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GLITZERPARTYS UND EINE LEERE WELT

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Ich sitze auf einem weißen Bett im siebten Stock in einem der teuersten Hotels in Ostberlin. Ein Boutique-Hotel mit Smoothiebar und Bällebad. Nicht so ein polierter Butler-Kempinski-Scheiß. Ich sitze hier mit einem ganz normalen Mädchen. Schlank, braune Haare und im Jogginganzug. Nur dass sie kein ganz normales Mädchen ist, ich vielleicht auch nicht. Sie hat eine halbe Million Follower und verdient wahrscheinlich mehr Geld als die meisten berufstätigen Mitte-dreißig-Millenials. Sie erzählt mir: Es sei auch belastend, so dünn zu sein wie sie. »Skinnyshaming« nennt sie das.

Wir machen uns fertig für den Abend. Weißes Puder, bunte Farbpaletten, teurer Lipgloss. Aber keine Sorge, war alles kostenlos. Ich fühle mich benebelt. Doch die Droge ist heute keine Substanz, sondern etwas anderes: Geld. Macht. Bewunderung.

Dunkle High Heels blitzen hervor zwischen funkelnden Kleidern. Ich stehe im Fahrstuhl und bin nervös. Meine Designertasche hängt an meiner Schulter und ich klammere meine Fingernägel um den Gurt. Die verspiegelten Türen öffnen sich und alles verfliegt. Mit jedem Schritt durch die Lobby kommt mein Selbstbewusstsein zurück. Ich treffe die anderen am Eingang. Vor der Tür wartet ein schwarzer Wagen. Die Tür wird mir geöffnet und ich steige ein. Mein Blick gleitet am Fernsehturm vorbei. Unbesiegbarkeit fließt durch mein Blut. Türe auf. Pressezelt. Fotografen schreien Namen und ich verstehe plötzlich, warum es Blitzlichtgewitter heißt.

Monate später werde ich einen Typen aus L. A. daten, der in der Fashionindustrie in New York arbeitet. »Omg. You’re on Getty Images.« Ich bin stolz darauf. Auf Getty zu sein, ist ein Statussymbol. Egal ob die Bilder vor der geschmacklosen Werbewand nicht ins Feed passen, sie werden trotzdem gepostet. Wegen dem fetten Getty-Sticker, der schreit: Schaut alle her, diese Promi-Fotoagentur hat mich fotografiert, ich bin wichtig!

Drinnen gibt es Designercouches, eine verhüllte Bühne und Kellner, die mit Mini-Superfood rumrennen. Und natürlich nicht zu vergessen: kostenlose Cocktails. Neue Produkte werden vorgestellt, was aber keinen so wirklich interessiert, denn viel wichtiger ist, wer mit wem unterwegs ist. Der Saal fühlt sich an wie eine lebendig gewordene Boulevardzeitung. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich mich durch meine Einladung besonders fühle oder einfach nur fehl am Platz. Ein bisschen von beidem wahrscheinlich. Aus der Entfernung sehe ich eine große YouTuberin, der ich seit einiger Zeit folge. Ich fand sie unglaublich lustig und wollte mehr so sein wie sie. Auf Augenhöhe mit einem Idol zu sprechen, gefällt mir. Alles fühlt sich unwirklich an und ich tanze zwischen bekannten Gesichtern, Freunden und Managern bis spät in die Nacht. Es gibt eine bestimmte Uhrzeit, vielleicht eher einen gewissen Alkoholpegel, ab dem Followerzahlen plötzlich egal werden. Hierarchien lösen sich auf und wir tanzen alle wie alte Freundinnen beim Mädelsabend im Club. Betrunken von Narzissmus und Champagner erfreuen wir uns über unsere eigene Wichtigkeit, die zerbrechlicher ist als die Gläser, aus denen wir trinken. Ein paar Stunden später bin ich mit der YouTuberin im Hotel. Ich, ihr großer Fan, halte ihre Haare, während sie ins Klo kotzt.

Einen Tag später sitze ich wieder auf dem Holzstuhl im Matheunterricht in der Kleinstadt. Zwischen Integralrechnung und dritter Ableitung interessiert es niemanden, wo ich war oder wie viele Follower ich habe. Berlin war wie ein glitzernder Fiebertraum, so wie Berlin eben immer ist.

Wieder ein paar Wochen später bin ich für einige Tage nicht mehr nur ich. Ich sitze im Bikini Berlin, einer Shoppingmall, es ist Donnerstag und ich sollte eigentlich in der Schule sein. Aber es gibt Prioritäten im Leben: die größte Beauty-Convention Deutschlands. Es ist immer wieder dasselbe Spiel. Schule schwänzen, bezahlte Flüge, teure Hotels, Unmengen an PR-Geschenken. Ein Wagen fährt vor, die Managerentourage holt dich am Hintereingang mit dem rosa Teppich ab und deine Füße tun schon nach zehn Minuten weh. 14-jährige TikTok-Stars rennen rum in Abiballkleidern. Die Security am Eingang der Loge kontrolliert die Artistpässe. Heute schreit alles wieder: »Ich bin wichtig!« Doch ich habe das Gefühl, dass alle um mich rum nur Aufblaspuppen sind, dass ich selbst eine leblose Hülle bin.

Es ist acht Uhr morgens und ich stehe etwas betreten in einer Ecke und schlürfe mir den ersten Sekt rein. Eine Bekannte kommt auf mich zu und begrüßt mich. Andere Influencerinnen, die ich nicht kenne, kommen her. Sie mustern mich lachend und fragen, wie ich auf Instagram heiße.

Eine lässt ihre Gelnägel über den Bildschirm zischen, sie sieht meine Followerzahl und lacht mich peinlich berührt an. Sie zieht meine Bekannte an sich und sie verschwinden, schließlich redet man nicht mit Leuten, die weniger Follower haben als man selbst. Menschen, die einem nichts nutzen und die einen nicht weiterbringen. Entsetzt, aber nicht überrascht über diese seltsame Begegnung, stehe ich wieder allein da und frage mich, wo ich mehr Alkohol herbekomme.

Doch es ist noch früh und die kleine Show von eben war nur die Vorschau auf den Zirkus heute.

Da stehst du also um halb neun Uhr morgens etwas angetrunken von Sekt und Tausende Mädchen beneiden dich. Und du, was ist mit dir? Du denkst, du hast alles, was du immer wolltest, und doch hast du absolut nichts.

Warum tue ich das denn?, frage ich mich, auf die Menschenmassen blickend. Ich denke an ein Mädchen, das ich in der Nacht an einer U-Bahn-Station getroffen habe. Wir sind beide ein bisschen betrunken und sie starrt mich verwirrt an. Ihr Make-up ist verschmiert. Sie wirkt nervös.

»Hey, du bist doch Valentina.«

Mit einer Mischung aus Peinlichkeit und Stolz lache ich sie an.

»Ich wollte dir nur sagen, wie sehr du mich inspirierst. Als ich jünger war, habe ich so viel gelesen und habe das in den letzten Jahren voll vernachlässigt. Aber durch dich habe ich wieder Motivation gefunden und sogar selbst probiert zu schreiben.«

Ich bin irgendwie überwältigt. Erst seit ein paar Wochen habe ich damit begonnen, kleine Texte und Gedichte zu veröffentlichen. Es ist nicht das erste Mal, dass Leute mich offline ansprechen, doch sie geht mir besonders nah. Ich habe einen Menschen berührt.

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