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VI. Ausländisches Recht vor deutschen Gerichten

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1. Eine enge Berührungsstelle zwischen dem IZVR und dem IPR sowie der Rechtsvergleichung ergibt sich durch die Frage, in welcher Weise in einem Zivilverfahren die Feststellung ausländischen Rechts (welches das IPR beruft) erfolgt.

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Zwischen den beiden möglichen Alternativen, ausländisches Recht als beweisbedürftige Tatsache oder als dem Richter bekanntes Recht (nach dem Grundsatz iura novit curia, lat. die Rechtsnormen kennt das Gericht) zu behandeln, entscheidet § 293 ZPO grundsätzlich zugunsten der Einordnung als Rechtsnorm. Insbesondere gilt für ausländisches Recht nicht der zivilprozessuale Beibringungsgrundsatz, die Parteien können das Gericht also nicht durch eingeschränkten Sachvortrag über den Inhalt einer anwendbaren fremden Rechtsordnung beschränken.

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2. Andererseits trägt § 293 ZPO dem Umstand Rechnung, dass ein deutscher Richter nicht den Inhalt jeder in Betracht kommenden fremden Rechtsordnung kennen kann; der Richter darf (und muss von Amts wegen, auch im Streitverfahren der ZPO) Beweis erheben, um das ausländische Recht so zu ermitteln, wie es im Herkunftsstaat angewendet wird; er darf sich insbesondere nicht auf Gesetzestexte beschränken („authentische Anwendung“ fremden Rechts).[111]

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3. In der Praxis wird entweder eine Anfrage nach dem Europäischen Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht v. 7.6.1968[112] an die jeweilige zentrale Auskunftsstelle des betreffenden Staates (zumeist das Justizministerium) gestellt oder ein Sachverständigengutachten eines deutschen Hochschullehrers (Rechtsvergleicher) oder eines Instituts für ausländisches Privatrecht eingeholt. Das erste Verfahren, dessen Zeitaufwendigkeit von Land zu Land unterschiedlich ist, eignet sich nur dann, wenn das Gericht – was meist ein rechtsvergleichendes Grundverständnis erfordert – aus dem Sachverhalt die relevanten Rechtsfragen herausarbeiten kann.

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Erkennt das Gericht die Probleme des Falles nicht, was bei strukturellen Systemunterschieden (vgl Rn 143) keineswegs vorwerfbar ist, so hilft nur der Sachverständige. Insgesamt stellt der BGH an dessen rechtsvergleichende Arbeit sehr hohe, wohl realitätsferne Anforderungen, die selbst – bei sinkenden Etats seltene – bestausgestattete deutsche Bibliotheken[113] nicht immer erfüllen können, zumal der BGH auch nicht dokumentierte Praxiskenntnisse fordert.[114] Die Anzahl der auslandsrechtlichen Fälle, die mit Sekundärquellen vom Gericht selbst gelöst werden, dürfte überdies sehr hoch sein.

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4. Das angewendete ausländische Recht ist nicht revisibel. § 545 Abs. 1 ZPO in der seit 1.9.2009 geltenden Fassung beschränkt die revisible Rechtsverletzung zwar nicht mehr ausdrücklich auf „Bundesrecht“, der Gesetzgeber des FGG-RG strebte damit jedoch nicht die Revisibilität ausländischen Rechts an.[115] Die Revision kann also weder auf die fehlerhafte noch auf die nicht vollständige Anwendung ausländischen Rechts gestützt werden. Mit der Revision kann jedoch die verfahrensfehlerhafte Ermittlung ausländischen Rechts gerügt werden; der BGH prüft dann in vollem Umfang nach, ob das ausländische Recht ausreichend ermittelt wurde, selbst wenn dazu implizit dessen Inhalt ermittelt werden muss, zB, um festzustellen, ob ein eventuelles Ermittlungsdefizit streitentscheidend war.[116] Revisibel ist selbstverständlich die falsche Anwendung des deutschen IPR.

Literatur:

Hess/Hübner Die Revisibilität ausländischen Rechts nach der Neufassung des § 545 ZPO, NJW 2009, 3132; Roth Die Revisibilität ausländischen Rechts und die Klugheit des Gesetzes, NJW 2014, 1224; Riehm Vom Gesetz, das klüger ist als seine Verfasser – Zur Revisibilität ausländischen Rechts, JZ 2014, 73.

Teil I IPR: Grundlagen§ 1 Einführung und Abgrenzung › G. Die Funktion von Rechtsvergleichung und materieller Rechtsvereinheitlichung

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