Читать книгу Idealismus heute - Vittorio Hösle - Страница 12

4. Die methodische Grundlage des objektiven Idealismus

Оглавление

Wenn wir uns lediglich nach diesen subjektiv- oder objektiv-ontologischen Voraussetzungen richten würden, wäre nicht nur ein Großteil der frühneuzeitlichen Philosophie (Baruch Spinoza, Leibniz, Isaac Newton), sondern auch der christlichen Philosophie des frühen und späten Mittelalters als Ausdruck eines objektiv-idealistischen Weltbildes zu verstehen, wie es Otto Willmann in seiner umfangreichen Geschichte des Idealismus (1896) auch verstanden hat (Band 2). Bereits Hegel hat die Verwandtschaft zwischen Religion und Idealismus erkannt, denn ebenso wenig wie die Religion erkennt der Idealismus die Endlichkeit als ein wahrhaftes letztes Sein an (5.172). Besonders ausgeprägt ist diese Verwandtschaft in der indischen Religion und in der damit verbundenen Philosophie, auf die Schopenhauer zu Recht die halb objektividealistische Grundlage seines Denkens bezog. In einem spezifischen Sinne heißt objektiver Idealismus aber diejenige philosophische Richtung, die durch absolute Selbstreflexion den Anspruch erhebt, die eigene ontologische Position (ohne Rest) rationell zu begründen und einheitlich zu entfalten und also nicht einfach dogmatisch (als Glaubensinhalt wie im religiösen Denken oder als direkte, reale Vorstellung wie im scholastischen und frühneuzeitlichen Denken) vorauszusetzen. Der objektive Idealismus, der in diesem spezifischen Sinne auch absoluter Idealismus zu nennen wäre, ist also nicht nur eine Philosophie, die die Existenz von weltkonstituierenden geistigen Gehalten voraussetzt, sondern darüber hinaus auch eine besondere transzendentale Methodologie der radikalen Selbstreflexion und rationalen Rekonstruktion apriorischer Inhalte. Er ist somit der Versuch, die geistige Grundlage der Welt rationell zu begründen und einheitlich auf einem sicheren Fundament aufzubauen, d.h. der objektive Idealismus ist eine Methode, die die synthetisch-apriorische Erkenntnis einheitlich darzustellen strebt.

Das Geistige, das die Grundlage der Natur formt, ist die objektive Vernunft, die, sofern sie nichts über sich hat und auch das Wesen alles Realen ist, ebenso absolute Vernunft ist. Gegenüber dem Naturalismus, der die Objektivität kausaler Beziehungen innerhalb des Physischen hervorhebt, und dem Subjektivismus, der den subjektiven Idealismus und radikalen Skeptizismus begründet, wäre eine solche absolut verstandene Form des objektiven Idealismus, der das Ideelle als Grundlage der Natur und der endlichen Subjektivität denkt, die Synthesis von Naturalismus und Subjektivismus (Hösle 1984, 105). Als Entfaltung einer absoluten Vernunft verstehen objektiv-idealistische Ansätze sich auch, wie Fritz-Peter Krollmann zu Recht hervorgehoben hat, als holistisch, d.h. die Logik, die der Natur zugrunde liegt, öffnet Qualitäten höherer Ordnung den Weg, die sich gestaltend des Stoffes bemächtigen (2002, 104). Der absolute Idealismus impliziert also die Möglichkeit einer rational-spekulativen Naturphilosophie, die über eine Philosophie der Physik und Chemie (Wandschneider 2008) hinauswächst und progressiv aus der Tiefe der Natur das Treiben des endlichen Geistes als sich bemächtigende Selbstorganisation in Form apriorischer Rekonstruktion entwickelt.

Idealismus heute

Подняться наверх