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I. Rechtsvergleichung und IPR

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1. Rechtsvergleichung ist die Wissenschaft von der Erfassung und Vergleichung ausländischer Rechtsordnungen mit dem Ziel der Ausschöpfung von Erkenntnisquellen für die Entwicklung des eigenen und die Anwendung des fremden Rechts. Sie ist im Gegensatz zum IPR kein Bestandteil der Normen einer Rechtsordnung, sondern eine Methode der Rechtsanwendung und der Rechtsentwicklung. Rechtsvergleichung kann die großen Linien von Rechtsordnungen oder auch in Rechtsfamilien bzw Rechtskreisen verwandte Rechte erfassen und dabei Aufschlüsse über die sozialen und wirtschaftlichen Funktionen des Rechts in der Gesellschaft geben („Makrovergleichung“). Sie kann aber auch als Vergleichung einzelner Institutionen in verschiedenen Rechtsordnungen zu konkreten Einzelergebnissen und Modellen für die eigene Rechtsordnung führen („Mikrovergleichung“).

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2. Im Verhältnis zum IPR hat die Rechtsvergleichung zwei grundsätzlich verschiedene Aufgaben.Wie für fast jedes zivilrechtliche Rechtsgebiet kommt der Vergleichung des IPR verschiedener Staaten eine rechtspolitische Bedeutung zu. Wird heute ohnehin kaum ein größeres Gesetzesreformprojekt ohne rechtsvergleichende Vorarbeiten mit dem Ziel der Ermittlung geeigneter Lösungsmodelle betrieben, so ist das IPR wegen seiner am Auslandsbezug orientierten Zielsetzungen für eine solche Vergleichung besonders geeignet. Die legislative Suche nach einheitlichen Anknüpfungsregeln ist besonders hilfreich bei der Suche nach dem internationalen Entscheidungseinklang; wo die Kollisionsnormen einander gleichen, sollten – jedenfalls in der Theorie – die Gerichte dasselbe materielle Recht anwenden und zu gleichen Ergebnissen kommen. Soweit das deutsche IPR nicht kodifiziert ist oder sonst der Auslegung bedarf, nützt auch dem Rechtsanwender die rechtsvergleichende Methode.

ZB wird der Begriff gewöhnlicher Aufenthalt in Normen des deutschen IPR rechtsvergleichend beeinflusst von der Auslegung dieses Begriffs in Haager Übereinkommen und damit auch von ausländischer Rechtsprechung.

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3. Führt die Anwendung des IPR aufgrund einer Verweisung in fremdes materielles Recht, so ist die Rechtsvergleichung (im materiellen Recht) der Schlüssel zum Verständnis der fremden Regelung. Ohne das – in der Wissenschaft aufgearbeitete – Verständnis von Systemunterschieden kann die Praxis den Sinn einer ausländischen Norm und ihre Stellung im Gesamtgefüge oft kaum verstehen.

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Der im Abstraktionsprinzip geschulte deutsche Richter wird schwerlich ohne eine rechtsvergleichende Analyse die Bedeutung von Art. 1376 codice civile verstehen, wonach bei Verträgen, die dingliche Wirkung haben, das Eigentum mit der Einigung übergeht. Diese Norm meint keineswegs einen „dinglichen Vertrag“, wie ihn das deutsche Recht kennt, sondern bezieht sich auf den „schuldrechtlichen Vertrag“, zB den Kaufvertrag, der aber im italienischen Recht zugleich dingliche Wirkungen hat.

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Diese Seite des IPR macht die praktische Befassung mit Fällen mit Auslandsbezug spannend und lehrreich, weil mit dem Verlassen der eigenen Rechtsordnung viele vermeintlich unverrückbare Prinzipien als Dogmen (ausschließlich) des eigenen Rechts erkannt werden. Zugleich ist sie eine immer wieder neue Herausforderung, ein Ringen um das rechte Verständnis und – ganz praktisch – um Erkenntnisquellen, manchmal Suche nach der Orchidee im Bücherwald und manchmal Fahrt in einer Geisterbahn unerklärlicher Rechtssätze.

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