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III. Lösungen

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Die Lösung des Anpassungsproblems erfolgt entweder auf internationalprivatrechtlichem oder auf materiell-rechtlichem Weg.

1. Kollisionsrechtlich kann im Fall der Normenhäufung oder -unverträglichkeit der gesamte Lebenssachverhalt einer der konkurrierenden Rechtsordnungen unterstellt werden, oder es wird im Fall des Normenmangels der Anwendungsbereich einer Kollisionsnorm ausgedehnt auf die nicht gelöste Fragestellung. Beides bedeutet jedenfalls eine Abkehr von der eigenen kollisionsrechtlichen Qualifikation der Fragestellung und damit von den Interessen, die der gewählten Anknüpfung zugrundeliegen.

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2. Materiell-rechtlich ergibt sich eine Lösung durch modifizierte, einschränkende oder ausdehnende Anwendung der „eigentlich“ berufenen Rechtsordnungen. Das wahrt die kollisionsrechtliche Grundsatzentscheidung, verletzt aber das Interesse an einer realen Rechtsanwendung, also der Anwendung einer so wirklich existierenden Rechtsordnung.

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3. Die Wahl des Lösungsmodells hängt von der Art des Widerspruchs, häufig aber auch von der individuellen Gestaltung des Falles und der beteiligten Rechtsordnungen ab. Dabei trifft das Gericht Wertentscheidungen zugunsten einer Rechtsordnung oder eines materiellen Ergebnisses; dennoch verlangt die Rechtssicherheit nach einer dem formalen und widersprüchlichen Ergebnis möglichst nahen Lösung (weshalb ein Ausweichen auf die lex fori oder gar ein drittes Recht meist ausscheidet).

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a) Normenmangel ist regelmäßig kollisionsrechtlich durch die Ausdehnung des Anwendungsbereichs einer Rechtsordnung zu beseitigen. Mit dieser harmoniert sodann das Ergebnis; der Eingriff besteht im Grunde nur in einer erweiternden Qualifikation aus Sicht des deutschen IPR.

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b) Normenhäufung lässt sich kollisionsrechtlich nur beseitigen, wenn man einer der beteiligten Rechtsordnungen, die beide gelten sollen, den Vorzug gibt. Dies bedeutet nicht nur einen Eingriff in die Qualifikation des deutschen IPR, sondern auch eine bedenkliche (letztlich ergebnisorientierte) Bevorzugung eines Regelungsmodells. Besonders deutlich wird der Nachteil dieser Lösung, wenn man bedenkt, dass für Standardprobleme der Normenhäufung gerade entgegengesetzte Standpunkte vertreten werden.

Soll im Fall des US-Erbstatuts bei deutschem Ehegüterstatut (Rn 567) der überlebende Ehegatte insgesamt nach dem Modell des deutschen Rechts (Güter- und Erbrecht) oder dem der beteiligten US-Rechtsordnung beteiligt werden?

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Daher sollte in solchen Fällen immer erwogen werden, ob eine materiell-rechtliche Anpassung den Konflikt schonender bereinigen kann. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Ergebnisse der beteiligten Rechtsordnungen nur quantitativ voneinander abweichen. Es wird dann eine Lösung, die den „Mittelweg“ sucht, gerechter erscheinen als die kollisionsrechtliche Bevorzugung eines der Extreme.

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Im Fall der Kollision von US-Erbstatut und deutschem Ehegüterstatut kann die Lösung sogar von der Nachlassgröße abhängen: Bei kleinen Nachlässen besteht keine Anpassungsmöglichkeit, denn der Ehegatte erhält schon nach dem US-Erbstatut wenigstens den „Voraus“ von $ 50.000; das folgt nicht aus einer Kumulation, sondern schon aus der Wertung des Erbstatuts und bedeutet daher kein Anpassungsproblem. Beträgt der Nachlasswert $ 1 Mio., so steht die fiktiv nach deutschem Erb- und Ehegüterrecht ermittelte Ehegattenquote von ½ der US-amerikanischen von ½ (aus dem um $ 50.000 geminderten Nachlass) zzgl. $ 50.000 gegenüber, was kaum noch stört. Dazwischen wird man mit einer materiell-rechtlichen Lösung, die den „Voraus“ von $ 50.000 schrittweise auf die zwischen den beiden Rechtsordnungen nicht problematische Hälftequote anrechnet, dem – rein quantitativen – Problem gerecht.

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Trifft deutsches Ehegüterrecht (§ 1371 Abs. 1 BGB) auf österreichisches Erbrecht, so stellt sich die Frage, ob die österreichische Ehegattenerbquote neben Abkömmlingen von 1/3 um das Viertel nach § 1371 Abs. 1 BGB zu erhöhen ist, obgleich österreichisches Recht eine güterrechtliche pauschale Erbquotenerhöhung nicht kennt. Österreichisches Erb- und deutsches Ehegüterrecht, also 1/3 + 1/4 = 7/12 sprengt jedenfalls die Grenzen beider Rechtsordnungen. Zwischen den quantitativen Alternativen 1/3 (österreichisches Recht) oder 1/2 (deutsches Recht) wird man sich eher für die Lösung entscheiden, die dem deutschen Recht entspricht, weil diese Lösung der durch Normenhäufung entstandenen und abgelehnten Lösung am nächsten kommt.[3]

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Bei qualitativen Abweichungen zweier Rechtsordnungen lässt sich hingegen kaum eine materielle Lösung finden; insoweit ist eine kollisionsrechtliche Lösung zu suchen.

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c) Normenunverträglichkeit lässt sich regelmäßig nur im materiellen Recht korrigieren; insbesondere, wenn Rechtsinstitute aus einer anderen Rechtsordnung sich nicht in das aktuell anzuwendende Statut einbetten lassen, handelt es sich nicht wirklich um Konflikte zweier nebeneinander stehender Rechtsordnungen, so dass die kollisionsrechtliche Bevorzugung einer der beiden ausscheidet.

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Das unterhaltsrechtliche Problem des vierfachen Ehemannes (Rn 567) ist in Anwendung des deutschen Unterhaltsrechts materiell-rechtlich zu bereinigen, wobei das Phänomen mehrerer gleichrangig Unterhaltsberechtigter (zB Ehegatte und geschiedener Ehegatte) auch innerhalb des deutschen Rechts vorkommt: Bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs jeder der Ehefrauen nach § 1361 BGB ist der eigene Bedarf des Ehemannes ebenso zu berücksichtigen wie gegenüber einem Ehegatten; die Ansprüche der jeweils anderen Ehefrauen mindern jedoch gleichrangig die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners. Es wird also nicht schlicht ein fiktiver Ehegattenunterhalt auf vier Ehefrauen verteilt; soweit der Ehemann leistungsfähig ist (Selbstbehalt), kann er bis zum vollen Bedarf jeder Ehefrau verpflichtet sein.

Teil II Allgemeine Lehren des IPR§ 6 Korrektur der Verweisung › C. Ordre Public

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