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5. Kapitel

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Erwin Rohr grinste verstohlen, als er in Krügers Büro auftauchte. Dieser ließ die Akte sinken, in der er gerade las, und musterte ihn. „Du bist ein offenes Buch, Erwin. Was hast du entdeckt?“

„Du wirst es kaum glauben“, gab Rohr zurück. „Der Fingerabdruck auf dem Fahrrad …“

Krüger wartete gespannt. „Ja, was ist damit?“

„Wir haben einen Treffer!“

„Wirklich? Wer ist es denn?“

„Unbekannt“, gab Rohr verlegen zu.

„Also wirklich, Erwin, was hast du davon?“

„Na, ja, unbekannt stimmt. Aber trotzdem interessant. Es ist der Gleiche, den dieser Beamte aus Berlin mitgebracht hatte!“

Krüger begriff noch nicht vollständig. „Von dieser Leiche aus dem Hotel?“, fragte er nach.

„Nein“, wehrte Rohr ab, „nicht von der Leiche. Derjenige aus der Akte, der dann nicht gestimmt hat.“

„Lass mich mal rekapitulieren“, begann Krüger. „Du hast eine Übereinstimmung mit dem Fingerprint eines mutmaßlichen Spions aus dem Kalten Krieg am Tatort? Das willst du damit sagen!“

Rohr nickte.

„Die haben doch was verwechselt“, brummte Krüger.

„Wer?“, wollte Rohr wissen.

„Ja, die in Berlin. Bei dieser Behörde. Da liegen doch Unmengen von Akten herum, von denen keiner weiß, was zusammengehört und was nicht!“

„Das steht auf einem Blatt“, wehrte Rohr ab. „Das kann man nicht verwechseln. Höchstens mit Absicht manipulieren.“

Krüger zuckte mit den Schultern. „Und wozu?“

„Keine Ahnung“, antwortete Rohr. „Ich habe natürlich auch zuerst nach einer Erklärung gesucht, bevor ich zu dir gekommen bin. Aber ich finde keine, bei der ein Zufall oder ein Versehen möglich scheint. Die beiden Abdrücke sind identisch, daran besteht kein Zweifel. Das habe ich schon nachgeprüft. Und ich selbst habe diesen Abdruck gestern gesichert, auf diesem Fahrrad. Also an dieser Stelle ist alles klar!

Woher oder wie die in die Akte gekommen sind“, fuhr Rohr fort, „das ist das Eine. Und an dieser Stelle wäre eine Manipulation vorstellbar. Das Andere“, jetzt zuckte er mit den Schultern, „das Andere ist einfach das, wonach es im Moment aussieht. Ein ehemaliger Spion ist in einen aktuellen Mord verwickelt. An einem Zeugen vielleicht. Jemand hatte den Spion erkannt und erpresste ihn, zum Beispiel. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, findest du nicht auch?“

Krüger seufzte. „Ich habe von Anfang an gedacht, dass das ein seltsamer Fall ist. War erst nur so ein Gefühl.“

Rohr legte den Bericht, den er die ganze Zeit hinter dem Rücken gehalten hatte, auf Krügers Pult. „Ich liefere die Fakten und ihr die Erklärungen dazu“, sagte er lächelnd.

„Das bleibt im Moment noch unter uns, Erwin“, bestimmte Krüger. „Darüber muss ich zuerst nachdenken!“

„Tut mir leid. Im AFIS-System ist das jetzt schon drin“, erwiderte Rohr. „Da kann ich nichts mehr machen!“

„Schon klar“, antworte Krüger. „Das ist kein Problem. Nur wer Zugriff und das Wissen über die Zusammenhänge hat, kann damit was anfangen. Ich denke da eher an die Presse. Stell dir vor, wenn was durchsickert!“

Rohr zog sich zurück. Eine Bemerkung über Krügers Angewohnheit, die Fälle mit seiner Lebenspartnerin zu besprechen, verkniff er sich. Offiziell wusste er nichts davon, aber Krüger ließ es ab und zu durchblicken. Aber sie gab nichts weiter, davon war auch Rohr überzeugt.

***

Herbert Fleischer wirkte nervös, als er in dem tiefen Sessel des Restaurants, das als Treffpunkt diente, auf Michael Gerteis wartete. Das Unvorstellbare war eingetroffen. Lehmanns Fingerabdrücke waren bei einer Routineanfrage im System aufgetaucht. Dass es sich um die Prints eines EX-Spions handelte, war im AFIS nicht hinterlegt. Deshalb hatte die Anfrage auch keinen Alarm ausgelöst.

Herbert konnte nur hoffen, dass es sonst keiner bemerken würde. Er hatte seinen Computer so eingestellt, dass er eine Meldung erhielt, wenn dieser Datensatz angewählt oder verändert werden sollte. Zu den Gründen einer AFIS-Abfrage erhielt Herbert keine automatische Auskunft. Lediglich die Information, von welcher Stelle die Anfrage stammte, konnte er einsehen. Normalerweise würde man sich bei Bedarf an die entsprechenden Kollegen wenden.

Dienststelle Freiburg. Ein Abgleich, der einen Treffer ergeben hatte. Unbekannt, Gott sei Dank. Aber ein Treffer blieb ein Treffer. Das konnte alles Mögliche auslösen.

Endlich tauchte Michael Gerteis auf und ließ sich neben ihn in den Sessel sinken. „Du hast Neuigkeiten?“, fragte er gespannt.

Herbert nickte und schob ihm einen Hefter zu. „Da drin findest du alles nochmal zum Nachlesen“, gab er zurück.

„Mach es nicht so spannend“, forderte Gerteis.

Er hörte aufmerksam zu, bis zu der Stelle, an der Fleischer erwähnte, dass in Freiburg bereits eine Wohnung geräumt werde.

„Moment mal. Du erwartest, dass ich nach Freiburg ziehe?“, unterbrach er aufgebracht.

„Du bist der Einzige“, gab Fleischer ungerührt zurück, „der ihn kennt!“

„Nein, nein, das könnt ihr vergessen! Ich bin in Rente und raus aus der Sache“, wehrte Gerteis ab.

„In Rente ja, aber raus, das bist du nicht. Und das weißt du auch.“

„Trotzdem. Es muss bessere, jüngere Leute geben“, wandte Gerteis ein. „Einen Rentner als Fahnder, das muss schiefgehen!“

„Wir lassen dich nicht ganz allein“, beruhigte Fleischer. „Trotzdem, du musst ihn finden. Den Rest kannst du dann uns überlassen. Aber es eilt, verstehst du? Jeden Tag kann die Bombe platzen!“

„Ihn finden, in einer Stadt? Wie stellt ihr euch das vor?“

„Freiburg ist eine mittelgroße Stadt mit klar begrenztem Zentrum“, versuchte Fleischer, zu beruhigen. „Das er dir da über den Weg läuft, ist gar nicht so unwahrscheinlich. Falls er tatsächlich noch am Leben sein sollte. Was eigentlich gar nicht sein kann.“

„Ich bin doch kein Praktikant, Herbert! Ich kenne das Geschäft“, tadelte Gerteis.

„Was Besseres habe ich einfach im Moment nicht für dich“, presste Fleischer hervor. „Ich arbeite daran, eine ganze Gruppe auf alle gemeldeten Lehmanns in Freiburg anzusetzen. Sie werden uns Fotos liefern, die du prüfen kannst.“

***

Immerhin lag die Wohnung direkt im Zentrum. Ein großzügig renovierter Altbau, den sich Gerteis niemals hätte leisten können. Regelmäßig erhielt er Besuch von Fleischer, der ihm wie angekündigt Fotos aller in Freiburg und Umgebung gemeldeten Lehmanns zwischen dreißig und fünfzig vorzeigte. Bisher ohne Erfolg.

Ebenso erfolglos blieben die vielen Spaziergänge, die Gerteis jeden Tag an belebte Orte der Stadt führten: Bahnhof, Münster, die Gassen der malerischen Altstadt.

Dass es mit dieser Methode praktisch unmöglich sein dürfte, einen ehemaligen Agenten aufzuspüren, blieb bei den Gesprächen mit Fleischer tunlichst unerwähnt.

Fleischer ließ schließlich mit einigem Aufwand am Bahnhof eine gut getarnte Kamera anbringen, die den Menschenstrom direkt in die Wohnung übertrug. „Jeder geht mal zum Bahnhof“, so die Begründung, die kaum von der Hand zu weisen war. Vorausgesetzt natürlich, der Gesuchte lebte überhaupt in der Stadt.

Gerteis verbrachte unzählige Stunden vor dem Monitor. Es kam ihm vor wie damals, als es zwar nicht an Mitarbeitern gemangelt hatte, dafür aber umso mehr an Ausrüstung.

Damals hatte das dazu geführt, dass sie preiswerte Methoden entwickelt hatten. Den Mangel genutzt hatten, anstatt ihn zu beklagen.

Die Aufnahme blieb für einige Stunden aufgezeichnet. Gerteis konnte in einem Schnelldurchlauf vorsortieren. Falls es einen Treffer geben sollte, konnte er direkt aus dem Film ein Standbild erstellen, um Lehmann damit zu identifizieren.

Sobald ein brauchbares Foto vorlag, wurde der Rest vergleichsweise zum Kinderspiel. Lehmann würde unauffällig von der Bildfläche verschwinden. Die Leiche in einer entlegenen Gegend begraben, vorzugsweise in unzugänglichem Gehölz, das der nahe gelegene Schwarzwald zuhauf anbot. Was bedeutete ein weiterer Verschwundener, angesichts der Zahl, die das System schon gefordert hatte. Im Stillen würden diejenigen, die dadurch unentdeckt blieben, ihm möglicherweise für sein Opfer dankbar sein. Immerhin besser, als völlig umsonst gestorben zu sein. Darin waren sich Fleischer und Gerteis einig.

***

Nach zwei Wochen war der Fall des Denkmalpflegers Jürgen Leimer bereits aus der täglichen Berichterstattung verschwunden. Spekulationen über eine heimliche Geliebte hatten sich nicht bewahrheitet. Selbst nach intensiven Recherchen durch die Presse hatte sich kein nennenswerter Skandal gefunden.

Franks Befürchtung, gesehen oder verpfiffen worden zu sein, verflüchtigte sich mit jedem Tag, der verging, etwas mehr. Wozu also die Gegend verlassen, an die er sich inzwischen so gewöhnt hatte. Für ihn als Heimatlosen war sie zu einem wichtigen Teil seiner Existenz geworden. Die Wurzeln, die er hier geschlagen hatte, waren die ersten seit Langem.

Die Polizei schien sich auf einen normalen Raubüberfall festgelegt, zu haben. Ein Unbekannter auf Durchreise, der auf ein Zufallsopfer gestoßen war.

Nur einige Plakate, die mögliche Zeugen aufriefen, sich bei der zuständigen Behörde zu melden, hingen noch da und dort und erinnerten an den Mord. Von intensiven Ermittlungen jedoch keine Spur.

Einer weniger, war offenbar die Arbeitshypothese, dachte Berger. Was soll`s? Der Mann hinterließ keine Familie, die Druck ausübte, spann er den Gedanken weiter. Von dem würde bloß eine dünne Akte übrig bleiben, die im Archiv verstaubte. Und vielleicht stiftete ihm der Staat dazu noch einen halbwegs ansehnlichen Grabstein.

Den auch schon bald keiner mehr beachten würde.

Wenn es ihn selbst erwischt hätte, überlegte Frank, würde es einfach bei der Akte bleiben. Da war der doch noch deutlich besser gestellt als er. Oder etwa nicht?

Frank konnte ein Grinsen beim nächsten Gedanken nicht unterdrücken. Wenn der Denkmalpfleger einmal in ferner Zukunft von Schatzsuchern ausgraben werden sollte, dann würden die bestimmt darauf schließen, dass er ein absolut unwichtiger Vorfahr gewesen sein musste. Jedenfalls keinerlei Beigaben wert.

***

So untätig wie es schien, blieb die Polizei natürlich nicht. Allerdings verlief die Auswertung der Spuren rasch im Sand. Die Techniker hatten viel Müll aufgesammelt und dutzende von Reifenspuren gesichert. Etliche Münzen, zwei einfache Schmuckstücke und ein offenbar vor längerer Zeit verlorener Schlüssel stellten die markantesten Funde dar. Ein direkter Zusammenhang mit dem Mord fand sich an keinem der Stücke. Mit Reifenspuren, die von einem solchen Rastplatz stammten, konnte man zwar einen klaren Verdacht erhärten oder entkräften. Aber für eine Suche ohne weiteren Anhaltspunkt blieben sie unbrauchbar.

Alle Hoffnung ruhte jetzt auf der Tatwaffe. Der dunkle Holzgriff des Messers mit den großen, gelb glänzenden Messingnieten und der fünfzehn Zentimeter langen Klinge musste irgendwo irgendwem aufgefallen sein. Die Nieten waren auffallend sorgfältig eingearbeitet. Die matt schimmernde Klinge verwies auf Stahl bester Güte. Kein billiges Küchenutensil. Eher das Werkzeug eines Meisters. Eines Kochs oder eines Schlachters?

Oder stammte es lediglich aus dem Besitz eines Ignoranten, der es sich einfach leisten konnte?

Genauso sehr, wie das Teil auffiel, sollte doch auch sein Fehlen bemerkt werden. Das wäre zumindest zu erwarten.

Solche Ermittlungen benötigten jedoch meistens sehr viel Zeit. Und ob die Herkunft des Messers wirklich weiterhelfen konnte, stand in den Sternen. Hätte es dem Täter schon längere Zeit gehört, hätte er es wohl kaum zurückgelassen.

Die Information über den am Fahrrad gefundenen Fingerabdruck hielt Krüger immer noch zurück. Offiziell, um den Täter in Sicherheit zu wiegen. In Wirklichkeit traute er dem Ergebnis nicht ganz. Ohne klaren Grund. Für Krüger war dieser Print einfach zu sehr im „richtigen Moment“ aufgetaucht. Das fand er einfach „zu glatt“.

Codename Travertin

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