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Der Jhankri vom Himalaya

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Auch auf dem „Dach der Welt“ – im Himalaya – ist der Schamanismus noch lebendig. In der Kosmologie der nepalesischen Schamanen, Jhankris, spielt der Weltenbaum eine zentrale Rolle und ist mit dem wichtigsten Ritualgerät verbunden: Der sogenannte Phurba ist ein dreiseitiger, zugespitzter Holzstab, der als „Geisterdolch“ fungiert, den der Schamane bei der Jenseitsreise in den Händen hält, um etwaige Dämonen in die Flucht zu schlagen. Der Phurba symbolisiert die Weltachse, mit seiner Hilfe manövriert sich der Jhankri durch die drei Welten. Deshalb findet sich der Phurba traditionell an der nepalesischen Schamanentrommel: Die beidseitig mit Fell bespannte Rahmentrommel wird im Sitzen gespielt, mit der einen Hand an einem Griff gehalten und mit der anderen mit einem Schlägel geschlagen – dieser „Griff“ ist der Geisterdolch, der Weltenbaum.

Vor ein paar Jahren hatte ich die Gelegenheit, der séance eines Himalaya-Schamanen vom Stamme der Tamang beizuwohnen, die m. E. mustergültig exemplifiziert, was man sich – zumindest äußerlich – unter der schamanischen Ekstase vorzustellen hat. Der Schamane trug die traditionelle weiße Tracht eines nepalesischen Jhankris, eine mit Pfauenfedern verzierte Kopfbedeckung und schwere Glockenketten um den Körper. Mantras murmelnd warf der Jhankri ein paar Reiskörner auf die Ritualwerkzeuge und Kultgegenstände, die vor ihm auf dem Boden ausgebreitet waren. Er schloss die Augen und begann rhythmisch auf die Trommel einzuschlagen – und zwar viel härter als ich es erwartet hatte. Aus den Mantras wurden lautstarke Gesänge und im Takt der Trommel bewegte sich der Jhankri (im Schneidersitz) heftig auf und ab. Der Schlagrhythmus mutierte immer mehr zu einem monotonen Trommelfeuer, das den verräucherten Raum dröhnend erfüllte wie ein tosendes Gewitter. Klirrender Lärm ging von den Ketten aus, die sich mit den heftigen Bewegungen des Schamanen syn-ästhetisch verbanden; die Gesänge klangen jetzt erhaben-hymnisch, gleichsam urtümlich-naturgewaltig. Das Szenario ließ mich unwillkürlich an die Wilde Jagd denken, jenen germanischen Geisterzug, der unter Peitschenknall und Hörnerblasen lautstark durch die nebeligen Rauhnachtstürme galoppiert. Immer fester schlug der Jhankri auf die Trommel und es sah so aus, als würde er gleich aufspringen, umfallen und sich über den Boden winden. Er hyperventilierte, riss die Augen heftig auf und schien für diese Augenblicke Dinge anzustarren, anzurufen, die nur er allein wahrnahm. Er verdrehte seinen Kopf, gab laute Zischgeräusche von sich und schnalzte mit der Zunge – die Stimmen der Geister. Mit rüttelnden Bewegungen und Zuckungen am ganzen Körper sah der Schamane aus wie einer, der vollkommen den Verstand verloren hat. Und in der Tat, der Mann war völlig außer sich, war in Ekstase. Endlich nahmen Geschwindigkeit und Lautstärke des Trommelrhythmus wieder ab, taumelnd kehrte der verschwitzte Jhankri in die Alltagswelt zurück. Mit letzter Puste sprach er Mantras und warf noch ein paar Reiskörner, bevor er sich erschöpft zurücklehnte und freundlich lächelte.


Germanischer Werwolf – Schamanentanz zu Ehren Odins. Bronzeplatte aus Torslunda, 6.-7. Jhd

Schamanismus bei den Germanen

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