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D. Abgrenzung: Handeln unter „falschem Recht“

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Ein Phänomen, das von der Qualifikationsfrage abzugrenzen ist, stellt sich, wenn Personen unter aus Sicht des deutschen IPR „falschem Recht“ handeln, also Rechtshandlungen in der Annahme der Geltung einer bestimmten Rechtsordnung vornehmen, die aus Sicht des deutschen IPR nicht auf den Sachverhalt anwendbar ist. Diese Fälle haben vielfältige Gestalt und verlangen nach unterschiedlichen Lösungen. Nehmen die Handelnden ein dem tatsächlich anwendbaren Recht unbekanntes Rechtsinstitut in Anspruch, so stellt sich ein Qualifikationsproblem, zugleich aber die Frage von Unwirksamkeit oder Umdeutung in ein bekanntes Rechtsinstitut. Nehmen die Handelnden ein in beiden Rechtsordnungen in unterschiedlicher Ausprägung vorkommendes Rechtsinstitut in Anspruch, so bedarf es der Auslegung. Das Handeln unter einer vom deutschen IPR berufenen Rechtsordnung kann aber auch eine konkludente Rechtswahl bedeuten, soweit diese zulässig ist.

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Ein Deutscher und eine mauritische Staatsangehörige schließen die Ehe vor einem Standesbeamten in Mauritius und geben hierbei eine im mauritischen Recht vorgesehene Erklärung zur Wahl des régime légal de séparation de biens ab. Beide Ehegatten haben vor und nach der Eheschließung gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Unter deutschem Ehegüterstatut (Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr 2 Alt. 1: gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt bei Eheschließung) gibt es den gewählten Güterstand nicht; die Ehegatten haben unter mauritischem Recht als „falschem“ Recht gehandelt. Die Güterstandswahl könnte eine konkludente Rechtswahl bedeuten (zulässig nach Art. 15 Abs. 2 Nr 1); insoweit fehlt aber ein Erklärungsbewusstsein. Da eine Güterstandswahl auch nach deutschem materiellem Recht zulässig ist (§ 1408 BGB) und die Wahrung der Ortsform (Art. 11 Abs. 1) genügt, ist zu ermitteln, ob die Ehegatten einen rechtsgeschäftlichen Willen zur Wahl eines Güterstandes hatten; sodann ist die unter falschem Recht abgegebene Erklärung auszulegen. Der BGH[19] gelangt zu einer Wahl der Gütertrennung deutschen Rechts.

Ein US-Amerikaner errichtet, in New York lebend, ein Testament, das formularmäßig vorbereitet an der Rechtslage in New York ausgerichtet ist. Unter anderem bestimmt er seinen als einzigen Erben eingesetzten Sohn zum „sole executor of my will“. Jahre vor seinem Tod in 2014 verlegt er seinen Aufenthalt nach Deutschland, wo er seinen Lebensabend verbringen will. Deutsches Recht ist kraft Rückverweisung (Art. 25 Abs. 1 aF, Art 4 Abs. 1; vgl Rn 374) Erbstatut für den beweglichen Nachlass. Das BGB kennt einen „executor“ nicht, der Erblasser hat ersichtlich unter dem Recht von New York als „falschem“ Recht gehandelt und eine Rechtswahl wäre nicht wirksam (Art. 25 Abs. 2 aF EGBGB greift nicht ein). Damit bedarf es der Auslegung des Erblasserwillens; in Betracht kommt zwar die Anordnung von Testamentsvollstreckung, doch kann der Alleinerbe nicht Testamentsvollstrecker sein; überdies will ein Erblasser, der in New York den Alleinerben zum executor bestimmt, diesen nicht beschränken, sondern ihm eine besonders starke Stellung in der Nachlassabwicklung verschaffen. Die Einsetzung als Erbe und executor bedeutet also eine unbeschränkte Alleinerbeneinseitzung des Sohnes.

Die Problematik kann sich auch bei Eintritt des Erbfalls ab dem 17.8.2015 stellen. Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO beruft deutsches Recht als Recht des gewöhnlichen Aufenthalts; allerdings wäre nun eine Rechtswahl zum Heimatrecht zulässig (Art. 22 Abs. 1 EU-ErbVO), die nicht notwendig ausdrücklich erfolgen muss, sondern sich aus den Bestimmungen einer letztwilligen Verfügung ergeben kann (Art. 22 Abs. 2 Alt. 2 EU-ErbVO). Bei einem vollständig von „amerikanischem“ Erbrecht ausgehenden Testament darf man dies annehmen, werden hingegen nur einzelne Rechtsbegriffe übersetzt, so bedeutet das noch keine Rechtswahl.

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