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II. Voraussetzungen der Substituierbarkeit

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Substitution setzt die positive Antwort auf zwei Fragen voraus: Erlaubt die lex causae, meist das deutsche Recht, überhaupt eine Substitution des in Begriffen deutschen Rechts verstandenen Tatbestandsmerkmals durch ein ausländisches Rechtsinstitut? Wenn dies zu bejahen ist: Genügt das konkrete Rechtsinstitut den Voraussetzungen, die an eine Vergleichbarkeit zu stellen sind?

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1. Nur ganz ausnahmsweise wird die erste Frage zu verneinen, also die Möglichkeit der Substitution ganz abzulehnen sein. Dies erfordert eine Begründung, wonach die betreffende Norm mit der Verwendung des deutschen Rechtsinstituts Zwecke verfolgt, die schlechterdings nicht durch ein noch so ähnliches ausländisches Rechtsinstitut substituierbar sind.

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Die Form der Übereignung eines deutschen Grundstücks unterliegt nach Art. 11 Abs. 4 deutschem Recht als Sachstatut (lex rei sitae). Damit gelten §§ 873, 925 BGB, erforderlich ist die Auflassung vor einem Notar. § 925 BGB geht sicher von dem deutschen Begriffsverständnis von „Notar“ aus. Es stellt sich die erste Substitutionsfrage, ob überhaupt ein ausländischer Notar (zB ein österreichischer, der dem deutschen Notar an Ausbildung und Seriosität gleich steht) die Auflassungserklärungen entgegennehmen kann. Nach hM soll das nicht möglich sein; ein ausländischer Notar ist also in § 925 BGB nicht für einen deutschen substituierbar.[10] In diesem Zusammenhang geht es weniger um die Wahrung der Interessen Beteiligter (vgl dazu unten Rn 547 Belehrung über deutsches Recht) als um die Sicherheit des Grundbuchverkehrs.

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Umstritten ist die Substituierbarkeit des ausländischen Notars als Urkundsperson im Gesellschaftsrecht,[11] insbesondere bei Gesellschaftsgründungen und Satzungsänderungen, die deutsche Handelsgesellschaften betreffen. Nach richtiger Ansicht ist das Beurkundungserfordernis für Rechtsgeschäfte, welche die Verfassung der Gesellschaft betreffen, nicht nur formeller, sondern auch materieller Natur, weil solche Geschäfte tief in die überindividuelle Struktur der Gesellschaft eingreifen. Da also die Wahrung der Ortsform nach Art. 11 nicht genügt, kommt es auf die Frage nicht an, ob die für eine inländische Gesellschaft (zB schweizerische AG) vorgesehene Ortsform übertragbar wäre auf eine vergleichbare deutsche Gesellschaft (deutsche AG). Es gilt somit für eine deutsche Gesellschaft jedenfalls deutsches Recht, zB für die GmbH §§ 2, 53 GmbHG. Die erste Substitutionsfrage lautet: Kann überhaupt ein ausländischer Notar für die notarielle Beurkundung nach diesen Bestimmungen einen deutschen Notar ersetzen? Obgleich verbreitet für die Verfassung der Gesellschaft betreffende Geschäfte nur der deutsche Notar als kompetent angesehen wird, bejaht der BGH[12] zu Recht die Substituierbarkeit, sofern auf die Belehrung über das anwendbare deutsche Recht (konkludent) verzichtet werden kann. Erst recht gilt dies für die Form bei Übertragung von Gesellschaftsanteilen.

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2. Ist eine Substitution überhaupt möglich, so ist die zweite Substitutionsfrage zu stellen, ob das fremde Rechtsinstitut gleichwertig zu dem in der Bestimmung gemeinten deutschen Institut ist. Die Beantwortung hängt von dem Zweck ab, den die deutsche Bestimmung mit der Verwendung dieses Rechtsinstituts verfolgt, so dass in jedem Einzelfall die Zwecke der Norm diskutiert werden müssen.

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a) Vielfältige Fragen ergeben sich um die Funktion ausländischer Notare. Substitution erfordert hier die Gleichwertigkeit der Urkundsperson und des Urkundsverfahrens. Schreibt eine Bestimmung öffentliche Beglaubigung vor (zB § 29 GBO), so kann die deutsche öffentliche Beglaubigung durch jede Urkundsperson substituiert werden, die nach dem Recht des Staates, wo sie handelt, einen öffentlichen Glauben hinsichtlich der Identität des Erklärenden genießt. Insbesondere genügt sogar ein – juristisch meist nicht gebildeter – notary public des common law-Rechtskreises.

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b) Verlangt das deutsche Recht notarielle Beurkundung und genügt nicht die Ortsform, so kommt es zunächst darauf an, welche Funktionen (Authentizität der Erklärung, Warnungs- oder Belehrungsfunktion) im Vordergrund der Formvorschrift stehen. Dem muss sowohl die Urkundsperson als auch das Beurkundungsverfahren entsprechen: Gleichwertigkeit der Urkundsperson ist gegeben, wenn die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt. Selbst wenn keine Belehrungsfunktionen mit der Form verbunden sind, genügt nur eine juristisch gebildete, in ihrer Stellung integre Beurkundungsperson, die dem deutschen Notar nahekommt. Belehrung (über deutsches Recht!) kann der ausländische Notar nicht leisten, so dass auch auf dieser Stufe die Substitution nur möglich ist, wenn die Belehrung verzichtbar ist und die Parteien – konkludent durch Auswahl des ausländischen Notars – darauf verzichtet haben.[13] Gleichwertigkeit des Beurkundungsverfahrens setzt voraus, dass der ausländische Notar für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht.[14] Gerade zur Gleichwertigkeit des Beurkundungsverfahrens werden vermehrt Bedenken selbst in Bezug auf Staaten vorgetragen, deren Notariat den persönlichen Anforderungen genügt; das Verfahren muss für den jeweiligen Gegenstand den wesentlichen Elementen der deutschen Beurkundung entsprechen, was sich für die Beurkundung eines Gesellschaftsvertrages völlig anders darstellen kann als für die Einreichung einer Gesellschafterliste oder die Beurkundung einer Hauptversammlung einer AG.[15]

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c) Die Gleichwertigkeit einer ausländischen Adoption für Zwecke des § 6 StAG (Rn 263) kann nur gegeben sein, wenn die Adoption alle familien- und erbrechtlichen Beziehungen zur Ursprungsfamilie abschneidet und ein volles, wechselseitiges Verwandtschaftsverhältnis zu den/dem Adoptierenden begründet. Verzichtet werden kann im Wege der Substitution nur auf eine Bestimmung, wonach diese Adoption die deutsche Staatsangehörigkeit vermitteln kann, denn eine solche Bestimmung kann sich natürlich nicht in einer ausländischen Familienrechtsordnung finden. Ein wichtiges Indiz gegen eine Substituierbarkeit ergibt sich aber, wenn die Adoption die Staatsangehörigkeit jenes Staates nicht vermitteln könnte.

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d) Substitutionsfragen können sich auch bei im Ausland vorgenommenen Verfahrenshandlungen ergeben, wenn entsprechende inländische Verfahrenshandlungen materielle Rechtswirkungen erzeugen, wie etwa die verjährungshemmende Wirkung der Klageerhebung (§ 204 BGB).[16]

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