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6. Kapitel

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Freddy Endtinger biss sich genervt auf die Lippen. Jetzt ließ es sich nicht mehr ignorieren. Sein Fundstück von unschätzbarem Wert erwies sich als schwer verkäuflich. Nicht nur, weil sich eine solche Sensation längerfristig ohnehin nicht geheim halten ließ. Sondern auch, weil es inzwischen der dritte interessierte Käufer gewesen war, der es als plumpe Fälschung bezeichnet hatte. Das glaubte Freddy immer noch nicht. Aber seine bisher unerschütterliche Überzeugung, sein Wissen sei umfassend und das Fundstück echt, hatte doch erste Risse bekommen.

Nicht nur schlecht für sein Ego. Freddy hatte in Anbetracht des zu erwartenden Reichtums den einzigen Mitwisser gezielt zum Schweigen gebracht. Teilen gehörte nicht zu Freddys bevorzugten Eigenschaften. Deshalb konnte und durfte es einfach nicht anders sein. Die Platte mit dem eingekratzten Muster zeigte ein Sonnensystem mit Planeten und ihren Monden, wie es heute jedermann kennt. Die Knotenornamente am Rand dagegen, deuteten ganz klar auf den keltischen Ursprung hin. Also wussten die Kelten bereits über die Himmelsmechanik Bescheid. Schon vor mehr als tausend Jahren.

Das hatte Freddy zunächst natürlich auch nicht geglaubt. Aber der Anbieter hatte einige fundierte Argumente vorgebracht, die Freddy alle nach und nach sorgfältig überprüft hatte. Für einen Laien war es kaum nachvollziehbar. Aber der Fachmann konnte nicht bestreiten, dass diese Darstellung den Sinn einiger bisher entdeckter keltischer Kultplätze, ein Stück weit erklären konnte.

Außerdem hatte Freddy von diesem Händler schon länger regelmäßig kleinere Fundstücke gekauft. Die waren immer echt gewesen und gut gelaufen. Das bewies, dass er über eine kompetente und seriöse Quelle verfügte. Getroffen hatten sie sich stets auf dem gleichen Rastplatz an einer wenig befahrenen Landstraße. Ganz in der Nähe lag eine Bushaltestelle, von der ein Trampelpfad über eine kleine Anhöhe zu dieser Straße führte. Der ein unauffälliges Kommen und Gehen ermöglichte. Genau so professionell ausgesucht wie der übrige Ablauf der Geschäfte.

Immer wieder zeigte ihm der Verkäufer, der sich „Meyer“ nannte, eine Fotografie seines Prunkstückes. Dieser Platte. Nach und nach senkte er auch den Preis. Freddy war klar geworden, dass bald jemand zuschlagen würde, wenn er es nicht selbst tat.

Als er dann endlich das Stück zu ersten Mal in der Hand halten durfte, sah er sofort, dass es echt sein musste. Diese Patina auf Bronze entstand nur in Jahrhunderten im Boden. Das ließ sich nicht so überzeugend fälschen. Dass er selbst vom Fach war, hatte Freddy dem Verkäufer von Anfang an verschwiegen. Der scheute offenbar die viele Arbeit oder ihm fehlten einfach die notwendigen Kenntnisse, die ihn selbst reich machen würden. Lieber schnelles, unkompliziertes Geld erhalten. Ein unverkennbares Merkmal der meisten Dummköpfe.

Sie hatten ausgemacht, dass Freddy für hunderttausend Mark zum neuen Besitzer werden sollte. In einer Woche, am gleichen Platz.

Er besaß zwar einen Führerschein, jedoch kein Auto. Wie sollte er die Platte unauffällig abtransportieren? Auch dafür bot ihm der Verkäufer eine einfache Lösung an. Freddy konnte das Fundstück zusammen mit einem alten Kleinwagen übernehmen. Einzige Bedingung: Den Wagen musste er noch am gleichen Tag zurückbringen. Freddy hatte sich mit einer kleinen Einschränkung daran gehalten und die alte Büchse an einem ruhigen Waldweg abgestellt.

Natürlich konnte Freddy die Summe nicht einmal ansatzweise aufbringen. Aber er besaß ein Messer, mit dem er gut umgehen konnte. Eigentlich passte es bestens. Das Messer war selbst auch ein Fundstück. Nicht aus der Erde, es hatte ganz einfach auf einer Parkbank gelegen. Also ideal, um gleich eine Spur zu legen, die in eine ganz andere Richtung führte.

Für Freddy schien es die Gelegenheit, auf die er schon seit Jahren gewartet hatte. Sein inzwischen zehnjähriges Studium der Archäologie sollte direkt zu Geld führen. Ohne schmutzige Hände. Blutige nahm er dazu eher in Kauf, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Außerdem war der Verkäufer selbst schuld, wenn er nicht wusste, dass der Besitz solcher Dinge auch gefährlich sein konnte. Wenn er zum Beispiel an die Mafia geraten wäre …

Die hätten ihn genauso umgelegt. Manchmal waren harte Maßnahmen einfach unumgänglich. Kein Platz für Dumpfbacken in großen Geschäften. Das wurde jedem klar, wenn er darüber nachdachte. Aber Nachdenken setzte eine gewisse Intelligenz voraus. Womit sich der Kreis schloss.

Freddy selbst wusste genau, wo seine eigenen Schwächen lagen. Die Geduld fehlte ihm einfach. Sein Fundstück würde ihm reich machen. Sehr reich sogar. Aber nur wenn er es schaffte, abzuwarten.

Sonst beginge er ja den gleichen Fehler wie Meyer. Selbstverständlich ließen sich ihre Gründe nicht vergleichen. Das bedeutete jedoch keineswegs, dass es nicht trotzdem zum gleichen Ergebnis führen konnte.

Für Freddy eine glasklare Sache. Und genau dieses Wissen sorgte für den Unterschied. Ihm wäre nicht so leicht, beizukommen, wie diesem unsäglichen Trottel.

***

Kommissar Krüger runzelte ungläubig die Stirn: „Und das haben die erst nach drei Wochen gemerkt?“

Otto Grünwald, zusammen mit Thomas Sieber sein Dienstältester Assistent, hob hilflos die Hände. „Ja, Chef! Ist eine alte Karre. So ein Kleinwagen oder ein Frauenauto.“

„Vorsicht, Otto!“, mahnte Krüger.

„Sie wissen, was ich meine, Chef.“

„Und dieses Fahrzeug ist seit drei Wochen einfach nicht mehr da? Und keiner merkt´s?

„Das Museum hat rund dreißig eigene Fahrzeuge in der Garage. Die kann jeder Mitarbeiter mit Fahrberechtigung einfach nehmen. Außer den Chefs hat niemand ein fest zugeteiltes Auto. Jürgen Leimer war offenbar der Einzige, der sich noch mit der Antiquität zufriedengab. Passt ja auch zu ihm, irgendwie.“

Krüger grinste nur kurz. „Das wäre vermutlich die entscheidende Spur gewesen, wenn wir davon gewusst hätten“, stellte er genervt fest. „Was haben Sie schon unternommen, Otto?“

„Fahndung ist raus. Sieber ist unterwegs zum Museum, um den Verantwortlichen für den Fuhrpark zu befragen. Das ist alles, im Moment.“

Krüger sah ihn nachdenklich an. „Woher stammte eigentlich die Annahme, dass Leimer nicht selbst auf diesen Rastplatz gefahren ist?“

„Erstens hatte er eine Busfahrkarte in der Tasche und zweitens von seiner Sekretärin: Er habe die Umgebung zu Fuß erkundet, um das Gelände besser lesen zu können. Hingefahren sei er immer mit dem Bus. Das hat sie ausgesagt.“

„Dann könnte es sein, dass Leimer sie mit Absicht falsch informiert hat, um ungestört zu sein“, überlegte Krüger laut. „Aber was könnte er bei sich gehabt haben, dass einen Raubmord provoziert hat?“

„Den Wagen wohl kaum?“, gab Grünwald zurück.

„Natürlich nicht, Otto“, tadelte Krüger.

„Könnte er vielleicht Antiquitäten verscherbelt haben?“, mutmaßte Grünwald weiter.

„Kein Wort davon in einem Bericht, bis wirklich ein konkreter Anhaltspunkt auftauchen sollte“, mahnte Krüger. „Einen so schwerwiegenden Vorwurf gegenüber einem ermordeten Beamten zu erheben, ist äußerst heikel. Ich gebe zu, dass ich auch schon daran gedacht habe. Der Ort und die Tageszeit sprechen dafür. Es sieht wirklich danach aus, dass Leimer ein Treffen gehabt hat, von dem sonst niemand wissen sollte. Mit der angeblichen Erkundung als Tarnung.“

***

Frank konnte es noch einige Monate ohne Verdienst aushalten, wenn er wollte. Aber die Schatzsuche hatte ihm gefallen. Weshalb es nicht einmal an einem anderen Ort versuchen. An einem dieser Punkte, die er in einer TV Doku gesehen hatte. Nicht direkt an einem solchen Platz, so blöd war Frank natürlich nicht. Aber in der Nähe oder auf einem der Zugangswege. Wenn er nach den gelernten Kriterien einen bekannten Fundort untersuchte, würde er bestimmt einen interessanten Platz finden. Eine Stelle, die nicht schon durch ganze Horden von Sondlern abgegrast wurde.

Nachdenklich breitete er eine Karte der Bundesrepublik auf seinem Bett aus. Karlsruhe schien vielversprechend und noch in Reichweite. Ein größeres Waldstück neben der Stadt, unterhalb von Durlach und Pfinztal gelegen, entsprach den Kriterien. Dort musste es alte Steige und vielleicht auch Naturdenkmale geben, die die Menschen schon sehr lange kannten. Gewissheit konnte jedoch nur eine Suche vor Ort bringen. Fast wie Urlaub, dachte Frank. Morgen würde er sich auf den Weg machen, ohne die Zelte hier ganz abzubrechen. Ein paar Stunden mit der Bahn, so weit weg lag das nicht. Und wenn ihm die Gegend gefallen sollte, konnte er immer noch umziehen. Bei „Umzug“ musste er unwillkürlich grinsen. Ein Wort, welches eigentlich nur existierende, sesshafte Menschen kannten. Wie sollte er es für sich nennen? Treibgut fiel ihm ein. Das passte schlecht. Obschon es irgendwie an vertrieben erinnerte. Aber er war kein Vertriebener. Eher ein Überflüssiger.

Mit einem kühlen Bier versuchte er die aufkommenden schlechten Gedanken, zu verscheuchen. Irgendwann würde er auffliegen. Er konnte auf der Straße zusammenbrechen und in eine Klinik gebracht werden. „Wer sind Sie? Ihr Wohnort und welche Krankenversicherung?“

„Niemand und nirgends“, würde er antworten müssen.

Vermutlich würde jemand die Polizei rufen. Oder ihn gleich in die Klapse einliefern. Am Ende vielleicht die bessere Lösung?

***

Schläfrig saß Michael Gerteis vor dem Monitor, der ihm Bilder des Gedränges auf der Treppe im Bahnhof direkt in die Wohnung brachte. Es kam ihm wie ein Blitz vor. Ein Gesicht, welches ganz kurz aufleuchtete. Das war Lehmann gewesen. Heinrich Lehmann. Einer seiner früheren Spione.

Gerteis rieb sich die Augen. War es eine Einbildung gewesen oder hatte er gerade einen unglaublichen Treffer gehabt. Die Zweifel wuchsen schnell. Lehmann war nicht nur kaum auf diese Weise zu finden, sondern auch noch tot. Er musste sich geirrt haben. War ja auch kein Wunder, wenn man sich stundenlang nur vorbeiziehende Gesichter ansieht, dachte er. Einmal musste das Gehirn die Notbremse ziehen.

Das Standbild ruckelte Stück für Stück zurück. Keine Spur von Lehmann. Gerteis winkte geistig schon ab. Nur Einbildung. Nur noch ein kleines Stück zurückfahren, um sicher zu sein. Wenn Fleischer wüsste, wie viel Film im Halbschlaf an ihm vorbeizog. Aber er schaffte einfach nicht mehr. Diese Masse von Gesichtern ohne jede Handlung schläferte jeden … Da! Da war es wieder gewesen. Lehmann. Gerteis war inzwischen so nervös, dass er es kaum noch schaffte, den Film an der richtigen Stelle anzuhalten. Er kannte viele Menschen, die sich im Laufe der Jahre deutlich verändert hatten. Aber Lehmann sah immer noch genauso aus, wie er ihn in Erinnerung hatte. Es konnte sich höchstens um einen Zwilling handeln. Aber der existierte nicht. Gerteis wusste fast alles über Lehmann. Zumindest über den Lehmann von früher.

Tausend Dinge fielen ihm ein. Er musste sofort Fleischer informieren. Waldtraut musste so schnell wie möglich aus der Öffentlichkeit verschwinden. Bevor Lehmann sie erkannte.

Waldtraut verschwinden zu lassen war nicht möglich. Sie stand in der entscheidenden Phase des Wahlkampfes, fiel ihm ein. Es blieb nur die Alternative. Lehmann musste verschwinden. Und er gefährdete nicht nur Waldtraut. Sondern auch Gerteis selbst. Und mit ihm einige hundert pensionierte Genossen, die einen sorglosen Ruhestand genossen. Darüber hatten sie oft gelacht. Dass ausgerechnet der Klassenfeind sie zu dem werden ließ, wofür sie sich früher gehalten hatten.

Gerteis versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er konnte immer noch so tun, als sei nichts gewesen. Wenn er alles abhob, was auf seinen Konten lag, würde es für ein paar Jahre in Kanada oder irgendwo in Südamerika reichen.

Weshalb musste ausgerechnet er sich darum kümmern? Hatte er nicht schon genug geleistet? Unwillkürlich ging ihm durch den Kopf, wie sehr er sich heimlich geschämt hatte, als er von der neuen Behörde mit seinen angeblichen Verdiensten in den Ruhestand verabschiedet wurde. Jetzt wäre der Moment, wo er sich das damalige Lob verdienen könnte.

Aber wozu? Besser an sich denken und verschwinden. Jedoch sie würden ihn überall finden. Nicht die, die ihn für einen Ehrenmann hielten. Diejenigen, die er verraten würde, wenn er sich aus dem Staub machte.

Der Tod eines Einzelnen konnte sich lange hinziehen, das wusste Gerteis nur zu gut. Und die würden genauso davon überzeugt sein, das Richtige zu tun, wie er es früher selbst gewesen war.

Trotz beginnender heftiger Kopfschmerzen griff er zum Telefon. Fleischers aktuelle Nummer wusste er auswendig. Vor wenigen Tagen gelernt und sofort abrufbar. Genau wie Früher. Er konnte nur hoffen, dass er etliche dieser Eigenschaften noch besaß. Fleischer erwartete das. Also ging es um Pflicht. Und damit brauchte er keinen Gedanken mehr daran zu verschwenden was richtig oder falsch war.

Er würde funktionieren. Und nicht nur er. Ein letztes Mal konnte der Apparat anlaufen. Lehmann hatte keine Chance.

***

Eine neue Spur brachte meistens in schleppende Ermittlungen neuen Schwung. Jedoch nicht im Fall Jürgen Leimer. Die Suche nach dem Wagen blieb zunächst erfolglos und die Befragung des Museumspersonals führte in eine Sackgasse. Jemand hatte offenbar die Vermutung gestreut, dass die alte Kiste endlich auf dem Schrottplatz gelandet sei, womit sich jede weitere Diskussion erübrigte. Der zuständige Verwalter des Fahrzeugparks hatte zudem erklärt, dass wirklich nur noch Leimer den Wagen benutzt hatte.

Den Ablauf des Mordes konnte von Doktor Holoch anhand der Verletzungen ziemlich genau dokumentiert werden. Leimer hatte zuerst einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf erhalten, bevor ihm das Messer ins Herz gerammt wurde. Vor dem Schlag hatte er offenbar eine gebückte Haltung eingenommen. Wie wenn er in ein Behältnis geschaut hätte oder sich auch nur einen Schuh binden wollte. Den Schlag hatte er bestimmt nicht kommen gesehen. Keine sehr schwere Verletzung. Ob er davon nur benommen oder ohne Bewusstsein geblieben war, ließ sich nicht mit Sicherheit feststellen.

Kommissar Krüger spielte mehrere Varianten eines möglichen Treffens auf diesem Rastplatz durch. Ausgehend von Personen die sich verabredet und auch von solchen, die sich zufällig getroffen hatten. Das dichte Gebüsch konnte leicht als Versteck gedient haben, wenn es jemand darauf abgesehen hatte, einfach wahllos Reisende zu überfallen, die nur eine Rast einlegen wollten.

Die Blutspuren an der Parkbank sprachen dafür, dass Leimer dort Platz genommen hatte. Ein im Sitzen erstochenes oder erschlagenes Opfer kannte normalerweise seinen Mörder. Wenn er sich nicht von hinten angeschlichen hatte.

Wirklich neue Erkenntnisse ergaben sich kaum. Keine Variante erwies sich als sehr viel wahrscheinlicher als die andere.

Deshalb entschloss sich Kommissar Krüger dazu, genauere Nachforschungen über Jürgen Leimer selbst anzustellen. Hatte er irgendwelche Geschäfte am Laufen gehabt, die ihn in Gefahr gebracht haben konnten?

Polizeirat Vogel hatte zögernd zugestimmt, jedoch absolute Diskretion verlangt. Noch galt Jürgen Leimer als vorbildlicher Beamter und das musste so bleiben, bis absolut stichhaltige Beweise vorlagen.

Wie auch immer. Desto mehr Zeit verstrich, desto unwahrscheinlicher wurde eine Aufklärung der Tat. Höchstens ein Zufall oder ein Hinweis aus unerwarteter Richtung konnte jetzt eine entscheidende Wendung bringen.

Codename Travertin

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