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II. Rechtsvereinheitlichung

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1. Rechtsvereinheitlichung berührt die Behandlung von Fällen mit Auslandsbezug auf zwei Ebenen.

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Die Vereinheitlichung im IPR aufgrund von völkervertraglichen Kollisionsnormen (Rn 93 ff) und die fortschreitende Vereinheitlichung durch EU-Verordnungen (Rn 89 ff) wurde bereits angesprochen. Ergebnis von einheitlichem IPR ist die Behandlung gleicher Sachverhalte nach derselben materiellen Rechtsordnung unabhängig von dem Gerichtsstand in verschiedenen Vertragsstaaten und damit bei korrekter Rechtsermittlung Ergebnisgleichheit.

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2. Rechtsvereinheitlichung findet jedoch auch auf der Ebene materiellen Rechts statt. Hier wird nicht mehr durch einheitliche Kollisionsnormen die Anwendung desselben materiellen Rechts aus der Sicht aller beteiligten Staaten sichergestellt, sondern eine supranationale materielle Rechtsordnung geschaffen, die ohne Rückgriff auf Kollisionsnormen unmittelbar Anwendung findet.

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Für das international-privatrechtliche Ziel des äußeren Entscheidungseinklangs ist materielle Rechtsvereinheitlichung der am meisten erfolgversprechende Weg. Dadurch wird nicht nur von allen Gerichten in Vertragsstaaten prinzipiell dasselbe Recht angewendet – was auch einheitliches IPR erreicht. Da es sich nicht um ein (fremdes) nationales materielles Recht handelt, sondern ein (völkervertragliches oder inkorporiertes) Einheitsrecht, ist darüber hinaus das Risiko von Fehlern bei der Rechtsanwendung ausländischen Rechts weitgehend eliminiert. Mit einem für Deutschland geltenden Einheitsrecht wird die Rechtsprechung regelmäßig mehr vertraut sein, als mit irgendeiner ausländischen Rechtsordnung. Zudem entfällt das Risiko der Fehlanwendung des IPR, da materielles Einheitsrecht ohne Zwischenschaltung von Kollisionsrecht gilt.

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Andererseits hat materielle Rechtsvereinheitlichung engere Grenzen als Kollisionsrechtsvereinheitlichung. Recht ist auch historisch gewachsener Ausdruck der kulturellen Identität von Völkern, unterschiedliche Prinzipien stehen nicht beliebig zur Disposition. Das gilt besonders im Familien-[117] und Erbrecht,[118] das unmittelbar persönlichkeitsrelevant ist, aber auch für den Einzelnen privat betreffende schuldrechtliche Regeln.[119] Die Sorge, mit der heute viele Bürger die EU betrachten, wird nicht zuletzt durch die Gefahr der Entnationalisierung von Identifikationsfaktoren genährt, zu denen nicht nur die Währung, sondern auch das Recht gehört. Leichter fällt dagegen Rechtsvereinheitlichung im Handels- und Wirtschaftsrecht.

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3. Wesentliche Quellen materiellen Einheitsrechts haben sich bisher vor allem im Bereich des Internationalen Handels entwickelt. Quelle des internationalen Einheitsrechts sind völkerrechtliche Verträge, die in der Bundesrepublik durch Zustimmungsgesetz verabschiedet und ratifiziert wurden.

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a) Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Einheitsrecht spielt die UNCITRAL (United Nations Commission on International Trade Law), eine Unterkommission der UN, die auch ältere Bemühungen der bereits zum Kollisionsrecht genannten Haager Konferenzen überholt.

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In der Praxis wichtigstes Produkt der UNCITRAL ist die Convention on Contracts for the International Sale of Goods v. 11.4.1980[120] („CISG“ bzw „Wiener UN-Kaufrecht“). Das Übereinkommen wurde von 84 Staaten (Stand Ende 2015) in Kraft gesetzt und hat das Haager Einheitliche Kaufgesetz und Kaufabschlussgesetz abgelöst, weil die Signatarstaaten des CISG eine Kündigungsverpflichtung für die beiden Haager Übereinkommen eingehen. Es regelt wesentliche Bereiche des Internationalen Warenkaufs. Erfasst sind nicht nur die aus deutscher Sicht spezifisch kaufrechtlichen Fragestellungen, sondern auch Aspekte, die aufgrund der Systematik des BGB im Allgemeinen Teil oder im Allgemeinen Schuldrecht enthalten sind. Das CISG regelt den Vertragsschluss (Annahme, Angebot, notwendige Elemente der Einigung, Wirksamkeit) und Leistungsmodalitäten, wodurch Einheitsrecht immer mit einem IPR-bestimmten Vertragsstatut im selben Sachverhalt zusammenwirkt.

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Von weniger Staaten – auch nicht von der Bundesrepublik Deutschland – gezeichnet wurde dagegen das UNCITRAL-Abkommen über die Verjährung beim internationalen Warenkauf v. 14.6.1974. Das UNCITRAL-Abkommen über internationale gezogene Wechsel v. 9.12.1988 ist noch nicht in Kraft.

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Neben den zur Zeichnung aufgelegten rechtsvereinheitlichenden Abkommen entwickelt UNCITRAL sog Modellgesetze. Diese Methode der Rechtsvereinheitlichung ist vor allem aus den USA bekannt, wo model laws eine Vorlage für die Kodifikationen der verschiedenen (in ihrer Zivilrechtsgesetzgebung autonomen) Bundesstaaten darstellen und großen Erfolg haben.[121] Modellgesetze erreichen zwar keine absolute Rechtsvereinheitlichung, weil jeder Staat sie auch mit Abwandlungen übernehmen kann, können aber ohne das schwerfällige Prozedere des völkerrechtlichen Vertrages rechtsvergleichende Ergebnisse als Richtschnur für staatliche Kodifikationen geben und finden gerade wegen ihrer Flexibilität Akzeptanz. Die Thematik solcher UNCITRAL model laws umfasst spezielle Bereiche des internationalen Handels- und Zahlungsverkehrs. Große Akzeptanz hat das UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit v. 21.6.1985 gefunden, das auch als Vorbild für die Reform (1.1.1998) des deutschen Schiedsverfahrensrechts im 10. Buch der ZPO diente.

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b) Eine weitere Institution mit rechtsvereinheitlichender Zielsetzung ist das Institut international pour l’unification du droit privé (UNIDROIT). Das unabhängige Institut hat die Entwicklung einiger Abkommen im internationalen Handelsrecht betreut, ua die Übereinkommen über die Stellvertretung beim internationalen Warenkauf v. 17.2.1983, über das Internationale Finanzierungsleasing v. 28.5.1988 und über das Factoring v. 28.5.1988; ebenfalls von UNIDROIT maßgeblich beeinflusst ist das Übereinkommen über ein einheitliches Recht der Form eines internationalen Testaments v. 26.10.1973, die sämtlich für Deutschland nicht in Kraft sind.

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c) Rechtsvereinheitlichung in Fragen des Personen- und Familienrechts sowie des zugehörigen Verfahrensrechts betreibt die Internationale Kommission für Zivilstandswesen (CIEC). Die Übereinkommen haben einen meist kleinen Kreis von Vertragsstaaten.

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4. In der EU fand materielle Zivilrechtsvereinheitlichung bisher vorwiegend durch EWG- bzw EG-/EU-Richtlinien, vereinzelt auch durch Verordnungen statt. Neben dem Gesellschafts- und Handelsrecht ist das Vertragsrecht, insbesondere das Verbraucherschutzrecht betroffen; dort hat Vereinheitlichung durch umsetzungsbedürftige Richtlinien den Vorzug, dass eine nahtlose Integration in die unterschiedliche nationale Schuld- und Sachenrechtsdogmatik möglich bleibt. Andererseits zeigt sich im Verbraucherschutzrecht der Nachteil abweichender nationaler Detailregelungen, die für den Verbraucher beim virtuellen www-Einkaufsbummel im Binnenmarkt kaum berechenbar sind. Eine Vollharmonisierung für bestimmte Aspekte des Verbraucherschutzes (Informationspflichten, Widerrufsrecht, Fernabsatz) wird durch die Richtlinie 2011/83/EU[122] erreicht, in Deutschland umgesetzt durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie usw, BGBl. 2013 I 3642.

Literatur:

Zum Stand des in Deutschland geltenden Einheitsprivatrechts: Staudinger/F.Sturm/G.Sturm (2012) Einl. 239 ff; zum EU-Richtlinien- und Verordnungsrecht: Heiderhoff Europäisches Privatrecht (4. Aufl., 2016).

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