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IV. Funktionelle Qualifikation

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1. Mit einer am deutschen materiellen Recht orientierten Qualifikation lege fori lassen sich jedoch gerade die problematischen Fälle nicht lösen, denn sie sind aus der Spannung zwischen den Systembegriffen des deutschen (materiellen) Rechts und anderer Normsysteme entstanden.

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Alle Qualifikationsprobleme, die aus der Verschiedenheit deutscher und ausländischer Systembegriffe entstehen, werden vom Ausgangspunkt der lex fori mit der Methode der funktionellen Qualifikation gelöst. Die Systembegriffe der deutschen Verweisungsnormen werden dabei so weit ausgelegt, dass sie alle ausländischen Regelungen erfassen. Dazu ist auf die Funktion der Normen abzustellen. Teilweise wird gefragt, ob auf die Funktion der (deutschen) Kollisionsnormen oder die Funktion der ausländischen Sachnormen der lex causae abzustellen ist. Dies bedeutet aber keine Alternative: Ziel der funktionellen Qualifikation ist es, die Normen der lex causae unter die deutsche Kollisionsnorm zu subsumieren, was nur möglich ist, indem man den materiellen Gehalt der in Betracht kommenden ausländischen Norm erfasst und die Frage beantwortet, ob dieser Gehalt einem Systembegriff des deutschen IPR adäquat ist.

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Funktionelle Qualifikation nutzt bei der Einordnung der ausländischen Norm die rechtsvergleichende Methode; um deren Zweck unabhängig von fremder Systematik zu ermitteln, muss aber schon die fremde Norm teleologisch eingeordnet werden. Bei der Frage nach der Funktion der deutschen Kollisionsnorm steht die teleologische Methode im Vordergrund.

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2. Mit funktioneller Qualifikation können insbesondere auch dem deutschen Recht unbekannte Rechtsinstitute erfasst werden; dabei ist allerdings die Feststellung nicht zu vermeiden, dass solche Institute mehrere Funktionen haben können und deshalb aus deutscher Sicht ggf zu verschiedenen Systembegriffen gehören. Dann muss das ausländische Rechtsinstitut funktionell zerlegt werden, weil es aus der Sicht der maßgeblichen lex fori nur scheinbar einheitlich ist.

Wiederum im Bild des Schrankes: Wir bauen unseren Schrank mit so ausreichend dimensionierten Schubladen, dass alle Normen fremder Rechtsordnungen einen geeigneten Platz finden, und stören uns nicht daran, dass dieser Schrank anders aussieht als der des BGB. Dennoch liegen manche fremden Rechtsinstitute zerteilt in verschiedenen Schubladen.[5]

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3. Selbst zur Heilung von Unschärfen im eigenen materiellen System vom Typ der zweiten Qualifikationsfrage lässt sich die funktionelle Qualifikation nutzbar machen, obwohl hier eigentlich dem Gesetzgeber der Vorwurf zu machen ist, dass er ohne Notwendigkeit die eigenen Systembegriffe verletzt hat. Das IPR kann nämlich mittels funktioneller Qualifikation entscheiden, ob ein zwischen materiellen Systembegriffen stehendes Rechtsinstitut einem der Systembegriffe enger verbunden ist.

Die ganz überwiegende Ansicht sah bereits vor der Klärung durch den BGH (Rn 485) § 1371 Abs. 1 BGB jedenfalls als auch ehegüterrechtlich an, weil der Zweck, den Güterstand der Zugewinngemeinschaft auszugleichen, ein deutsches Ehegüterstatut voraussetzt, so dass § 1371 Abs. 1 BGB jedenfalls bei ausländischem Ehegüterstatut nicht anwendbar sein kann. Strittig war vor allem, ob rein ehegüterrechtlich zu qualifizieren war, also § 1371 Abs. 1 BGB bei deutschem Ehegüterstatut auch neben ausländischem Erbstatut eingreift (so nun der BGH, Rn 485). Eine andere Ansicht qualifiziert kumuliert güter- und erbrechtlich, wendet also § 1371 Abs. 1 BGB nur bei deutschem Erb- und Güterstatut an, um solche Spannungen zu vermeiden.[6]

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