal Pay Day auf den Verdienstunterschied zwischen Mann und Frau hierzulande (und weltweit) aufmerksam gemacht. Das Statistische Bundesamt ermittelt mit der →Gender Pay Gap jährlich die Differenz des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes von Männern und Frauen im Verhältnis zum Bruttostundenverdienst der Männer. Dabei wird die unbereinigte von der bereinigten →Gender Pay Gap unterschieden.

Die unbereinigte und die bereinigte Gender Pay Gap

Die unbereinigte →Gender Pay Gap vergleicht den Durchschnittsverdienst aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ganz allgemein miteinander. Hier fließt mit ein, dass Frauen schlechtere Zugangschancen zu bestimmten Berufen oder Karrierestufen haben und häufiger in Teilzeitarbeitsverhältnissen beschäftigt sind. So weit, so nachvollziehbar. Wenn ich das durchschnittliche Gehalt der Gruppe aller Hausmeister – oder neudeutsch Facility Manager – mit dem durchschnittlichen Gehalt der Gruppe aller Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer vergleiche, werde ich ebenfalls ein Gehaltsdelta als Ergebnis erhalten. Das ist nachvollziehbar.

Weniger nachvollziehbar ist folgendes Fundstück, das mir beim Aufräumen meines Rechners wieder »in die Hände« beziehungsweise vor die Augen fiel. Als ich damit begann, mich mit Gehaltsverhandlungen für Frauen auseinanderzusetzen, stieß ich auf folgende Daten aus dem Jahr 2006: Diese Verdienststrukturerhebung, Leistungsgruppe 3, zeigt die Entlohnung pro Arbeitsstunde.8

Chemiebetriebswerker/-inMann: 19,54 EuroFrau: 14,79 EuroKoch/KöchinMann: 12,35 EuroFrau: 10,52 Euro
Verkäufer/-inMann: 14,45 EuroFrau: 10,96 EuroBankfachleuteMann: 17,50 EuroFrau: 15,52 Euro
Krankenschwester/-pflegerMann: 16,45 EuroFrau: 15,17 EuroArzt/ÄrztinMann: 21,83 EuroFrau: 17,60 Euro

Demnach bestimmt allein das Geschlecht darüber, dass der Stundenlohn von Frauen zum Teil erheblich geringer als der von Männern ausfällt. Eine aktuellere Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2018 weist immerhin eine bereinigte →Gender Pay Gap von 6 Prozent aus.9

Diese statistische Größe, die bereinigte →Gender Pay Gap, gibt den Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien wieder, also den Verdienstunterschied im gleichen Job.10

Das echte Leben

Die statistischen Daten offenbaren das eine Bild. Ein anderes Bild liefert das echte Leben. Hier kann von einer bereinigten →Gender Pay Gap von bis zu 30 Prozent und mehr gesprochen werden. Dabei möchte ich die bereinigte →Gender Pay Gap, die auf die statistische Größe referenziert, lieber in »die erlebte Gender Pay Gap« oder noch besser, »die echte Gender Pay Gap« umtaufen. Selbst vor dem akademischen Titel Professorin macht die →Gender Pay Gap nicht halt. Professorinnen erhalten monatlich im Schnitt 650 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen, wie aus dem Besoldungsranking des Deutschen Hochschulverbands hervorgeht (Dezember 2018).11

Wie kommt das zustande? Wenn selbst in Berufen mit Gehaltsgefügen, die auf einer klar definierten Tarifstruktur basieren, Gehaltsunterschiede in derselben Entgeltgruppe, im zitierten Fall der Professorinnen der W3-Besoldungsgruppe, festzustellen sind, muss es noch eine andere, frei verhandelbare Komponente geben, die von Frauen weniger bis gar nicht genutzt wird. (Zu Verhandlungsmöglichkeiten in tarifgebundenen und -anwendenden Unternehmen findest du mehr in Kapitel 5 unter Der Tarifvertrag: Die Eingruppierung und Einstufung verhandeln? Ja bitte!)

Gehen wir mal einen Schritt zurück. Untersuchungen zeigen, dass sich Frauen schon beim Einstiegsgehalt erheblich verschätzen und im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen ein viel niedrigeres Gehalt erwarten. Sie »verkaufen sich unter Wert«, wie es so schön heißt. Zum Berufsstart erwarten Frauen 12.000 Euro weniger Jahresgehalt als Männer, wie eine Studie, für die e-fellows.net und McKinsey über 7.000 Toptalente unter Studierenden, Absolventen und Berufseinsteigerinnen verschiedenster Fachrichtungen befragte, zeigt. Danach erwarten Männer im Schnitt ein Einstiegsgehalt von 62.000 Euro und ziehen eine leistungs- und erfolgsabhängige, außertarifliche Vergütung mit klarem Fokus auf eine hohe Führungsposition vor. Frauen geben sich mit 50.000 Euro zufrieden und nur 56 Prozent von ihnen wünschen sich eine hohe Führungsposition.12

Es bleibt nicht allein beim »Verkaufen unter Wert«. Die damit einhergehende und in vielen Frauenköpfen manifestierte Haltung des Verzichtens oder Zurückstehens offenbart sich in Krisensituationen ganz besonders, wie die weltweite COVID-19-Pandemie, in deren 15. Monat seit ihrer offiziellen Erklärung zur weltweiten Pandemie ich mit dem Schreiben dieses Buches begann. Als viel zitiertes Brennglas legt diese Krisensituation einmal mehr das gesamtgesellschaftliche Ungleichgewicht zuungunsten der weiblichen Bevölkerung offen. Frauen sind es, die größtenteils in »systemrelevanten« Berufen arbeiten und die Zeiten des Lockdowns für alle erträglicher gestalten. Sie managen die Familie, betreuen die Kinder beim zu Hause stattfindenden Schulunterricht und verzichten zugunsten der Familie auf ihre nächsten Karriereschritte. Die Hans-Böckler-Stiftung spricht in diesem Kontext schon von einem Rückschritt durch Corona.13

Die selbsterfüllende Prophezeiung und das Rollenbild der Frau

Woher kommt diese Zurückhaltung, wenn es um das eigene Vorankommen, um das Zugeständnis einer Wertigkeit der eigenen Leistungen geht? Ist es die sprichwörtliche selbsterfüllende Prophezeiung (»So viel werde ich niemals bekommen!«, »Mein Chef wird sowieso Nein sagen.«)? Oder ist es die Erfüllung eines immer noch von der Gesellschaft erwarteten und in den Köpfen vieler Menschen verankerten Rollenbildes der Frau? Ebenjenes Rollenbildes, das sie bestenfalls als erfolgreiche Familienmanagerin sieht und ihr eine CEO-Position nicht zutraut? Einer Rolle, die ihr die harte, durchsetzungsstarke Verhandlungspartnerin nicht abnimmt und schon gar nicht zugesteht? Müssen wir immer die einfühlsame, höfliche und zurückhaltende Gesprächspartnerin geben? Stets diplomatisch, stets »sittsam, bescheiden und rein«, wie wir es beim Blick in unsere alten Poesiealben verewigt finden?

Tatsächlich gelten Frauen, wenn sie hart verhandeln, als unhöflich oder zu »bossy«. Sie scheinen sich in einem klar abgesteckten, stereotypen Rahmen bewegen zu müssen, dem sie nur schwer entkommen können. Unbewusst läuft ein Gedankenfilm dazu in ihren Köpfen ab: »Bloß nicht zu forsch auftreten, nachher wirke ich unsympathisch.« Es scheint, als würden Frauen die Konsequenzen aus einem zu bestimmend wirkenden Auftreten regelrecht vorwegnehmen, weil sie genau wissen, welches Bild dazu in den Köpfen der Gesellschaft immer noch dominierend ist. Daran richten sie ihr Verhalten gerade in Verhandlungssituationen aus. Sie fokussieren zu stark auf die Beziehungsebene und tendieren dazu, schneller nachzugeben. Das Ergebnis ist eine verlorene Verhandlung (mehr dazu in Kapitel 14 Die Psychologie des Verhandelns).

Hinzu kommen tief verwurzelte Ängste. Oft erlebe ich bei meinen Klientinnen eine regelrechte Angst vor dem Verhandeln. Allein der Gedanke daran, nach mehr Gehalt fragen zu können, löst Unwohlsein aus. Dahinter steckt die Angst vor Auseinandersetzung und vor Zurückweisung. Auch die Angst, nicht gut genug zu sein, es nicht wert zu sein oder vor zu großen Zahlen kommt vor. Die Frage, die mir in diesem Zusammenhang immer wieder von Frauen gestellt wird und die das offenbart, lautet: »Was, wenn ich zu viel verlange?«

Diese Gemengelage in unseren Köpfen sorgt dafür, dass wir glauben, wir müssten uns mit dem zufriedengeben, was ist, einfach unsere Arbeit verrichten, am besten noch mehr Aufgaben annehmen und »bloß nicht unangenehm auffallen«.


Wir können verhandeln – wenn wir wollen

Am Verhandlungsgeschick selbst liegt es nicht, dass wir Frauen schlechter abschneiden. Auch wenn Studien, wissenschaftliche Experimente und Erhebungen immer wieder das Gegenteil zeigen. Auf den ersten Blick verbuchen Männer die besseren monetären Ergebnisse in Verhandlungen für sich. Tendenziell sind Frauen jedoch stärker darin, ein kooperatives Klima zu schaffen. Ihnen gelingt es, mit dem Verhandlungspartner auf Augenhöhe zu kommunizieren, wie das Experiment »Battle of the Sexes I« der Universität Hohenheim zeigt.14 Dies ist für eine langfristige, vertrauensvolle und kooperative Beziehung tragender als ein kurzfristig gewonnener Verhandlungspoker. Gleichzeitig erzielen Frauen genauso gute Verhandlungsergebnisse wie Männer, wenn es in der Verhandlungssituation um eine andere Person geht. Das zeigt zum Beispiel ein Experiment an der Universität Texas, in dem Männer und Frauen ein Einstiegsgehalt zunächst für sich selbst und dann, im zweiten Durchgang, für eine andere Person verhandeln sollten.15 Die Kunst ist demnach, gedanklich das Verhandlungsthema »Gehalt/Preis/Honorar« oder »die Weiterentwicklung im bestehenden Arbeitsverhältnis« von sich selbst als Person zu lösen und vorzugeben, die Kompensation für eine andere Person zu verhandeln. Darüber hinaus ist es augenöffnend, sich über die eigene Haltung zu Geld bewusst zu werden. Denn wie wir zu Geld stehen und wie wir es selbst begreifen, wirkt sich nicht nur auf das Ergebnis unserer Gehaltsverhandlungen aus, sondern beeinflusst entscheidende Schritte in unseren Karrieren und damit unseren Lebensweg. Mehr dazu in Kapitel 9 Die eigene Einstellung zu Geld: Bin ich es mir wert?

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